Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen über einen angeklagten Anwalt in einem Bericht über die Hauptverhandlung identifizierbar berichtet werden darf.

2. Die Änderung eines Unterlassungsantrags im Beschwerdeverfahren ist nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder wenn das Gericht die Änderung als sachdienlich ansieht.

3. Zum Einfluss der Verkündung eines Urteils auf die Wiederholungsgefahr nach einem Bericht über eine Hauptverhandlung in Strafsachen.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 1004

 

Verfahrensgang

LG München II (Aktenzeichen 14 PO 5351/02)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG München II, 14. Zivilkammer, vom 25.9.2002 wird zurückgewiesen.

II. Der ergänzende Antrag vom 2.10.2002 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

V. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die zulässige sofortige Beschwerde (§§ 936, 922, 567 Abs. 1 ZPO) ist unbegründet. Der Senat hält die Auffassung des LG für zutreffend und nimmt auf die angefochtene Entscheidung Bezug.

Ergänzend ist auszuführen:

Das Recht der Presse, über Gerichtsverfahren zu berichten, schließt nicht notwendig das Recht mit ein, den Angeklagten identifizierbar zu machen (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rz. 10.169). Durch die Berichterstattung über Strafverfahren wird der identifizierbare Angeklagte in seinem Persönlichkeitsrecht erheblich beeinträchtigt und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert (BVerfGE 35, 202 [231] – Lebach). Gerade vor Verkündung eines Urteils muss eine sorgfältige Abwägung erfolgen, ob das Informationsinteresse das Recht des Angeklagten auf Schutz seiner Persönlichkeit und Wahrung seiner Ehre so überwiegt, dass eine Berichterstattung in identifizierbarer Weise zulässig ist.

Grundsätzlich kommt dies nur in Fällen schwerer Kriminalität oder bei Straftaten in Betracht, die die Öffentlichkeit besonders berühren. Das dem Antragsteller im Strafverfahren zur Last gelegte Vergehen der Strafvereitelung ist von der Strafdrohung her (§ 258 StGB) lediglich dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Eine Berichterstattung in identifizierbarer Weise wäre unter dem Gesichtspunkt der Schwere des erhobenen Vorwurfs nicht zu rechtfertigen. Das Erstgericht hat aber zu Recht darauf abgestellt, dass dem Antragsteller zur Last gelegt wird, die Tat als Organ der Rechtspflege begangen zu haben. Daraus ergibt sich das besondere Interesse der Öffentlichkeit, für die der Umgang der Justiz mit Straftaten in ihrem eigenen Bereich, an denen Personen der Rechtspflege beteiligt gewesen sein sollen, von besonderer Bedeutung ist. In solchen Fällen kommt der Informationsfanktion der Presse, wie z.B. auch bei Delikten der Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung (BGH v. 7.12.1999 – VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199 = AfP 2000, 167 = NJW 2003, 106), eine erhöhte Bedeutung zu, die wegen der Person des Angeklagten und der Art der Straftat eine namentliche Berichterstattung auch unterhalb der Schwelle der Schwerkrimmalität zulässt. (vgl. Löffler/Steffen, Presserecht, 4. Aufl., § 6 LPG Rz. 208). Es besteht ein legitimes Interesse Rechtsuchender, nicht nur über den Vorgang als solchen, sondern auch über die Person des Angeklagten informiert zu werden, um ggf. daraus Konsequenzen zu ziehen.

Für eine Recherche, die über die Kenntnisse aus der Verhandlung selbst hinausgehen, bestand für die Antragsgegnerin trotz der Identifizierbarkeit des Antragstellers keine Verpflichtung. Insbesondere war nicht erforderlich, eine Stellungnahme des Antragstellers einzuholen. Anders als bei einer Verdachtsberichterstattung im Stadium eines Ermittlungsverfahrens wurde bei Zulassung der Anklage der hinreichende Tatverdacht durch das Gericht geprüft, nachdem dem Angeschuldigten rechtliches Gehör gewährt worden war (§§ 201, 203 StPO).

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass durch die Abkürzung des Familiennamens des Antragstellers in der Berichterstattung die Identifizierbarkeit wesentlich erschwert wird. Nur Personen, die ein besonderes Interesse daran haben, die Identität der im Bericht genannten Rechtsanwälte zu erfahren, werden sich der Mühe unterziehen, anhand von Anwaltsverzeichnissen herauszufinden, wer mit der Bezeichnung „Rechtsanwalt H.-D.G.” gemeint sein könnte. Ein solches Informationsbedürfnis wird zum einen bei den Personen bestehen, die auf der Suche nach einem Anwalt ihres Vertrauens sind, zum anderen aber auch Mandanten, die Gewissheit haben wollen, dass es sich bei den im Bericht genannten Rechtsanwälten nicht um ihren eigenen Anwalt handelt. Die Suche im Anwaltsverzeichnis – das ohnehin nicht jedem leicht zur Verfügung steht – erfordert erhebliche Geduld. Bevor man zum Antragsteller gelangt, müssen etwa 250 andere Anwälte mit Anfangsbuchstaben „G” abgearbeitet werden. Eine Suche in der BRAK-Homepage und im ...

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