Entscheidungsstichwort (Thema)

Ende des Staatsnotstandes der Republik Argentinien; Rückzahlung von Staatsanleihen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Republik Argentinien kann die Rückzahlung von Staatsanleihen gegenüber Privatgläubigern nicht mehr mit der Berufung auf Staatsnotstand verweigern.

 

Normenkette

IWF-Übereinkommen Art. VIII

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-21 O 264/03)

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten im Urkundsprozess Zahlung des Anleihebetrags nebst Zinsen aus Inhaberschuldverschreibungen mit einem Nennwert von insgesamt 25.564,59 EUR (= 50.000 DM).

Die Beklagte begab im Februar 1996 10,25 % DM - Inhaberschuldverschreibungen zum Nennbetrag von je 10.000 DM mit der Wertpapierkennnummer (WKN)... In den diesen Anleihen zugrunde liegenden Anleihebedingungen (ALB) verpflichtete sich die Beklagte, an den Inhaber der Urkunde am 6.2. eines jeden Jahres die Zinsen und am 6.2.2003 den Nennwert zu zahlen. Den Inhabern wurde ein Kündigungsrecht bei Ausfall der zwischenzeitlich zugesagten Zinszahlungen eingeräumt. Des Weiteren verzichtete die Beklagte auf den Einwand der Immunität. Die Anleihe unterliegt deutschem Recht, Gerichtsstand ist Frankfurt/M. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Anleihebedingungen (Blatt 15 d.A.) verwiesen.

Die Beklagte ist seit einigen Jahren mit erheblichen volkswirtschaftlichen Problemen konfrontiert, die sie am 6.1.2002 dazu veranlasst haben, mit Gesetz Nr. 25.561 den nationalen Notstand "auf sozialem, wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischen Gebiet" auszurufen. Mit Verweis auf die Verordnung Nr. 256/2002 vom 6.2.2002 und das Notstandsgesetz setzte die Beklagte durch Resolution 73/2002 ihren Schuldendienst für sämtliche in Schuldverschreibungen verbrieften Auslandsverbindlichkeiten aus, um Verhandlungen über eine Umschuldung zu erreichen (nachfolgend: Moratorium).

Der Kläger hat behauptet, er sei Inhaber von 5 Stück der o.g. Schuldverschreibung über je 10.000 DM mit den Nummern ..., ..., ..., ... und ... sowie der zugehörigen Zinscoupons (Ablichtungen Blatt 7-14 d.A.). Bis heute hat die Beklagte unstreitig keine Zahlungen auf die streitgegenständlichen Anleihe- bzw. Zinsforderungen erbracht.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Klage sei im Hinblick auf die Bestimmungen des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds (IWF) unzulässig. Im Übrigen hat sie sich auf Staatsnotstand sowie privaten Notstand berufen, weil sie zahlungsunfähig sei. Der Staatsnotstand sei im Völkergewohnheitsrecht anerkannt und durch Art. 25 des Regelungsentwurfs zur Staatenverantwortlichkeit der sog. International Law Commission, einer von den Vereinten Nationen eingesetzten Expertengruppe, in seinen Voraussetzungen und Wirkungen konkretisiert. Er gelte über Art. 25 Abs. 2 des Grundgesetzes auch unmittelbar gegenüber Privatgläubigern.

Die Beklagte hat den Staatsnotstand und die Aussetzung ihres Schuldendienstes damit begründet, dass sie sich in einer schweren Wirtschaftskrise mit einer alle Wirtschaftszweige berührenden Depression befinde (reales Wirtschaftswachstum: - 11 %). Daneben wurden die erheblichen sozialen Unruhen und der Staatsbankrott zitiert. Als Eckdatum hat die Beklagte u.a. ihre Verschuldung genannt, die zum 31.3.2002 bei erdrückenden 139 % des Bruttosozialprodukts liege. Verschärft werde diese Situation, weil die Beklagte eine erhebliche "Kapitalflucht" gewärtigen müsse und zu den internationalen Kapitalmärkten keinen Zugang mehr habe. Ihre Devisenreserven stünden für einen Schuldendienst nicht zur Verfügung, da sie zur Stabilisierung des Wirtschafts- und Finanzsystems unerlässlich seien und durch laufende Kredite des Internationalen Wahrungsfonds und der Weltbank ständig ergänzt werden müssten, um die Erfüllung grundlegender Staatsaufgaben zu ermöglichen. Erst wenn ein wirtschaftliches Programm und ein finanzielles Hilfspaket mit dem Internationalen Währungsfonds vereinbart seien und sich die wirtschaftliche und soziale Lage im Land stabilisiert habe, könnten die Kapitalmarktverbindlichkeiten der Beklagten umstrukturiert werden. Die Vollstreckung einzelner Privatgläubiger könne eine Sogwirkung auf den internationalen Kapitalmärkten auslösen, die einen Erfolg der Umschuldung und der wirtschaftlichen Konsolidierung gefährde. Der Zahlungsaufschub und die geplanten Umschuldungsverhandlungen seien deshalb ihre einzig möglichen Maßnahmen, um eine schwerwiegende Gefährdung der essentiellen Staatsinteressen abzuwenden. Die Zahlungsansprüche der Privatgläubiger müssten deshalb während des Staatsnotstands ausgesetzt bleiben.

Das Notstandsgesetz der Beklagten bzw. ihr Moratorium müsse von den deutschen Gerichten im Übrigen nach den Regeln des Internationalen Privatrechts als autonome Devisenvorschrift bzw. als Eingriffsnorm beachtet werden, was einer Verurteilung entgegen stehe. Hilfsweise hat sich die Beklagte auf die Einrede nach § 797 BGB berufen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Klageerwiderung vom 8...

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