Leitsatz (amtlich)

1. Die Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen gegen rechtlich selbständige, konzernmäßig verbundene Unternehmen kann i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG missbräuchlich sein, wenn gegen diese Unternehmen in getrennten Verfahren vorgegangen wird, obwohl die in Anspruch genommenen Unternehmen in einer gemeinsamen Werbeanzeige einen einheitlichen Wettbewerbsverstoß begangen haben, und dadurch die Kostenlast wird (Anschluss an BGH v. 17.11.2005 - I ZR 300/02, MDR 2006, 585 = BGHReport 2006, 383 = GRUR 2006, 243 - MEGA SALE).

2. Für nur ähnliche, nach Art, Zeit und Ort und hinsichtlich der beworbenen Produkte verschiedenartige Wettbewerbsverstöße rechtlich unabhängiger Konzernunternehmen bleibt es bei den allgemeinen prozessualen Regelungen der §§ 59, 60 ZPO.

3. Das Wissen Dritter von Wettbewerbsverstößen ist regelmäßig nur dann dringlichkeitsschädlich i.S.v. § 12 Abs. 2 UWG, wenn diese aufgrund ihrer Stellung Wissensvertreter sind oder ausdrücklich zu Wissensvertreter bestellt worden sind.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 5, 8 Abs. 1, 4, § 12 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 28.10.2005; Aktenzeichen 406 O 168/05)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 27, vom 28.10.2005 (406 O 168/05) wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Berufung.

 

Gründe

I. Die Antragsstellerin ist eine in der Schweiz ansässige Herstellerin und Grosshändlerin, die insb. im Car-Hifi-Bereich tätig ist. Sie beliefert eigenständige Händler in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in den Beneluxländern. Die Händler treten vielfach unter dem Logo "ACR" im Geschäftsverkehr auf. Das diesbezügliche Netz umfasst rund 250 Händler.

Die Antragsgegnerin gehört zur Media Markt-Gruppe und betreibt seit Oktober 2001 einen Elektronik-Fachmarkt in Buxtehude. Am 26.5.2005 wurde in Hamburg-Altona der 200. Media Markt eröffnet. Am 8.7.2005 schaltete die Antragsgegnerin eine ganzseitige Werbung in dem Anzeigenblatt "Der neue Ruf", welches auch in Hamburg erhältlich ist, und bewarb unter Hinweis auf die "200. Neueröffnung" Teile ihres Produktsortiments. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Werbung wird auf die Anlage Ast 1 verwiesen.

Die Antragsstellerin ist der Auffassung, dass in der Anzeige eine irreführende und damit wettbewerbswidrige Werbung zu sehen sei.

Sie erwirkte die einstweilige Verfügung des LG Hamburg, Zivilkammer 27, vom 22.8.2005, mit welcher der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde, in Werbebeilagen oder sonstigen Mitteilungen, die sich an einen größeren Personenkreis richten, wie aus der in Kopie mit dem Beschluss in Kopie verbundenen Anlage ersichtlich, mit dem Hinweis "200. Neueröffnung" zu werben.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin bestätigte die nunmehr zuständige Kammer 6 für Handelssachen des LG Hamburg mit Urteil vom 28.10.2005 die einstweilige Verfügung. Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird - auch zur Ergänzung des Tatbestandes - auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.

Die Antragsgegnerin wiederholt und vertieft mit der Berufung ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die erforderliche Dringlichkeit sei nicht gegeben. Die angegriffene Werbung sei in verschiedenen Medien bundesweit bereits seit Ende Mai 2005 veröffentlicht worden. Insoweit werde auf die Anlagen JS 2 bis JS 4 verwiesen. Diese Werbung sei der Antragsstellerin auch bekannt gewesen. Sie müsse sich die Kenntnis der ihr angeschlossenen Händler zurechnen lassen. Die mit den Anlagen JS 2-JS 4 vorgelegten Werbeauftritte würden von der streitgegenständlichen Werbung nicht abweichen. Das LG habe ignoriert, dass die Antragsstellerin in einem als vertraulich bezeichneten Schreiben vom 14.9.2005 (Anlage JS 14) an die ACR-Händler ausgeführt habe: "Seit Monaten warb Media-Markt in ganz Deutschland mit der Aussage "200. Neueröffnung".

Der Verkehr werde durch die beanstandete Werbung nicht getäuscht. Relevante Teile des Verkehrs müssten zumindest 25 % der angesprochenen Verbraucher umfassen. Sie, die Antragsgegnerin, werbe in der Zeitschrift "Der neue Ruf" seit Jahren. Daher würden die Leser dieser Zeitschrift sie, die seit Jahren existiere, auch kennen und wüssten, dass es sich bei ihr nicht um die 200. Neueröffnung eines Media Marktes handele. Sie besitze einen hohen Bekanntheitsgrad (vgl. Anlage JS 5).

Es fehle an substantiiertem und glaubhaft gemachtem Vortrag der Antragsstellerin dazu, dass die - unterstellte - Irreführung wettbewerblich relevant sei, d.h. die Werbung geeignet sei, die wirtschaftliche Entschließung des Publikums zu beeinflussen. Der Hinweis der Antragsstellerin, dass bei ihr, der Antragsgegnerin, nur ein "business as usual" stattgefunden habe, sei im Hinblick auf die mit "Der beste Preis der Stadt" beworbenen Produkte nicht substantiiert. Das LG habe die Darlegungs- und Beweislast bei den anspruchsbegründenden Tatsachen verkannt.

Die Antragsgegnerin äußert mit der Berufungsbegründung erstmals die Auffassung...

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