Leitsatz (amtlich)

Die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens kann aus Gründen der Rechtsklarheit nur verlangt werden, wenn der Regelungsbereich nachbarrechtlicher Vorschriften erkennbar betroffen ist.

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 7 O 131/16)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.04.2018 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Eigentümer der benachbarten Hausgrundstücke L-Str. und 18a in G.

Die auf den Grundstücken errichteten Gebäude grenzen unmittelbar aneinander. Die zwischen den Gebäuden errichtete Mauerwand, die unstreitig als Brandschutzwand auszugestalten ist, ist allein von den Rechtsvorgängern der Klägerin errichtet worden; die Rechtsvorgänger der Beklagten hatten ihr Haus seinerzeit als sog. "Schmarotzerhaus" unter Mitbenutzung der Wände der jeweiligen Nachbarhäuser gebaut.

Die Klägerin erwarb das Grundstück L-Str. im Jahr 2014. Bei Renovierungsarbeiten im Jahr 2015 stellte sie fest, dass die zwischen den Gebäuden befindliche Wand durchbohrt ist und in die Öffnungen zwei Mittelpfetten als Teil der Dachkonstruktion des Nachbarhauses der Beklagten hineinverlegt sind. Diese Pfetten waren im Jahr 2012 im Rahmen der Renovierung des Gebäudes L-Str.a und der Bildung von Wohnungseigentum durch die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten eingebracht worden. Die Klägerin stellte zudem fest, dass eine im Jahr 2012 im Zuge der Herstellung eines Aufzugschachtes am Gebäude der Beklagten errichtete Mauer auf die zwischen beiden Häusern befindliche Gebäudewand aufgesetzt wurde und diese statisch mitbenutzt. Ob es sich bei dieser Mauer um einen Teil des Aufzugschachtes selbst handelt, wie die Klägerin behauptet, oder ob der Aufzugschacht entsprechend des von der Beklagten mit Schreiben vom 31.08.2018 überreichten Grundrisses des Kellergeschosses mit einem Versatz zu der fraglichen Gebäudewand errichtet wurde und lediglich aus Gründen einer einheitlichen Optik eine zweite Mauer auf die bestehende Gebäudewand gesetzt wurde, ist streitig.

Die Klägerin verlangt mit der vorliegenden Klage die Entfernung der Mittelpfetten aus der westlichen Mauerwand ihres Gebäudes, das fachgerechte Verschließen der entstandenen Öffnungen und die Entfernung des auf der Gebäudewand auflehnenden Aufzugschachtes. Sie hat ihr Klagebegehren auf ihre Eigentumsrechte aus §§ 1004, 823 BGB gestützt. Die Mittelpfetten und die Lasten des Aufzugschachtes störten ihr Alleineigentum an der fraglichen Wand, die ausschließlich und vollständig auf ihrem Grundstück verlaufe. Vor dem Einbau der Pfetten seitens der Rechtsvorgängerin der Beklagten sei die bestehende Brandwand ausreichend gewesen und es hätte keiner weiteren Brandschutzmaßnahmen bedurft. Aufgrund des Durchstoßens der Brandwand habe diese ihre Funktion verloren. Durch die neue Brandwand, die aufgrund der Störung zusätzlich erforderlich geworden sei, sei Wohnfläche in ihrem Gebäude verloren gegangen.

Eine rechtmäßige Baugenehmigung für das Gebäude der Beklagten liege nicht vor; vielmehr sei nicht das genehmigte Gebäude errichtet worden, sondern ein abweichendes.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass es keines Schlichtungsverfahrens bedurft habe, da ein Beseitigungsanspruch geltend gemacht werde, der allein aus der Eigentumsbeeinträchtigung resultiere und unabhängig von Vorschriften des Nachbarrechts bestehe. Es liege weder eine Nachbarwand noch eine Grenzwand vor. §§ 12, 20 NachbG NRW seien nicht anzuwenden; deren Voraussetzungen seien erkennbar nicht gegeben, da es nicht um einen Anbau gehe, sondern um einen rechtswidrigen Eingriff in das klägerische Eigentum durch Beschädigung einer bestehenden Brandschutzwand und unzulässige Lastabtragung durch den Aufzugschacht. Es sei nicht sachgerecht, Ansprüche aus § 1004 BGB, die der Abwendung von Gefahren dienten, dem Anwendungsbereich des § 53 Abs. 1 Nr. 1 lit. e) JustG NRW zu unterstellen. Vorliegend bestehe eine unmittelbare Gefahr infolge der Beeinträchtigung des Brandschutzes durch Beschädigung der Brandwand. Überdies stünden hier auch Ansprüche gem. § 823 Abs. 1 BGB im Raum, die jedenfalls nicht dem Erfordernis eines Schlichtungsverfahrens unterfielen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. die Mittelpfetten aus der westlichen Mauer des Gebäudes L-Str. zu entfernen und die dort entstandenen Öffnungen sach- und fachgerecht zu verschließen;

2. den auf der westlichen Mauer des Gebäudes L-Str. auflehnenden Aufzugschacht zu entfernen;

3. an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 745,40 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Klägerin nach den Grundsätzen des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses und des Vorliegens einer bestan...

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