Leitsatz (amtlich)
1. Zur anteiligen Zahlung einer zur Beseitigung kurzfristiger Liquiditätsschwierigkeiten beschlossenen Sonderumlage ist auch ein Wohnungseigentümer verpflichtet, der sein Wohnungseigentum zwar vor der Beschlussfassung, aber erst nach Entstehen der zu deckenden Forderungen erworben hat.
2. Die Bestimmung der anteilmäßigen Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers muss sich grundsätzlich an dem sich aus der Gemeinschaftsordnung oder dem Gesetz ergebenden Verteilungsmaßstab orientieren.
Normenkette
WEG § 21 Abs. 3, § 16 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Kleve (Aktenzeichen 4 T 48/01) |
AG Rheinberg (Aktenzeichen 23 II 30/00 WEG) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung und der Beschluss des Amtsgerichts vom 23. Januar 2001 werden abgeändert.
Der Beschluss der Wohnungseigentümer zu TOP 4 in der Versammlung vom 16. August 2000 wird für ungültig erklärt.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten zu 2.
Eine Erstattung aussergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Wert des Beschwerdegegenstandes: bis 18.000,00 DM.
Gründe
Der Beteiligte zu 1. ist seit dem 21.01.2000 Mitglied der o. a. Wohnungseigentümergemeinschaft. Er hat sein Wohnungseigentum mit notariellem Kaufvertrag vom 01.12.1999 erworben. In dem Vertrag unterwarf er sich allen Regelungen der Teilungserklärung. Diese bestimmt in § 6 u. a.,
„im Falle der Veräusserung haftet der Erwerber neben dem Veräusserer als Gesamtschuldner für etwaige Rückstände gegenüber der Gemeinschaft.”
Die 16 Einheiten der Anlage gehören sieben Wohnungseigentümern, die sämtlich nicht in der Anlage wohnen und die unter ihren Anschriften zum Teil nicht erreichbar sind. Die Wohnungen und Ladenlokale sind teils vermietet, ein Teil von ihnen steht leer. Zeitweilig standen alle Einheiten unter Zwangsverwaltung. Nachdem das Amtsgericht im Mai 2000 zunächst H. W. und am 19.07.2000 den jetzigen Verwalter als Notverwalter eingesetzt hatte, wurde letzterer von der Versammlung der Wohnungseigentümer am 16. August 2000 zum Verwalter bestellt. Beide Verwalter stellten fest, dass die Wohnanlage und insbesondere die wirtschaftliche Verfassung der Eigentümergemeinschaft in einem sehr schlechten Zustand waren. Nachdem der Verwalter W. bereits Verbindlichkeiten der Gemeinschaft in Höhe von rund 77.000,00 DM sowie ausstehende Hausgelder in einer Größenordnung von rund 39.000,00 DM festgestellt hatte, ermittelte der jetzige Verwalter einen Finanzbedarf der Gemeinschaft bis Ende 2000 in Höhe von rund 160.000,00 DM (vgl. Blatt 13/14 d. A.).
Angesichts dieses Umstandes beschlossen die Wohnungseigentümer in der Versammlung vom 16.08.2000 zu TOP 4 eine Sonderumlage in Höhe der Aufstellung des Verwalters zu erheben, die in zwei Raten zum 31.08. und 31.10.2000 gezahlt werden sollte.
Der Beteiligte zu 1. hat beim Amtsgericht beantragt, diesen Beschluss der Wohnungseigentümer für ungültig zu erklären. Er hat die Auffassung vertreten, der Beschluss verstosse gegen die Grundsätze ordnungsgemässer Verwaltung und sei rechtsmissbräuchlich, weil er damit zur Zahlung von Verbindlichkeiten verpflichtet werden solle, die in der Zeit vor seinem Eigentumserwerb bereits entstanden waren. Ausserdem bestehe für einen Teil der vom Verwalter in Ansatz gebrachten Kosten kein Bedarf.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen.
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. hatte beim Landgericht keinen Erfolg.
Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1. sein Begehren weiter.
Die übrigen Wohnungseigentümer sind dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die gemäss § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet, denn die Entscheidung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Beteiligte zu 1. hafte als rechtsgeschäftlicher Erwerber von Wohnungseigentum bei Erhebung einer Sonderumlage im Innenverhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern auch für nicht erfüllte Aussenverbindlichkeiten, die vor seinem Eigentumserwerb bereits entstanden sind, wenn er jedenfalls im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Sonderumlage bereits Eigentümer ist. Die beschlossene Sonderumlage sei daher weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.
2. Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nicht stand, denn der Beschluss der Wohnungseigentümer zu TOP 4 steht mit den Grundsätzen ordnungsgemässer Verwaltung nicht im Einklang (§ 21 Abs. 3 WEG).
a. Eine Sonderumlage kann allerdings von den Wohnungseigentümern im Lauf eines Wirtschaftsjahres grundsätzlich beschlossen werden, wenn die Ansätze des Wirtschaftsplanes unrichtig waren oder durch neue Tatsachen überholt sind. Die Erhebung einer Sonderumlage widerspricht deshalb ordnungsgemässer Verwaltungnicht, wenn Nachforderungen aus Jahresabrechnungen vorübergehend oder dauernd uneinbringlich sind und dadurch Einnahmeausfälle entstehen, die zur Deckung beschlossene...