Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsinteresse bei Kartellschadensersatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Subsidiarität der Feststellungsklage steht der Zulässigkeit eines Feststellungsantrags hinsichtlich kartellbedingter Schäden auch dann nicht entgegen, wenn die Schadensentwicklung abgeschlossen ist, der Kläger den (gesamten) Schaden jedoch erst nach Durchführung einer sachverständigen Begutachtung beziffern kann. Dass es dem Gericht möglich wäre, gemäß § 287 ZPO einen Mindestschaden zu schätzen, steht dem nicht entgegen (Aufgabe der Rechtsprechung OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.01.2004 - 6 U 183/03, WuW/E DE-R 1229, 1232 - Vitaminpreise).

2. Die Bindungswirkung gemäß § 33 Abs. 4 GWB in der Fassung der 7. GWB-Novelle findet auch auf Altfälle Anwendung, wenn das kartellbehördliche Verfahren bei Einführung der Norm noch nicht bestandskräftig abgeschlossen war (Festhaltung Urt. v. 31.07.2013 - 6 U 51/12 (Kart), WuW/E DE-R 3584 Rn. 47 - Feuerwehrfahrzeuge, juris). Es wird offengelassen, ob anderes gilt, wenn die Anwendbarkeit der Norm allein darauf beruht, dass das kartellbehördliche Verfahren in rechtsstaatswidriger Weise verzögert wurde.

3. Bei einem Quotenkartell spricht der erste Anschein dafür, dass es sich allgemein preissteigernd auswirkt (BGH, Beschl. v. 26.02.2013 - KRB 20/12, WuW/E DE-R 3861 Rn. 76 f. - Grauzementkartell; Senat, WuW/E DE-R 3584 Rn. 54 ff. - Feuerwehrfahrzeuge).

4. Den Feststellungen zum kartellbedingten Mehrerlös im Bußgeldverfahren kommt im Zivilprozess jedenfalls indizielle Wirkung zu.

5. Einem Gesamtschuldner ist es regelmäßig zuzumuten, sich die zur Rechtsverteidigung notwendigen Informationen von den anderen Gesamtschuldnern zu beschaffen. Ein Bestreiten mit Nichtwissen hinsichtlich solcher Vorgänge, die Handlungen anderer Kartellteilnehmer betreffen, ist deshalb gemäß § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig, wenn der in Anspruch Genommene seiner Verpflichtung zur Informationsbeschaffung nicht nachgekommen ist.

6. In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass das Kartell innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr nach seiner Beendigung noch Nachwirkungen auf das Preisniveau hat (vgl. BGHZ 190, 145 Rn. 84 - ORWI).

7. Jedenfalls bei erheblicher Marktabdeckung und längerer Dauer eines Kartells besteht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Kartell auch Auswirkungen auf die Preise von Kartellaußenseitern hat (sog. Umbrella-Effekt bzw. umbrella pricing). Für den Fall, dass die Marktverhältnisse transparent sind und eine gegenseitige Marktbeobachtung stattfindet, bedarf es einer längeren Dauer des Kartells nicht.

8. Die für die Feststellung der Schadensersatzpflicht erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Schadens ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Schaden auf die Endabnehmer abgewälzt worden sein könnte (passing-on-defence). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich aus dem Vortrag der Beklagten ergibt, dass der kartellbedingte Vermögensnachteil nur zum Großteil durch Weitergabe an die Abnehmer entfallen sein kann.

9. Die Hemmungswirkung des § 33 Abs. 5 GWB in der Fassung der 7. GWB-Novelle gilt nur für Ansprüche aus § 33 Abs. 3 GWB in der seit der 7. GWB-Novelle geltenden Fassung (LG Düsseldorf, Urt. v. 17.12.2013, WuW/E DE-R 3087 - Zementkartell II; Bornkamm in Langen/Bunte, GWB, 12. Aufl. § 33 Rn. 173; a.A. OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.01.2014 - VI-U (Kart) 7/13, Rn. 153 - juris; Urt. v. 18.02.2015 - VI-U (Kart) 3/14, Rn. 36 -CDC juris; LG Berlin BeckRS 2015, 08972).

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 30.10.2015; Aktenzeichen 7 O 34/15 Kart.)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.06.2018; Aktenzeichen KZR 56/16)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Mannheim vom 30.10.2015, Az. 7 O 34/15 Kart., im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin, die Gesamtrechtsnachfolgerin der B. GmbH & Co. KG (AG. HRA.) sowie der B. GmbH (AG. HRB., zuvor AG. HRB.) ist, den Mehrerlös nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben, den die Beklagte aufgrund von im Zeitraum vom 1.1.1993 bis zum 31.12.2002 in Bezug auf den Absatz von Grauzement getroffenen Quotenabsprachen der Beklagten mit anderen Herstellern von Zement, gemäß den Feststellungen des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 26.2.2013, KRB 20/12, sowie im Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26.6.2009, Vl-2a Kart 2-6/08 OWi, für durch sie erfolgte Lieferungen von Grauzement an die B. GmbH u. Co. KG (AG Tübingen HRA.) im Zeitraum vom 1.1.1993 bis zum 31.12.2002 erlangt hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Beklagten und der Streithelferin zu 1 sowie die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Mannheim vom 30.10.2015, Az. 7 O 34/15 Kart., werden zurückgewiesen.

III. Der Beitritt der Streitverkündeten zu 3 zu dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin wird nicht zugelassen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der Kosten der Streithelferin...

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