Leitsatz (amtlich)

1. a) Einer in Deutschland wegen des Ausfalls griechischer Staatsanleihen erhobenen Anlegerklage, die sich auf die Rechtswidrigkeit des griechischen Gesetzes 4050/2012 vom 23.2.2012 und der damit im Zusammenhang stehenden Umschuldungsmaßnahmen stützt und wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, wegen rechtswidriger Enteignung bzw. enteignungsgleichen Eingriffs Schadensersatz geltend macht, steht der Einwand der Staatenimmunität entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 8.3.2016 - VI ZR 516/14 -, Rn. 19-23).

b) Etwas anderes gilt, soweit mit der Anlegerklage Rückzahlungsansprüche aus den Staatsanleihen bzw. Ersatz wegen deren Nichterfüllung geltend gemacht werden; insoweit ist die Hellenische Republik nicht in ihrem hoheitlichen Aufgabenbereich betroffen (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 8.3.2016 - VI ZR 516/14 -).

2. a) Bei der Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen aus den Staatsanleihen bzw. von Ersatz wegen deren Nichterfüllung nach dem griechischen Gesetz 2198/1994 handelt es sich um eine Zivilsache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 EuGVVO aF.

b) Für eine solche Anlegerklage ist in Deutschland der Verbrauchergerichtsstand nach Art. 15 Abs. 1, 16 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO aF nicht eröffnet, weil der Anleger die Staatsanleihen nicht unmittelbar vom Emittenten erwirbt, sondern sich der Rechteerwerb im Wege des Kommissionsgeschäfts über eine dazwischen geschal-tete Bank als Vertragspartnerin vollzieht (vgl. EuGH, Urteil vom 28.1.2015 - Rs. C-375/13 - Kolassa, ECLI:EU:C:2015:37, Rn. 20 ff. [35]).

c) Eine Anlegerklage, mit der Rückzahlungsansprüche aus den Staatsanleihen bzw. Ersatz wegen deren Nichterfüllung nach Art. 8 Abs. 2 Satz 2 des griechischen Gesetzes 2198/1994 geltend gemacht werden, hat "Ansprüche aus einem Vertrag" im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVVO aF zum Gegenstand.

Der sich nach griechischem Recht als lex causae bestimmende Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVVO aF liegt aufgrund des durch das griechische Gesetz 2198/1994 vorgegebenen organisatorischen Rahmens und der Ausgestaltung des Vollzugs der Emission der Staatsanleihen am Sitz der griechischen Zentralbank in Athen. Die dispositive Auslegungsregel in Art. 321 des griechischen Zivilgesetzbuchs, die im Zweifel für vertragliche Geldleistungen einen Leistungsort am Wohnort des Gläubigers zum Zeitpunkt der Zahlung vorsieht, findet aufgrund der besonderen Umstände keine Anwendung.

Eine Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite führt zu keiner Änderung des zuständigkeitsbegründenden Erfüllungsortes nach Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVVO aF; vielmehr sind und bleiben allein die in der Person des ursprünglichen Gläubigers liegenden Umstände maßgeblich.

 

Normenkette

EuGVVO a.F. Art. 5 Nr. 1 lit. a; EuGVVO Art. 15 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1; GG Art. 25; GVG § 20 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 31.07.2015; Aktenzeichen 32 O 70/14)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Köln vom 31.7.2015 - 32 O 70/14 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der in F wohnhafte Kläger macht gegen die Republik Griechenland Rückzahlungsansprüche aus griechischen Staatsanleihen geltend, die im Rahmen des so genannten griechischen Schuldenschnitts im Jahr 2012 eingezogen und durch neue Anleihen mit einem niedrigeren Nennwert ersetzt wurden. Er begehrt hilfsweise Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung Zug um Zug gegen Rückbuchung der "Ersatzanleihen".

1. Der Kläger erwarb im November 2011 und im Januar 2012 über seine depotführende Sparkasse, die T AG & Co KG mit Sitz in X (im Folgenden: Depotbank), von der Beklagten begebene ISIN-GR Anleihen über einen Nennbetrag von insgesamt 10.000 EUR. Die Anleihen sollten mit einem Zinssatz von 4 % p. a. verzinst werden und jeweils am 20.8. eines Jahres fällig sein; Gesamtfälligkeit sollte am 20.8.2013 eintreten. In den Anleihebedingungen, in denen keine Umschuldungsklauseln (sog. Collective Action Clauses) enthalten waren, wurde bestimmt, dass diese Anleihen griechischem Recht unterfallen und es sich um dematerialisierte Wertpapiere handelt, die als Wertrechte ausgegeben werden und im Girosystem der griechischen Zentralbank registriert sind. Das Girosystem der griechischen Zentralbank basiert auf Konten im Namen der jeweiligen Systemteilnehmer (sog. "Träger"), die daran nur mit Zulassung durch die griechische Zentralbank teilnehmen können. Nach Art. 6 Abs. 4 des griechischen Gesetzes 2198/1994 wird eine Anleihe durch Gutschrift auf dem bei der Zentralbank geführten Konto des Teilnehmers ("Trägers") übertragen.

Da weder die Depotbank noch der Kläger Tei...

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