Leitsatz (amtlich)

Im Verfahren des Vermieters auf Schadensersatz wegen bei einer richterlich angeordneten Wohnungsdurchsuchung einer vermieteten Wohnung durch ein Spezialeinsatzkommando entstandener Schäden entfaltete der Durchsuchungsbeschluss Tatbestandswirkung für die Polizeikräfte und er entfaltet sie für das Gericht, welches ihn zugrunde zu legen hat.

Mit der Vermietung wird die Wohnung in ihrer Beziehung zum Gemeinwesen auch und vor allem durch das Nutzungsverhalten des Mieters geprägt. Die damit regelmäßig verbundene Gefahr von Missbräuchen oder auf den Mieter zurückgehender Beschädigungen ist Bestandteil des Mietzinses. Realisiert sie sich in Form von Durchsuchungen der Polizei, ist das kein Sonderopfer.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 20.12.2011; Aktenzeichen 10 O 988/11)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 14.03.2013; Aktenzeichen III ZR 253/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 20.12.2011 verkündete Urteil des LG Magdeburg abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision ist zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 802 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt als hierzu ermächtigter Miteigentümer Schadensersatz für die bei einer richterlich angeordneten Durchsuchung der vermieteten Wohnung entstandene Beschädigung des vom Spezialeinsatzkommando zum Betreten genutzten Fensters und die durch Glassplitter entstandene Verunreinigung des Teppichbodens. Hintergrund der Durchsuchung war der Verdacht, dass der Mieter der Wohnung mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel trieb. Eine in der Vergangenheit liegende Verstrickung des Mieters in Drogendelikte kannte der Kläger, der mit der Schwester des Verdächtigen in einer Beziehung lebt.

Das LG hat der Klage mit Urteil vom 20.12.2011, auf das wegen der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, weitgehend stattgegeben und dem Kläger eine Entschädigung aus enteignendem Eingriff zuerkannt. Gegen diese, seinem Prozessbevollmächtigten am 23.12.2011 zugestellte Entscheidung wendet sich das beklagte Land mit der am 18.1.2012 eingegangenen und am 23.2.2012 begründeten Berufung.

Das beklagte Land wiederholt im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Sachvortrag und sieht nach wie vor bei einem Schaden von 802 EUR die Opfergrenze nicht überschritten, zumal der Kläger die erlittenen Nachteile beim Mieter liquidieren könne. Drogenhandel gehöre nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache. Außerdem habe der Kläger von der Drogenvergangenheit des Mieters Kenntnis gehabt. Die Kostenentscheidung des LG sei falsch. Es habe nach der teilweisen Klagerücknahme eine verhältnismäßige Teilung der Kosten stattfinden müssen.

Das beklagte Land beantragt, das Urteil des LG Magdeburg vom 20.12.2011 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des LG und sieht den Polizeieinsatz durch nichts gerechtfertigt. Ihm sei unbekannt, inwieweit sich gegen seinen Mieter ausreichende Verdachtsmomente ergeben hatten. Die Durchsuchungsanordnung des AG sei zumindest im Hinblick auf Betäubungsmittel rechtswidrig, denn im Beschluss fänden sich keine dahingehenden Gründe. Der gesamte Polizeieinsatz beruhe auf Mutmaßungen.

Dem Kläger sei es nicht zuzumuten, den Schaden zu tragen, da er im Gegensatz zum beklagten Land nicht über die notwendigen Informationen und Rechtsgrundlagen verfüge, um Ansprüche gegen den Mieter durchzusetzen.

Dem Kläger dürfe es nicht zur Last fallen, wenn sich sein Mieter strafbar verhalte.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Entgegen der Auffassung des LG kann der Kläger vom beklagten Land keinen Schadensersatz und keine Entschädigung für die Durchsuchungsmaßnahme vom 17.11.2010 beanspruchen. Nur der Beschuldigte erhält ggf. eine Entschädigung, wenn die Durchsuchung erfolglos und der Tatverdacht nicht zu erhärten war. Der Kläger als Vermieter hat dagegen Beschädigungen entschädigungslos hinzunehmen.

1. Der Senat teilt die Auffassung des LG, wonach ernsthaft nur ein Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff in Betracht kommt.

a) Entgegen der Auffassung des beklagten Landes genügt es für den Ausschluss eines Schadensersatzanspruchs aus Art. 34 Sätze 1 u. 3 GG i.V.m. § 839 Abs. 1 BGB allerdings nicht, auf die richterliche Durchsuchungsanordnung vom 8.11.2010 zu verweisen. Diese enthob die Beamten keinesfalls von der Pflicht zum schonenden und das Eigentum Dritter nach Möglichkeit nicht in Mitleidenschaft ziehenden Vorgehen. Der Durchsuchungsbeschluss b...

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