Entscheidungsstichwort (Thema)

Winterliche Verkehrssicherungspflicht auf Bäckereiparkplatz

 

Leitsatz (amtlich)

Öffentliche Parkplätze müssen nicht insgesamt schnee- und eisfrei gehalten werden Glättestellen sind hinzunehmen, falls sie den Weg nicht vollständig versperren und gemieden werden können. Eine geradlinige Verbindung zu den jeweiligen Zielorten muss dabei nicht gewährleistet sein. Es kann sogar hinnehmbar sein, wenige Schritte auf nicht geräumtem und nicht gestreutem Terrain zurückzulegen, ehe verkehrssichere Flächen erreicht werden.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 3, § 823

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 15 O 233/11)

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich ohne Erfolgsaussicht ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Im Einzelnen ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:

1. Der Beklagte betreibt eine Bäckerei. Dort wollte die Klägerin am 24.12.2010 einkaufen. Dazu hatte sie mit ihrem Ehemann gegen 8.15 Uhr den Kundenparkplatz angefahren. Von dort aus wollte sie sich ihrer Darstellung nach in das benachbarte Ladengeschäft des Beklagten begeben. Dabei sei sie nach etwa 5 m Fußwegstrecke bei schlechten Lichtverhältnissen auf einer im Durchmesser zumindest 3 m großen Eisfläche ausgeglitten und gestürzt. Der Beklagte habe, auch wenn der Parkplatz weithin von Schnee geräumt gewesen sei, seiner Verkehrssicherungspflicht nicht genügt. Nachfolgend war die Klägerin, die mitgeteilt hat, sich Frakturen des Schienbeins und des Wadenbeins zugezogen zu haben, die bis heute noch nicht vollständig ausgeheilt seien, für eine Woche in stationärer Behandlung und, wie sie weiter vorgetragen hat, über mehrere Monate hinweg nicht in der Lage, ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen und den Haushalt zu führen.

Nach dem Vorbringen des Beklagten, der die Schilderung der Klägerin durchweg bestritten hat, war an der behaupteten Unfallstelle hinlänglich gestreut. Die Klägerin habe untaugliches Schuhwerk gehabt und sei unvorsichtig gewesen.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin einen fünfmonatigen Verdienstausfall von insgesamt 1.950 EUR, einen Haushaltsführungsschaden von 8.840,63 EUR, nicht anderweitig erstattete Heilbehandlungskosten von 508,15 EUR, die Beschädigung einer Hose im Wert von 30 EUR, eine Kostenpauschale von 25 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von einerseits 899,40 EUR wegen der Verfolgung dieser Ansprüche und von andererseits 272,87 EUR im Zusammenhang mit der Einholung einer Deckungszusage ihres Rechtsschutzversicherers geltend gemacht. Außerdem hat sie die Feststellung der weiter gehenden Haftung des Beklagten begehrt.

Dem ist das LG nicht gefolgt. Es hat die Klage abgewiesen, weil nicht zu erkennen sei, dass man den Bäckerladen nicht ungefährdet hätte erreichen können. Der Beklagte sei nicht gehalten gewesen, den Parkplatz lückenlos von Eis zu befreien oder abzustumpfen. Unabhängig davon treffe die Klägerin ein ganz erhebliches Eigenverschulden.

Das greift die Klägerin mit der Berufung an. Sie erneuert das Klageverlangen, wobei sie den Feststellungsantrag durch den Antrag ersetzt, den Beklagten zur Zahlung eines mit mindestens 15.000 EUR zu beziffernden Schmerzensgelds zu verurteilen. Ihrer Meinung nach hat das LG die Schadensverantwortlichkeiten falsch eingestuft.

2. Damit vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Es muss bei der abweisenden Entscheidung des LG verbleiben.

a) Die erstrebte Inanspruchnahme des Beklagten ist weder gem. §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB noch auf deliktischer Grundlage möglich, weil sich eine rechtserhebliche Pflichtverletzung nicht feststellen lässt. Allerdings hat der Beklagte mit der Einrichtung des an seiner Bäckerei gelegenen Parkplatzes eine allgemein zugängliche Fläche angelegt, die benutzergerecht unterhalten werden muss. Es ist anerkannt, dass derjenige, der einen Verkehrsraum eröffnet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen hat, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (BGH VersR 1990, 498; BGH VersR 2002, 247; BGH VersR 2003, 1319; BGH VersR 2005, 279; BGH VersR 2006, 233; BGH NJW 2007, 1683). Das verpflichtet ihn zu den Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für erforderlich erachtet, um andere vor Beeinträchtigungen zu bewahren. Dabei ist aber zu sehen, dass nicht jeder denkbaren Gefahr vorbeugend begegnet zu werden braucht. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn aus sachkundiger Sicht nahe liegt, dass Rechtsgüter anderer beeinträchtigt werden (BGH VersR 2006, 233; BGH NJW 2007, 1683; BGH NJW 2010, 1967). Dem allgemeinen Sorgfaltsgebot ist daher regelmäßig durch die Einhaltung des Sicherheitsstandards genügt, den die in dem entsprechenden Bereic...

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