Leitsatz (amtlich)

Ein offenes Regenrückhaltebecken ist als Teil der gemeindlichen (Rohr)-Kanalisation haftungsrechtlicher Bestandteil einer Rohrleitungsanlage i.S.v. § 2 Abs. 1 HaftPflG und unterfällt dem Schutzzweck dieser Norm.

 

Normenkette

HaftPflG § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 30.01.2003; Aktenzeichen 5 O 98/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 11.03.2004; Aktenzeichen III ZR 274/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Köln vom 30.1.2003 – 5 O 98/01 – wird unter Abänderung dieses Urteils der Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der beklagten Stadt Schadensersatz wegen einer Überflutung seiner Häuser in C. anlässlich eines Starkregenereignisses am 4.7.2000, welches durch die Kanalisation nicht bewältigt wurde; Ursache war nach Behauptung des Klägers der Überlauf eines nahe gelegenen offenen Regenrückhaltebeckens. Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Mit seiner Berufung greift der Kläger die rechtliche Beurteilung des LG an; neues tatsächliches Vorbringen wird von ihm mit der Berufung nicht vorgetragen.

II. Die zulässige Berufung ist insoweit vorläufig erfolgreich, als der geltend gemachte Schadensersatzanspruch dem Kläger dem Grunde nach zusteht (§ 304 ZPO). Wegen der streitigen Schadenshöhe bedarf die Sache weiterer Aufklärung, die nach Rechtskraft des Urteils erfolgen soll.

Mit seiner Klage und der Berufung macht der Kläger geltend, zu der Überschwemmung seiner Häuser sei es durch den Überlauf des seinen Häusern hangaufwärts gegenüberliegenden offenen Regenrückhaltebeckens gekommen. Das angefochtene Urteil verhält sich zu dieser zunächst entscheidenden und von der Beklagten bestrittenen Vorfrage des übergelaufenen Rückhaltebeckens nicht, geht aber unausgesprochen davon aus, dass es zu dem von dem Kläger behaupteten Überlauf und der darauf beruhenden Überflutung gekommen ist, denn anders wären die Urteilsausführungen nicht verständlich. Der Senat hat keine Zweifel am Beckenüberlauf als Schadensursache, denn dies haben die erstinstanzlich vernommenen Zeugen U. und B.S. (Bl. 107, 109 GA) so ohne jede Einschränkung anschaulich bekundet. Der Senat sieht keinen Anlass dafür, den in sich schlüssigen, übereinstimmenden und nachvollziehbaren Angaben der Zeugen – auch ohne sie selbst gehört zu haben – nicht zu folgen, denn angesichts der in die Häuser geströmten Wassermassen erscheint eine andere Ursache nicht vorstellbar. Insbesondere finden sich keine Anhaltspunkte für die von der Beklagten nur sehr pauschal behauptete Überflutung durch nicht gefasstes Oberflächenwasser. Angesichts der insoweit für die Beklagte sprechenden höchstrichterlichen Rspr. zu ungefasstem Oberflächenwasser, für das die Beklagte jedenfalls nach dem Haftpflichtgesetz keine Haftung treffen würde, dürfte es sich insoweit um eine Schutzbehauptung handeln, die durch die eindeutigen Bekundungen der Zeugen widerlegt ist.

Geht man von einem Überlauf des Rückhaltebeckens als Schadensursache aus, haftet die Beklagte dafür gem. § 2 Abs. 1 S. 1 HaftPflG im Rahmen der insoweit gegebenen Gefährdungshaftung, da dieses Becken ein Teil der von der Beklagten betriebenen Abwasseranlage ist. Dem angefochtenen Urteil, welches eine solche Haftung verneint, ist zwar zuzugeben, dass diese Haftung nicht auf der Hand liegen mag, da nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Wirkungshaftung nach § 2 Abs. 1 S. 1 HaftPflG – und nur eine solche kommt hier in Betracht – nur dann gegeben ist, wenn es sich um eine Rohrleitungsanlage handelt, was bei einem offenen Rückhaltebecken wie hier zunächst nicht der Fall zu sein scheint. Dieser Ansatz greift jedoch zu kurz und wird dem Sinn und Zweck sowie dem Schutzzweck der Regelung nicht gerecht.

Der BGH hat bereits 1988 (BGH v. 14.7.1988 – III ZR 225/87, MDR 1989, 46 = VersR 1988, 1041) entschieden, dass auch offene Bereiche einer einheitlichen Kanalisationsanlage der Gefährdungshaftung des § 2 Abs. 1 S. 1 HaftPflG unterfallen und der Rohrleitungscharakter einer Anlage durch offen liegende Bereiche nicht in Frage gestellt wird, sofern der notwendige Zusammenhang mit der Funktion der Anlage, das anfallende Oberflächenwasser aufzunehmen und abzuleiten, gewahrt ist. Entscheidend ist, ob sich das schadensverursachende Wasser bereits im Rohrleitungssystem der Kanalisation befindet, um das Tatbestandsmerkmal des Ausgehens von einer Rohrleitungsanlage i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 HaftPflG zu erfüllen (BGH v. 14.7.1988 – III ZR 225/87, MDR 1989, 46 = VersR 1988, 1041).

Insoweit kann es aus Sicht des Senats nicht darauf ankommen, wie groß sich die offen liegenden Bereiche darstellen, ob wie im vom BGH entschiedenen Fall nur eine Betonwanne von 1,5 m Länge oder wie vorliegend ein relativ großes Rückhaltebecken in Rede steht. entspr. dem S...

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