Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinweispflicht und nachträgliche Äußerung – rechtliches Gehör vor Beschlusszurückweisung (Berufung)

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 522 Abs. 2 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 05.08.2002; Aktenzeichen 4 O 215/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Koblenz vom 5.8.2002 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Der Senat hat mit Hinweisbeschluss vom 8.5.2003 darauf hingewiesen, dass die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg hat. Auf den Hinweisbeschluss wird Bezug genommen. Der Kläger hat der Zurückweisung der Berufung mit Schriftsatz vom 25.6.2003 widersprochen. Das Vorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

II. Die in formeller Hinsicht gegen den Erlass des Hinweisbeschlusses vom 8.5.2003 (GA 197) geäußerten Bedenken sind unbegründet. Richtig ist, dass die ergänzenden Ausführungen des Klägers mit Schriftsatz vom 14.5.2003 noch am selben Tag (Nachtbriefkasten) bei Gericht eingegangen waren und damit vorlagen, als der auf der Beratung vom 8.5.2003 beruhende Hinweisbeschluss am 16.5.2003 zur Geschäftsstelle gelangte und von dieser herausgegeben wurde. Eine verfahrensrelevante Verletzung des rechtlichen Gehörs ist jedoch damit, dass in dem Hinweisbeschluss auf die Ausführungen vom 14.5.2003 nicht mehr eingegangen wurde, i.E. nicht verbunden.

Insoweit zunächst folgende klarstellende Erläuterungen zu den Besonderheiten des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO in der Praxis des Senats:

Es entspricht st. Senatspraxis (vgl. OLG Koblenz v. 20.2.2003 – 10 U 883/02, VersR 2003, 658 = NJW 2003, 2100 = OLGReport Koblenz 2003, 210), dass Hinweisbeschlüsse nach § 522 Abs. 2 ZPO in einem senatsintern in bestimmter Weise formalisierten Verfahren ergehen. Das heißt, dass zunächst senatsintern, nachdem mit Vorliegen der Berufungserwiderung die Sache grundsätzlich „ausgeschrieben” ist (vgl. OLG Koblenz v. 20.2.2003 – 10 U 883/02, VersR 2003, 658 = NJW 2003, 2100 = OLGReport Koblenz 2003, 210), gesondert ein vorläufiger, der Geschäftsbelastung Rechnung tragender Termin zur Vorberatung nach § 522 Abs. 2 ZPO vom Vorsitzenden festgelegt wird; dieser Termin bleibt entspr. den Möglichkeiten und Erfordernissen der Bearbeitung disponibel und kann in interner Abstimmung vorgezogen oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden (Maßstab der „Unverzüglichkeit” nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Den Parteien wird im Sinne einer „Serviceleistung” zur allgemeinen Orientierung und Förderung der Verfahrenstransparenz und zugleich zur Ersparung von Rückfragen entspr. lediglich mitgeteilt, dass der Senat „voraussichtlich nicht vor” diesem Termin „darüber beraten wird, ob nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren ist”. Eine gerichtliche „Selbstbindung” hinsichtlich des tatsächlichen Beratungszeitpunkts ist mit dieser Mitteilung nicht intendiert und wird durch sie auch angesichts der unmissverständlich formulierten Unverbindlichkeit nicht bewirkt. Die Parteien müssen vielmehr unter Berücksichtigung des Gebots der „Unverzüglichkeit” nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO damit rechnen, dass grundsätzlich jederzeit – jedenfalls nach Vorliegen der Berufungserwiderung (vgl. OLG Koblenz v. 20.2.2003 – 10 U 883/02, VersR 2003, 658 = NJW 2003, 2100 = OLGReport Koblenz 2003, 210) – nach Maßgabe der Geschäftsbelastung des Senats über die Frage des § 522 Abs. 2 ZPO beraten wird und entweder der in dieser Bestimmung vorgesehene Hinweis (nach st. Senatspraxis in Beschlussform und aufgrund bereits in diesem Stadium einstimmigen Beratungsergebnisses) ergeht – oder auch nach dem Vorberatungsergebnis, insofern übrigens dann auch ohne weitere „Korrekturmöglichkeit” aufgrund weiterer Eingaben des Berufungsgegners, die Sache durch Senatsbeschluss dem Einzelrichter übertragen oder vom Vorsitzenden Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt wird. Der Senat hält einen weiteren, zusätzlichen Hinweis auf eine etwa solcherart vorgezogene Beratung grundsätzlich ebenso wenig für veranlasst wie einen solchen darauf, dass etwa die Beratung sich aus Gründen der Geschäftsbelastung über den vorgesehenen Zeitpunkt hinaus verzögern wird.

Soweit das Vorberatungsergebnis hiernach zu irreversiblen Entscheidungen führt, gebietet die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs freilich grundsätzlich unabhängig davon, dass die Parteien jederzeit mit einer entspr. Beratung und Entscheidung rechnen müssen, dass jedenfalls alle bis zur Herausgabe der Entscheidung tatsächlich noch eingehenden Parteiäußerungen auch noch Berücksichtigung finden, sei es inhaltlich, sei es wenigstens im Rahmen einer Prüfung nach §§ 530 ff. ZPO. Mögliche Konsequenzen eines Verstoßes für derartige Entscheidungen können im vorliegenden Zusammenhang dahin gestellt bleiben. Soweit die Vorberatung zu einem Hinweis nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO führt, ist zwar auch hierbei das Gericht selbstverständlich grundsätzlich verpflichtet, alle noch eingehenden Äußerungen zu berücksich...

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