Entscheidungsstichwort (Thema)

Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bauherrn in das Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Nachunternehmer; keine Anwendung des § 362 HGB auf Werkverträge; Voraussetzungen der Entbehrlichkeit des Zugangs der Annahmeerklärung nach § 151 BGB; Schweigen regelmäßig keine konkludente Annahmeerklärung; Schweigen auf kaufmännisches Bestätigungsschreiben; unbeachtlicher Motivirrtum bei einseitigem Kalkulationsirrtum des Anbieters; Haftung des Auftraggebers für Verschulden bei Vertragsschluss bzw. unzulässige Rechtsausübung bei einseitigem Kalkulationsirrtum des Anbieters

 

Leitsatz (amtlich)

  • Verweist der Auftraggeber bei der Beauftragung des Nachunternehmers auf seitens des Bauherrn (Hauptauftraggeber) gestellte und für das Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem Hauptauftraggeber gültige allgemeine Geschäftsbedingungen und fügt er diese dem eigenen, an den Nachunternehmer gerichteten Auftragsschreiben mit der Erklärung bei, diese seien Grundlage der Beauftragung, so werden diese wirksam in das Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Nachunternehmer einbezogen, wenn der Nachunternehmer ein sich hierauf beziehendes Beauftragungsschreiben unterzeichnet.
  • § 362 HGB gilt nur für den Kaufmann, dessen Gewerbe die Besorgung von Geschäften für andere (Geschäftsbesorgungsvertrag) umfasst, nicht jedoch für ein Angebot auf Abschluss eines Werkvertrages.
  • Für die Entbehrlichkeit des Zugangs der Annahmeerklärung gemäß § 151 Satz 1 BGB muss diese entweder nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten sein oder der Antragende auf sie verzichtet haben. Auch eine solche Annahmeerklärung kann nur dann (ohne ihren Zugang) zum Vertragsschluss führen, wenn nicht bereits zuvor der Antrag auf Abschluss des Vertragsschlusses unwirksam geworden ist.
  • Dem Schweigen auf rechtsgeschäftliche Erklärungen eines Dritten kann regelmäßig keine rechtliche Bedeutung mit der Konsequenz der Geltung des Inhalts dieser Erklärungen beigemessen werden. Etwas anderes gilt für das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben.
  • Ein einseitiger Kalkulationsirrtum des Auftragnehmers im Vorfeld der Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung stellt einen nicht zur Anfechtung berechtigenden Motivirrtum dar.
  • Wenn der Empfänger ein Vertragsangebot annimmt oder auf der Durchführung des Vertrages besteht, obwohl er wusste (oder sich treuwidrig der Kenntnisnahme entzog), dass das Angebot auf einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden beruht, kann hierin - unter strengen Voraussetzungen - eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) liegen (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 07.07.1998, X ZR 17/97, NJW 1998, 3192ff und Urteil vom 11.11.2014, X ZR 32/14, NZBau 2015, 248). Erforderlich ist die Unzumutbarkeit der Vertragsdurchführung bei Festhalten an den fehlerhaft berechneten Angebotspreisen und die Kenntnis hiervon bei dem Auftraggeber; für letzteres reicht die Kenntnis der fehlenden Auskömmlichkeit der angebotenen Preise nicht aus.
 

Normenkette

BGB §§ 119, 151, 147, 242; HGB § 362

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Urteil vom 13.04.2015; Aktenzeichen 13 O 55/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.04.2015 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer - Einzelrichterin - des LG Duisburg wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils dahingehend ergänzt wird, dass der Beklagten die Kosten der Beweisaufnahme entsprechend dem Beweisbeschluss vom 05.09.2013 auferlegt werden. Im Übrigen bleibt es bei der Kostenentscheidung des LG.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 81 % und der Beklagten zu 19 % auferlegt.

Das Urteil und das landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, soweit nicht zuvor die vollstreckende Partei Sicherheit in selber Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A) Die Klägerin, ein in Liquidation befindliches Bauunternehmen, begehrt von der Beklagten Werklohn für Pflaster- und Bordsteinarbeiten im Zusammenhang mit dem Neubau des Berufskollegs D.-M.. Die Beklagte selbst wurde von der G.. O.. GmbH am 21.04.2011 mit der Erstellung der Außenanlagen für dieses Bauvorhaben beauftragt. Vertragsgrundlage dieses Auftrages war das Vergabeprotokoll vom 1.4.2011 mit allen dort genannten Anlagen, sowie die VOB/B in der Fassung 2009.

Unter dem 4.7.2011 unterbreitete die Klägerin der Beklagten ein Angebot durch Eintragung der Preise zu den einzelnen Leistungspositionen in das Leistungsverzeichnis und der Nennung weiterer Preise. Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Schreiben vom 5.7.2011, wobei es in dem Schreiben unter anderem heißt:

"Grundlage unserer Beauftragung ist die Leistungsbeschreibung unseres Auftraggebers, der G. GmbH, Ihr Angebot vom 4.7.2011 siehe Anlage. Grundlage ist weiter die Anerkennung der Vertragsbedingungen der G. GmbH ge...

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