Leitsatz (amtlich)

Besteigt der Besucher eines Freizeitparks Anlagen, deren Nutzung erkennbar eine gewisse Risikobereitschaft voraussetzt, hat er die Folgen einer Verwirklichung des Risikos - abhängig von den Umständen des Einzelfalles - unter Umständen selbst zu tragen.

Der Betreiber der Anlagen muss jedoch für Geräte, die der Erprobung der Geschicklichkeit dienen, eine der Verkehrserwartung entsprechende Sicherheit gewährleisten, so dass die Fähigkeiten der Nutzer nicht unvorhersehbar überbeansprucht werden und es im Falle eines Verlustes des Gleichgewichts, abgesehen von atypischen Abläufen, die dem allgemeinen Lebensrisiko des Nutzers zuzurechnen sind, zu keinen gravierenden Beeinträchtigungen kommt.

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn den Besuchern Balancierscheiben zur Verfügung gestellt werden.

 

Normenkette

BGB § 253 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 02.11.2007; Aktenzeichen 11 O 9/07)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 2.11.2007 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Essen wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Unter Berücksichtigung des Weiteren Vorbringens der Parteien stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:

Die am 31.3.1961 geborene Klägerin besuchte nach Lösung einer Eintrittskarte am 29.7.2006 das von der Beklagten betriebene "Q" in F. In der Ausstellung geht es um die Aktivierung der sinnlichen Wahrnehmung. U. a. waren in den Ausstellungsräumen vier Balancierscheiben aufgestellt, die unterschiedlich große Auftrittsflächen aufwiesen und deshalb beim Betreten unterschiedlich hohe Anforderungen an den Gleichgewichtssinn stellten. Die Scheiben waren nach allen Seiten beweglich. Die Auftrittsflächen wiesen eine Höhe von ca. 15-16 cm auf. Um die Scheiben herum befand sich ein mit Filz ausgelegter Holzuntergrund. Derartige Scheiben werden seit einigen Jahrzehnten im Innen- und Außenbereich, z.B. in Schulen und Parks, zugänglich gemacht. Sie werden u.a. von einer Fa. H GmbH hergestellt (s. von dem Geschäftsführer der Beklagten im Senatstermin übergebenen Prospektauszug).

Die Klägerin trug am Unfalltag feste Schuhe der Marke Adidas. Sie betrat eine Scheibe, ohne die Hilfe ihres Ehemannes in Anspruch zu nehmen. Dabei knickte sie mit dem linken Fuß um und kam zu Fall. Sie zog sich u.a. eine offene Sprunggelenksfraktur zu (Arztberichte Bl. 7 f., 9 f.). Sie musste mehrfach operiert werden und befindet sich weiterhin in ärztlicher Behandlung.

Sie hat gemeint, die Beklagte schulde ihr unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 1/3 ein Schmerzensgeld i.H.v. 8.000 EUR. Der Beklagten sei vorzuwerfen, kein Schild zur Art und Weise und zu den Gefahren der Benutzung aufgestellt zu haben. Zur Ermöglichung eines gefahrlosen Betretens seien zudem Haltemöglichkeiten zu schaffen gewesen. Ansonsten hätte Personal Hilfestellung leisten müssen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage (15.3.2007) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, für den Unfall nicht verantwortlich zu sein. Durch die Balancierscheiben seien die Besucher nur solchen Risiken ausgesetzt, die für sie kalkulierbar und überschaubar seien. Mit der Erprobung des Gleichgewichtssinns sei typischerweise die Gefahr verbunden, das Gleichgewicht zu verlieren und zu stürzen. Die absehbaren Folgen eines Sturzes seien durch die geringe Höhe der Balancierscheiben begrenzt gewesen. Der Sturz der Klägerin sei atypisch und besonders ungünstig verlaufen.

Weitere Schutzmaßnahmen habe sie nicht zu ergreifen brauchen. Die Anbringung einer Haltevorrichtung hätte dem Sinn der Übung widersprochen und für den Fall eines Sturzes zusätzliche Risiken geschaffen.

Die Klägerin sei entweder unvorsichtig gewesen oder habe ihre Fähigkeiten überschätzt. Ggf. hätte sie sich durch ihren Ehemann helfen lassen müssen.

Jedenfalls treffe die Klägerin ein ganz überwiegendes Mitverschulden. Ein Schmerzensgeld von 8.000 EUR sei zudem übersetzt.

Das LG hat die Klägerin und den Geschäftsführer der Beklagten persönlich angehört und die Klage anschließend mit am 2.11.2007 verkündetem Urteil, wegen dessen näheren Inhaltes auf Bl. 78 ff. GA Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, ein Schmerzensgeldanspruch der Klägerin nach §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 229 StGB, § 253 Abs. 2 BGB bestehe nicht, weil die Klägerin ihre Verkehrssicherungspflichten durch die Aufstellung der Balancierscheiben und die Art ihrer Zugänglichmachung für die Besucher nicht verletzt habe. Das geringe Risiko, das naturgemäß durch die Herausforderung des Gleichgewichtssinnes bestanden habe, hätte die Klägerin von sich aus erkennen und sich darau...

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