Leitsatz (amtlich)

1. Das Gericht ist bei der Überprüfung des Umtauschverhältnisses nach § 15 UmwG auf seine Angemessenheit nicht an das von den Verschmelzungspartnern vertraglich vereinbarte Ertragswertverfahren gebunden.

2. Die marktorientierte Methode anhand der Börsenkurse kann bei Gesellschaften, deren Aktien in einem gesetzlich regulierten Börsensegment notiert sind, eine geeignete und vertretbare Schätzmethode zur Ermittlung des Wertes eines Unternehmens sein.

3. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Schätzung des Wertes eines Unternehmens anhand des Börsenwertes einer Ermittlung des Ertragswertes überlegen. Eine derartige Vorzugswürdigkeit der marktorientierten Methode kommt insbesondere bei Gesellschaften in Betracht, deren Aktien in einen bedeutenden Aktienindex aufgenommen sind und in einem hoch liquiden Markt gehandelt werden.

 

Normenkette

UmwG § 15; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 13.03.2009)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 26.04.2011; Aktenzeichen 1 BvR 2658/10)

 

Tenor

Die sofortigen Beschwerden und Anschlussbeschwerden der Antragsteller sowie die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13.3.2009 werden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Vergütung des gemeinsamen Vertreters hat die Antragsgegnerin zu tragen. Ferner hat die Antragsgegnerin den nicht beschwerde- oder anschlussbeschwerdeführenden Antragstellern deren außergerichtliche Kosten zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Antragsteller waren Aktionäre der T-Online International AG (im Folgenden T-Online AG), einer ehemaligen Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin. Bei der T-Online AG handelte es sich um den größten Internet Service Provider in Deutschland und einer der bedeutendsten Anbieter von Internetleistungen in Europa. Sie bildete vor ihrem Börsengang - und später nach der Verschmelzung auf die Antragsgegnerin erneut - einen von damals insgesamt vier operativen Bereichen der Antragsgegnerin. Neben der Internetsparte T-Online wies die Antragsgegnerin weiterhin die Divisionen T-Com, T-Mobile und T-Systems auf und stellte dergestalt damals wie auch heute noch eines der weltweit führenden Unternehmen in der Telekommunikationsbranche dar.

Im April 2000 wurde von der Antragsgegnerin unter der Wertpapierkennnummer... der Börsengang der T-Online AG vollzogen. Der Emissionskurs lag bei 27 EUR pro Stückaktie, sank allerdings in der Folgezeit bis zum Herbst 2004 auf unter 9 EUR. Gleichzeitig machte die Gesellschaft in den ersten Jahren nach dem Börsengang deutliche Verluste. Erst im Jahr 2004 konnte das Unternehmen konzernweit einen Überschuss von ca. 300 Mio. EUR bei einem Gesamtumsatz von etwa 2 Mrd. EUR erwirtschaften.

Entsprechend bewegte sich ab dem Jahr 2004 der Kurs der an einer Vielzahl von Börsen gehandelten Aktie der T-Online AG, die im Tec Dax gelistet war, bei einem durchschnittlichen Tagesumsatz von weit über 1 Mio. Aktien auf einem verhältnismäßig schwankungsarmen Niveau von im Wesentlichen unter 10 EUR.

Demgegenüber lag der unter der Wertpapierkennnummer... gelistete Kurs der damals unter anderem im amtlichen Markt gehandelten Aktien der Antragsgegnerin, die ihrerseits im DAX 30 und im Dow Jones Euro Stoxx 50 gelistet war und weiterhin ist, zwischen 12 EUR und 17 EUR in dem Zeitraum Anfang des Jahres 2004 bis zum 29.4.2005. Auch hiernach überschritt der Kurs der Antragsgegnerin regelmäßig nicht einen Wert von 17 EUR; desgleichen blieb der Kurs der T-Online AG unter 10 EUR.

Im Übrigen wird bezüglich der Kursentwicklungen der T-Online AG sowie der Antragsgegnerin auf die ergänzenden und unbestritten gebliebenen Angaben der Antragsgegnerin hierzu Bezug genommen (Bl. 3459 ff. d.A.).

Am 9.10.2004 teilte die Antragsgegnerin in einer Ad-hoc Mitteilung erstmals mit, dass beabsichtigt sei, die T-Online AG nach ihrem Börsengang erneut mit der Antragsgegnerin im Wege der Verschmelzung der Tochter- auf die Muttergesellschaft rechtlich zusammenzuführen. Zugleich wurde bekannt gemacht, dass man nach einem vorläufigen Ertragswertgutachten von einem unter der Marktpreisrelation liegenden Umtauschverhältnis ausgehe. Zudem unterbreitete die Antragsgegnerin am gleichen Tag den außenstehenden Aktionären der T-Online AG ein freiwilliges öffentliches Kaufangebot zum Preis von 8,99 EUR je Aktie. Dies entsprach dem Kurs vor der Bekanntgabe der beabsichtigten Verschmelzung und führte in der Folge zunächst zu einem Anstieg des Kurses auf etwa 10 EUR. Im Zuge des Kaufangebotes, dessen Angebotsfrist am 4.2.2005 endete, konnte die Antragsgegnerin ihren Anteil an der T-Online AG von ursprünglich 79,93 % im Oktober 2004 auf 90,14 % im Frühjahr 2005 erhöhen.

In der Folge unterzeichneten die beteiligten Unternehmen am 8.11.2004 eine Grundsatzvereinbarung, in der man sich auf die Eckpunkt...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge