Leitsatz (amtlich)

1. Ein durch Grundschulden am Baugrundstück gesicherter Kontokorrentkredit kann ein - modifiziertes - Baudarlehen i.S.v. § 1 des Gesetzes über die Sicherung von Bauforderungen in der Fassung bis 31.12.2008 (GSB) darstellen.

2. Mit der Einräumung der Kreditlinie erlangt der Baugeldempfänger die tatsächliche Verfügungsgewalt am Baugeld, auch wenn nach dem Darlehensvertrag der Abruf von Teilbeträgen unter Beifügung geeigneter Belege zu erfolgen hat.

3. Der Baugeldempfänger ist nicht verpflichtet, im Zeitpunkt der Bauleistungserbringung durch einen Bauunternehmer entsprechende Kontokorrentkreditbeträge abzurufen. Diese Verpflichtung entsteht erst dann, wenn der Bauunternehmer Abschlagsrechnungen oder die Schlussrechnung vorlegt.

4. Mit der Kündigung des Kontokorrentkredits durch den Darlehensgeber entfällt die Baugeldeigenschaft. Danach vorgelegte Schlussrechnungen des Bauunternehmers führen bezüglich des noch offenen Saldos nicht mehr zu einer Haftung des Darlehensnehmers gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1, 5 GSB.

 

Normenkette

GSB §§ 1, 5; BGB § 823 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Ellwangen (Urteil vom 06.09.2011; Aktenzeichen 2 O 319/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.12.2012; Aktenzeichen VII ZR 187/11)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des LG Ellwangen vom 6.9.2011 (2 O 319/09) abgeändert.

a) Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner 21.000 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1.9.2009 zu bezahlen.

b) Die Beklagten sind dem Grund nach verpflichtet, der Klägerin als Gesamtschuldner Schadensersatz für die über 21.000 EUR hinausgehende restliche Vergütung aus der Schlussrechnung Nr. 344108 vom 11.6.2007 für ihre Bauleistungen für das Bauvorhaben in T, Los 1 Wohngebäude - Haus 1 und Los 2 Winkelstützwand, zu zahlen.

c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Berufungsstreitwert: 204.524,17 EUR

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen unterlassener Weiterleitung von Baugeld. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat dem Grunde nach den Schadensersatzanspruch der Klägerin für begründet erklärt und im Wege des Teilurteils darüber hinaus der Klägerin 21.000 EUR zzgl. Zinsen im Hinblick auf die unstreitige Werklohnforderung gegen die Stiftung zugesprochen.

Die Stiftung habe Baugeld i.S.v. § 1 GSB empfangen, um die von der Klägerin zu erbringenden Bauleistungen bezahlen zu können. Zwar habe die Stiftung mit der Darlehensgeberin die Zweckabsprache getroffen, dass mit den Darlehen nicht nur die reinen Baukosten, sondern das gesamte Projekt finanziert werden sollte. Da nach den Vereinbarungen im Darlehensvertrag die Auszahlung der Darlehensvaluta ohne nähere Bestimmung des Zwecks nach Baufortschritt habe erfolgen sollen, greife die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 GSB ein, dass es sich insgesamt um Baugeld und nicht um modifiziertes Baugeld handele. Diese widerlegliche Vermutung habe zur Folge, dass der Baugeldempfänger den Nachweis dafür erbringen müsse, dass die Parteien des Darlehensvertrages einen anderen Verwendungszweck vereinbart hätten. Diese Vermutung hätten die Beklagten nicht widerlegen können. Das Darlehen sei zwischen den Parteien des Darlehensvertrages als Kontokorrentkredit bis zu einer Höhe von 3,5 Mio. EUR konzipiert worden. Bei dieser Sachlage wäre eine konkrete Zweck-Mittel-Vereinbarung über eine konkrete Verwendung der Darlehenssumme nicht möglich gewesen. Eine konkrete Zweck-Mittel-Vereinbarung könne auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass die Stiftung verpflichtet gewesen sei, vor der Abrufung von Teilbeträgen die entsprechenden Belege bei den Darlehensgebern einzureichen.

Nach den Vereinbarungen im Darlehensvertrag sei die Stiftung berechtigt gewesen, über die grundbuchrechtlich gesicherte Forderung nach Baufortschritt zu verfügen und die angeforderten Beträge an ihre Gläubiger auszubezahlen.

Die Stiftung sei als Bauherrin und Baugeldempfängerin nach § 2 Abs. 1 GSB verpflichtet gewesen, ein Baubuch zu führen. Dies habe sie nicht getan. Die Beklagten könnten sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Stiftung ihrer Verpflichtung zur Führung eines Baubuches nachgekommen sei, weil sie ihre Verpflichtung auf die Planungsgesellschaft übertragen hätten. Die unterlassene Führung eines Baubuches indiziere einen Verstoß gegen die Verwendungspflicht aus § 1 Abs. 1 GSB. Gerade den Schwierigkeiten, die sich aus dem weitreichenden Verwendungszweck der Darlehen ergeb...

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