Entscheidungsstichwort (Thema)

Großer Schadensersatz bei einer mangelhaften Einbauküche. Bestätigung einer unwirksamen AGB-Klausel durch eine Individualvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verpflichtet sich der Unternehmer zur Lieferung und Montage einer Einbauküche, die für die Bedürfnisse des Kunden konzipiert wird, liegt ein Werkvertrag vor. Eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmers, wonach der Kunde zur vollständigen Zahlung bei der "Lieferung" (also vor der Montage) verpflichtet sein soll, verstößt gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 1 BGB, und ist unwirksam.

2. Die Verwendung einer unwirksamen AGB-Klausel stellt grundsätzlich eine vorvertragliche Pflichtverletzung des Unternehmers dar. Treffen die Parteien später eine Individualvereinbarung, in der die unwirksame AGB-Klausel teilweise bestätigt wird, kann der Unternehmer im Wege des Schadensersatzes verpflichtet sein, den Kunden von den Verpflichtungen aus der Individualvereinbarung zu befreien, wenn es zu der Individualvereinbarung ohne die vorausgegangene unwirksame AGB-Klausel nicht gekommen wäre.

3. Macht der Unternehmer eine Mängelbeseitigung zu Unrecht von einer vollständigen Zahlung des Werklohns abhängig, kann darin unter Umständen eine endgültige Leistungsverweigerung i.S.v. § 281 Abs. 2 BGB liegen.

4. Mängel einer Einbauküche können einen Anspruch auf den sog. großen Schadensersatz rechtfertigen, wenn es sich um eine größere Anzahl von Mängeln handelt, und wenn zur Beseitigung der Mängel ein vollständiger Ausbau und ein neuer Einbau der Küche erforderlich wäre.

 

Normenkette

BGB § 249 Abs. 1, §§ 280-281, 307, 311 Abs. 2 Ziff. 1, §§ 631, 633, 636, 641

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 25.03.2011; Aktenzeichen 5 O 332/10 E)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Konstanz vom 25.3.2011 - 5 O 332/10 E - wird zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des LG Konstanz vom 25.3.2011 - 5 O 332/10 E - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen - soweit das LG über die Klage entschieden hat - wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.300,- EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit 29.9.2010 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe der im Haus der Klägerin und ihres Ehemannes Herrn C. M.,..., befindlichen Einbauküche, bestehend aus den Küchenmöbeln und -geräten, welche die Klägerin und ihr Ehemann mit Vertrag vom 8.8.2009 bei der Beklagten bestellt haben, entsprechend der dem Urteil des LG beigefügten Teileliste zur Auftragsbestätigung, mit Ausnahme der nicht gelieferten Teile, welche nicht zurückzugeben sind, d.h. insbesondere

a) des Steckbords einschließlich Halterungen,

b) der Schranktüre über dem Backofen,

c) des Gewürzeinsatzes für eine 40-cm-Schublade

d) der Rückwand (Spritzschutz) der Fensterseite der Küche

e) des Einsatzes zur Fixierung des Müllereimersystems,

f) der Messerschublade,

g) eines Eckwinkels,

h) der - nicht in der Teileliste enthaltenen - Antirutschmatten für die 90-cm-Schubladen

sowie mit der Maßgabe, dass anstelle der entsprechenden Position der Teileliste ein Einlegeboden des Hängeschrankes, der im falschen Material geliefert wurde, zurückzugeben ist.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Rücknahme der in Ziff. 1 bezeichneten Küche in Annahmeverzug ist.

3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 2.000 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.9.2010.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die weiter gehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden wie folgt verteilt:

1. Die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten trägt die Beklagte.

2. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese zu 1/14 selbst und zu 13/14 trägt diese Kosten die Beklagte.

3. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten und die Gerichtskosten tragen die Beklagte zu 15/16 und die Klägerin zu 1/16.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können eine Vollstreckung der jeweiligen Vollstreckungsgläubigerin abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach diesem Urteil zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

VI. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Gegenstand des Rechtstreits sind wechselseitige Ansprüche nach Lieferung und Montage einer teilweise mangelhaften Einbauküche.

Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte (der Ehemann der Klägerin) schlossen am 8.8.2009 mit der Beklagten einen schriftlichen "Kaufvertrag" über Lieferung und Montage einer Einbauküche. Es war ein "Komplettpreis" von 23.800 EUR vereinbart. Die Küche war im Einzelnen geplant und abgestimmt worden auf den persönlichen Bedarf der Klägerin und ihres Ehemannes und auf die räumlichen Verhältnisse ihres Küchenraumes. Die Küche sollte von der Beklagten zu der in der Schweiz befindlichen...

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