Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufklärungspflicht eines Augenarztes vor Lasik - Operation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine schriftliche Patienteninformation kann das ärztliche Aufklärungsgespräch allenfalls bei Routineeingriffen mit Massencharakter ersetzen. Vor einer Lasik - Operation muss der Augenarzt daher über das Risiko einer erheblichen und dauerhaften Verschlechterung des Sehvermögens bis hin zur Erblindung mündlich aufklären.

2. Bekundet der zum Inhalt der mündlichen Aufklärung angehörte Arzt, dass er regelmäßig "die am häufigsten vorkommenden Komplikationen wie Entzündungen, Über- oder Unterkorrektur und Narbenbildung" bespreche und bietet auch das Dokumentationsblatt über das Patientengespräch keinen Anhalt, dass das Risiko der erheblichen Verschlechterung des Sehvermögens erwähnt wurde, fehlt es an einer wirksamen Einwilligung des Patienten.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 253, 276, 280, 611, 823; ZPO §§ 141, 256, 286

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 22.05.2014; Aktenzeichen 1 O 53/14)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 01.08.2017; Aktenzeichen 2 BvR 3068/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Koblenz vom 22.5.2014 aufgehoben und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten für die Durchführung der Lasik- Operationen beider Augen im Dezember 2007 sowie für alle Schäden, welche durch diese Operationen verursacht oder mitverursacht wurden, insbesondere für die Verschlechterung der Sehkraft, soweit die Ansprüche nicht übergegangen sind auf gesetzliche Träger der Sozialversicherung.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger litt unter Kurzsichtigkeit. Zu deren operativer Korrektur ließ er am 10.12.2007 durch den Beklagten beidseitig eine Lasik (Laser-in-situ-Keratomileusis) durchführen.

Er hatte sich dieserhalb erstmals am 14.8.2007 in dessen augenärztlicher Praxis vorgestellt und dabei anamnestische Angaben gemacht. Über den weiteren Verlauf besteht wenig Klarheit. Nach dem Vorbringen des Beklagten wurde der anstehende Eingriff ausführlich erörtert und dabei auch angesprochen, dass das Risiko einer nicht mehr behebbaren Sehverschlechterung und im Extremfall der Erblindung bestehe. Dieses Risiko sei ebenfalls in einem Aufklärungsbogen genannt worden, den er dem Kläger ausgehändigt habe.

Das hat dieser in Abrede gestellt und seinerseits vorgetragen, ihm sei gesagt worden, man könne bei der Operation "jedenfalls 100 % rausholen" und es sei nur mehr eine Lesebrille von Nöten.

Unter dem 12.9.2007 unterzeichnete der Kläger ein Formblatt, in dem er bestätigte, "den Aufklärungsbogen gelesen und verstanden zu haben". Dieses Blatt gelangte dann an den Beklagten, der seinerseits - ergänzend zu einem vorgedruckten Vermerk, das mögliche Komplikationen und risikoerhöhende Besonderheiten des Eingriffs erörtert worden seien - handschriftlich anfügte: "Entzündungs-Zeichen, Relasik-Möglichkeiten, keine Garantie für Sehleistungen ohne Brille".

Alsbald nach der Lasik kam es beim Kläger zu einer 50 %- igen Sehkraftminderung. Sie ist seinem Vortrag nach die Folge des von dem Beklagten vorgenommenen Eingriffs, für die dieser deshalb einzustehen habe, weil die gebotene Risikoaufklärung unterblieben sei. Wäre sie erfolgt, hätte er sich - jedenfalls ohne die Einholung zusätzlicher Expertisen - nicht operieren lassen.

Das LG hat die auf die Feststellung der Ersatzhaftung des Beklagten gerichtete Klage nach einer Einvernahme der Parteien abgewiesen, indem es ein Aufklärungsversäumnis des Beklagten verneint hat: Es könne bereits davon ausgegangen werden, dass der Beklagte mündlich über die Möglichkeit einer Sehkraftminderung informiert habe. Überdies sei die Möglichkeit unbestritten in dem Aufklärungsbogen erwähnt, dessen Erhalt der Kläger unterschriftlich bestätigt habe. Dessen Einwand, er hätte dem von dem Beklagten behaupteten Aufklärungsgespräch nicht konzentriert folgen können, weil seine Pupillen seinerzeit zu Untersuchungszwecken erweitert gewesen seien und es daher zu Lichtblitzen gekommen sei, fehle es an Plausibilität.

Dagegen wendet sich der Kläger in Erneuerung seines Begehrens mit der Berufung. Er rügt die Beweiswürdigung des LG. Die - im Übrigen wenig glaubhaften - Bekundungen des Beklagten, aufgrund derer es eine Aufklärung bejaht habe, seien in diesem Punkt unergiebig gewesen. Dasselbe gelte für dessen Eintragungen auf dem Formblatt zur Aufklärung. Unabhängig davon habe das LG seine Kritik, für eine Aufklärung nicht aufnahmefähig gewesen zu sein, zu Unrecht abgetan. Schriftliche Informationen, über deren Inhalt das LG letztlich nur spekuliert habe, seien ihm nicht überlassen worden. Seine abweichende Angabe auf dem Formblatt zur Aufklärung beruhe auf einem Versehen. Außerdem könne eine schriftliche Unterrichtung das gebotene Aufklärungsgespräch nicht ersetzen.

Der Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Der Kläger sei aufgru...

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