Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung der Nachteilsentschädigung nach § 906 BGB - Setzungsrisse durch Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist auf die Beseitigungskosten solcher Nachteile beschränkt, denen der Beeinträchtigte nicht mit einer Abwehrklage nach § 1004 BGB begegnen konnte.

2. Zur Berechnung des Anspruchsumfangs im Einzelnen.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 906, 1004; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 09.09.2010; Aktenzeichen 4 O 384/98)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird in Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Koblenz vom 9.9.2010 in Nr. 1 des Tenors dahin ergänzend geändert, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt wird, dem Kläger im Falle einer Sanierung der Rissschäden am Grundstück G. straße 20 in W., die sich im Rahmen der in dem vorgenannten Urteil als ausgleichsfähig bezeichneten Maßnahmen hält, die gesetzliche Umsatzsteuer auf das anfallende Entgelt (Obergrenze des Entgelts: 15.000 EUR) zu ersetzen.

Die Kosten des hiesigen (zweiten) Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last. Darüber hinaus verbleibt es bei Nr. 2 des Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung vom 9.09.2010.

Abweichend von Nr. 3 des dortigen Tenors wird bestimmt:

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in entsprechender Höhe stellt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger und seine Schwester sind Eigentümer eines Laden- und Wohngebäudes, das über drei Vollgeschosse und ein nutzbares Dachgeschoss verfügt. Das Untergeschoss liegt auf Straßenniveau und ist rückwärtig in das ansteigende Gelände eingebettet; dort befindet sich auf einer Ebene mit der ersten Etage eine Terrasse. Das Haus ist etwa 90 Jahre alt. Es hatte im zweiten Weltkrieg Bombenschäden erlitten.

Von der Straße aus gesehen linksseitig befand sich eine Baulücke, in die die Beklagte 1996 ein ebenfalls dreieinhalbstöckiges, nicht unterkellertes Gebäude zu setzen begannen. In der Folge kam es zu Absenkungen auf dem Grundstück des Klägers. Dieser sieht darin die Ursache für die Bildung zahlreicher Risse in den Decken und Wänden seines Hauses. Außerdem seien Türen und Fenster schwer gängig geworden, und die Grenzmauer habe sich geneigt. Des Weiteren drohe Wasser einzudringen.

Vor diesem Hintergrund hat der Kläger, der sich die Forderungen seiner Schwester hat abtreten lassen, die Beklagten auf die Zahlung von 24.746,33 DM in Anspruch genommen und die Feststellung deren Ersatzpflicht für weiter gehende Grundstücksschäden begehrt. Nachdem das LG das Verlangen abgewiesen hatte, hat der Senat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Er hat zwar eine deliktische Verantwortlichkeit der Beklagten verneint, dem Kläger aber einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog) zugebilligt, weil sein Haus durch den Bau der Beklagten unzweifelhaft Schaden genommen habe. Ob den Beklagten alle geltend gemachten Beeinträchtigungen zurechenbar sind, ist dabei offen geblieben.

Im Hinblick darauf hat sich das LG, an das der Rechtsstreit zurückverwiesen worden ist, mit sachverständiger Hilfe um eine nach Schadensursachen differenzierende Sachaufklärung bemüht. Unterdessen hat der Kläger seine Forderungen erhöht und - unter Aufrechterhaltung seines Feststellungsantrags - zuletzt mit 89.237,66 EUR beziffert. Der Betrag umfasst die Kosten für die Beseitigung von Rissen, die sich durch die Baumaßnahme der Beklagten originär gebildet hätten oder neu aufgeklafft seien, für zugehörige Räum- und Malerarbeiten, die Erneuerung von Türen und Fenstern, Abdichtungsmaßnahmen zum Schutz vor Feuchtigkeitseintritt und eine Mauerbegradigung sowie einen langjährigen Mietausfall in einer Wohnung seines Hauses.

Das LG hat dem Kläger unter Abweisung der Klage im Übrigen 15.000 EUR zuerkannt. Das reiche aus, um die vom Bau der Beklagten herrührenden Risse in Wiederherstellung des alten Zustands zu beheben. Feuchtigkeitsschäden hätten die Beklagten nicht zu verantworten. Auch für den Mietausfall könnten sie nicht haftbar gemacht werden. Das Feststellungsbegehren hat das LG für unzulässig erachtet, da die Schadensentwicklung augenscheinlich abgeschlossen sei.

Das greift der Kläger mit der Berufung an, indem er sein erstinstanzliches Begehren - unter Korrektur des Zahlungsverlangens auf einen Gesamtbetrag von 90.133,52 EUR - erneuert. Er rügt, dass das LG die Sanierungskosten in Unterschätzung des tatsächlich erforderlichen Aufwands und gänzlicher Außerachtlassung eines Posten für Unvorhergesehenes sowie der Mehrwertsteuer zu niedrig bemessen habe. Vom Haus der Beklagten ausgehende Feuchtigkeitseinwirkungen seine ohne eine verlässliche Prüfung verneint worden. Der geltend gemachte Mietausfallschaden sei den Beklagten...

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