Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen einer Räum- und Streupflicht im Eingangsbereich eines Mehrfamilienhauses

2. Voraussetzung für eine wirksame Delegation der Räum- und Streupflicht seitens des pflichtigen Eigentümers und Vermieters auf die Mieter eines Mehrfamilienhauses ist eine klare und eindeutige Vereinbarung, die eine Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sicherstellt. Das bloße Aufstellen und Einwerfen eines sog. "Schneeräumplans" in die Briefkästen der Mieter reicht insoweit nicht aus.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 02.01.2012; Aktenzeichen I-8 O 49/11)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Beklagten wird das am 2.1.2012 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Bochum teilweise abgeändert.

Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin ein Schmerzensgeld i.H.v. 7.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.7.2010 sowie weitere 2.652,31 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.606,22 EUR seit dem 26.7.2010 und aus weiteren 46,09 EUR seit dem 6.3.2011 zu zahlen.

Die Beklagte zu 3) wird verurteilt, als Gesamtschuldnerin neben den Beklagten zu 1) und 2) an die Klägerin 257,67 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.5.2011 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die weiter gehenden Berufungen der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen:

  • die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin diese zu 74 % und die Beklagten zu 1) und 2) zu 26 % als Gesamtschuldner,
  • die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) diese zu jeweils 40 % und die Klägerin zu 60 %,
  • die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) trägt die Klägerin.

Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen:

  • die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin diese zu 72 % und die Beklagten zu 1) und 2) zu 28 % als Gesamtschuldner,
  • die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) diese zu jeweils 41 % und die Klägerin zu 59 %,
  • die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) trägt die Klägerin.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 23.588,10 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen eines behaupteten glättebedingten Sturzes, der sich am 22.12.2009 gegen 9:40 Uhr vor dem Haus Unterstraße 37 in Bochum ereignet haben soll, in dem die Klägerin seinerzeit eine Mietwohnung bewohnte.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, mit dem das LG nach Anhörung der Klägerin und der Beklagten zu 3) und Vernehmung von Zeugen die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 10.000 EUR und materiellen Schadensersatzes i.H.v. 3.588,10 EUR nebst Zinsen verurteilt und die weiter gehende Klage abgewiesen hat.

Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung beanstanden die Beklagten zu 1) und 2), das LG habe zu Unrecht angenommen, dass am Unfalltag eine allgemeine Glätte geherrscht und die Beklagte zu 3) den Winterdienst nicht in ausreichender Weise durchgeführt habe. Die Zeugen hätten unterschiedliche Angaben zu den Witterungsverhältnissen gemacht. Die Klägerin habe zudem nur vorgetragen, der Weg sei stellenweise stark vereist und schneebedeckt gewesen. Hinreichende Feststellungen, dass die Beklagte zu 3) das Räumen und Streuen nicht gründlich genug durchgeführt habe, habe das LG nicht getroffen. Da die Beklagte zu 3) um 8.45 bzw. 8.50 Uhr tatsächlich den Winterdienst durchgeführt habe, gehe es nur noch um eine Nachstreupflicht. Diese Pflicht sei nicht verletzt worden, weil bei winterlichen Verhältnissen immer mit bestimmten Glättestellen zu rechnen sei. Ferner sei es bis zum Unfall der Klägerin nie zu Problemen mit der Ausführung des Winterdienstes gekommen. Die Hausverwaltung (IFU GmbH) habe stichprobenartige Kontrollen vorgenommen. Dabei sei festgestellt worden, dass der Winterdienst tatsächlich durchgeführt worden sei, wie auch die Zeugen Dahlhoff, Garudis und Wieczorek bestätigt hätten. Ferner habe das LG zu Unrecht den Beweisantritt auf Vernehmung des Zeugen Gutke gem. § 296a ZPO als verspätet zurückgewiesen. Außerdem sei der Klägerin ein Mitverschulden anzulasten. Die Witterungsverhältnisse seien nach ihrem Vortrag offensichtlich gewesen. Sie habe einen Schritt nach hinten gemacht, um sich umzudrehen und ihrem Ehemann zuzuwinken. Dabei habe sie nicht auf den Weg geachtet. Ihr Vortrag, sie habe zum Haus zurückkehren wollen und sei dabei ausgerutscht, sei als Schutzbehauptung zu werten. Dass sie geeignetes Schuhwerk getragen habe, sei bestritten worden. Ferner seien die vorgelegten Arztbescheinigungen zum Nachweis...

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