Leitsatz (amtlich)

1. Ein Hauseigentümer ist - unabhängig von der allgemeinen Räum- und Streupflicht - verpflichtet, bei winterlichen Temperaturen Vorkehrungen gegen das Ausrutschen von Fußgängern auf dem öffentlichen Gehweg vor seinem Haus zu treffen, wenn er eine besondere Gefahrenlagen durch die Ableitung seiner Dachentwässerung auf den Gehweg geschaffen hat. Auf die Ortsüblichkeit einer solchen Entwässerung kommt es für die Frage der Begründung der Verkehrssicherungspflicht nicht an.

2. hier: Schmerzensgeld i.H.v. 5.000 EUR bei Sprunggelenksluxationsfraktur links vom Typ Weber C, Innenknöchelfraktur links mit knöchernem Ausriss eines Fragments im Bereich des Schienbeins und Fraktur des hinteren Volkmanndreiecks; eine Woche stationäre Behandlung mit operativer Reposition unter Einbringung chirurgischen Befestigungsmaterials, komplikationslose Heilung, 5 ½ Monate Minderung der Erwerbsfähigkeit zu 100 % und ca. weitere zwei Monate sukzessiver Belastungsaufbau.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 08.01.2013; Aktenzeichen 11 O 1425/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 8.1.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des LG Magdeburg unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.000 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 9.11.2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen haben die Klägerin zu einem Sechstel und der Beklagte zu fünf Sechstel zu tragen. Die Klägerin hat weiter je ein Sechstel der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Streithelfer des Beklagten zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 6.000 EUR und (nur in erster Instanz) materiellen Schadenersatz zu einem Betrag von 51,80 EUR nebst Prozesszinsen wegen einer am 15.12.2010 kurz nach 06:00 Uhr morgens erlittenen Verletzung aufgrund eines Glätteunfalls in räumlicher Nähe zum Eigenheim des Beklagten. Daneben hat sie Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 603,93 EUR geltend gemacht. Die in der Berufungsinstanz auf Seiten des Beklagten beigetretenen Streithelfer sind Eigentümer des Nachbargrundstücks zum Grundstück des Beklagten. Von einer weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

B. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg.

Das LG hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadenersatz wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflichten als Hauseigentümer nach § 823 Abs. 1 BGB hat und dass dieser Anspruch nicht beschränkt ist im Hinblick auf ein Mitverschulden der Klägerin.

Bei der Bemessung eines hierfür angemessenen Schmerzensgeldes hat sich das LG zum Teil auf fehlerhafte Erwägungen gestützt; der Senat hat stattdessen eine eigene Ermessensausübung vorgenommen.

I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Schmerzensgeld nach §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2, 253 BGB.

1. Für die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit kommt es - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht darauf an, ob dem Beklagten eine Verletzung der allgemeinen Räum- und Streupflicht bei winterlicher Witterung nachzuweisen ist. Daher kann auch offen bleiben, ob und ggf. welchen Einfluss eine Bestimmung aus der kommunalen Satzung (hier: Gewährleistung der Begehbarkeit von öffentlichen Wegen und Straßen bei Schneefall und allgemeiner Glättebildung durch Anlieger wochentags ab 07:00 Uhr) auf den Inhalt der zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflichten eines Grundstückseigentümers hat.

2. Der Beklagte verletzte jedenfalls eine Verkehrssicherungspflicht, die ihm wegen einer besonderen, von ihm selbst geschaffenen Gefahrenlage oblag.

a) Der Beklagte war verpflichtet, Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass Benutzer des öffentlichen Gehwegs vor seinem Haus u.a. dadurch zu Fall kommen, dass sich vereinzelte zusätzliche Glättestellen bildeten. Denn er schuf eine besondere Gefahrenlage dadurch, dass er die Entwässerung des Dachs seines Eigenheims mittels eines Regenfallrohrs an der Straßenseite direkt über den öffentlichen Gehweg vornahm, so dass z.B. bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts ein erhöhtes Risiko der Bildung einzelner Glättestellen auf diesem Gehweg bestand. Für die Begründung einer Verkehrssicherungspflicht wegen der Schaffung einer besonderen Gefahrenlage für den öffentlichen Verkehr ist es unerheblich, inwieweit eine derartige Entwässerung in der Straße in dem betreffenden Stadtviertel früher üblich gewesen sein mag oder ga...

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