Verfahrensgang

LG Wuppertal (Aktenzeichen 3 O 73/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 03.04.2019, Az. 3 O 73/19, abgeändert.

Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines vom Gerichts für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, verboten,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der an den Letztverbraucher gerichteten Werbung im Internet für den Absatz von Fertigpackungen mit Nahrungsergänzungsmitteln unter Angabe von Preisen zu werben, ohne in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis auch den Grundpreis anzugeben, wenn dies geschieht, wie aus der Anlage ASt 1 ersichtlich.

II. Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a, 542 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung ist begründet.

1) Die Berufung ist zulässig. Der Antrag des Verfügungsklägers steht in Einklang mit dem Bestimmtheitsgebot gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die von der Verfügungsbeklagten vorgebrachten (vermeintlichen) erheblichen Zweifel an der Wirksamkeit des § 2 PAngV ändern daran nichts. Selbst wenn diese Vorschrift über die Richtlinie 98/6/EG hinausginge, ist nicht ersichtlich, inwieweit dies zur Unbestimmtheit des gestellten Antrages führen soll. Der Gegenstand und die Handlungen, die untersagt werden sollen, sind dem vom Verfügungskläger gestellten Antrag zu entnehmen.

2) Der Verfügungskläger ist antrags- bzw. prozessführungsbefugt. Der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs steht § 8 Abs. 4 UWG nicht entgegen. Ein vorprozessual rechtsmissbräuchliches und damit unzulässiges Handeln des Verfügungsklägers kann nicht festgestellt werden.

a) Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung wegen einer unzulässigen geschäftlichen Handlung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist. Davon ist auszugehen, wenn das beherrschende - nicht notwendigerweise alleinige - Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung der Ansprüche sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind (BGH GRUR 2019, 199 - Abmahnaktion II; BGH GRUR 2015, 694 - Bezugsquellen für Bachblüten, jeweils m. w. Nachw.).

Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine eingehende Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Hierzu zählen die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes, das Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß und vor allem das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung dieses und anderer Verstöße (BGH GRUR 2015, 694 - Bezugsquellen für Bachblüten; BGH WRP 2012, 930 - Bauheizgerät; BGH GRUR 2006, 243 - MEGA SALE).

Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich beispielsweise aus der vorgerichtlichen Abmahntätigkeit des Anspruchstellers ergeben. Erweist sich diese als rechtsmissbräuchlich, so sind nachfolgende gerichtliche Anträge auf Beseitigung und Unterlassung unzulässig (BGH GRUR 2019, 199 - Abmahnaktion II; BGH GRUR 2016, 961 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon). Steht bspw. die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Anspruchsstellers oder bezweckt er die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten oder verlangt er systematisch überhöhte Abmahngebühren sind dies Indizien, die für überwiegend sachfremde Ziele sprechen. Gleiches gilt, wenn der Abmahnende aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann, sondern seine Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbebetreibenden allein dem sachfremden Interesse der Belastung seiner Mitbewerber mit möglichst hohen Kosten dient (BGH GRUR 2019, 199 - Abmahnaktion II; BGH GRUR 2016, 961 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon; BGH GRUR 2015, 694 - Bezugsquellen für Bachblüten; BGH WRP 2012, 464 - Falsche Suchrubrik; BGH GRUR 2001, 260 - Vielfachabmahner, jeweils m. w. Nachw.). Für sich genommen nicht ausreichend ist allerdings eine umfangreiche Abmahntätigkeit bzw. die Vielzahl von Abmahnungen gegen Wettbewerber wegen gleichartiger Verhaltensweise. Hier müssen weitere Umstände hinzutreten, die den Schluss zu lassen, es gehe dem Abmahnenden vorwiegend um ein unredliches Gebührenerzielungsinteresse (OLG Köln GRUR-RR 2016, 284 - Datensammelnder Steuerberater; OLG Hamburg Urt. v. 11.8.2016 - 3 U 56/15, BeckRS 2016, 113191; OLG Hamm, GRUR-RR 2011, 473 - Erkauftes Lob; OLG München GRUR-RR 2007, 55 - Media-Markt).

Als Indiz für einen Rechtsmissbrauch ka...

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