Leitsatz (amtlich)

Auslegungsgrundsätze bei Vereinbarung einer Lohngleitklausel mit Bezug zu unterschiedlichen Tarifgebieten (Revision nicht angenommen)

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 5 O 4669/00)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Dresden v. 19.6.2001 – 5-O-4669/00, aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

„Die Klage wird abgewiesen.”

II. Die Kosten beider Rechtszüge hat die Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch schriftliche und unwiderrufliche Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Restwerklohn in Anspruch und begehrt die Feststellung, dass der Beklagten Ansprüche auf Rückzahlung bereits gezahlten Werklohns nicht zustehen.

Mit Schreiben des Autobahnamtes Sachsen vom 3.3.1993 erhielt die Klägerin den Zuschlag für den Umbau der Talbrücke bei Wilkau-Haßlau mit einem Auftragsvolumen von rund 60 Mio. DM (Anl. K 2). Vertragsbestandteil wurden auch die „Besonderen Vertragsbedingungen” (Anl. K 3), deren Ziff. 7.6 die Vereinbarung einer Lohngleitung enthält. In der dazugehörenden Fußnote wird auf die „Regelung im Formblatt ‚StB-Lohngleitklausel’” verwiesen. Dieses vom Bundesminister für Verkehr herausgegebene Formblatt (Anl. K 5) ist mit den Angaben „Lohngleitklausel für Bauverträge im Straßen- und Brückenbau, Ausgabe 1988” überschrieben und bestimmt in Absatz 2 S. 2 Folgendes: „Maßgebender Lohn ist der Gesamtstundenlohn (Tarifstundenlohn und Bauzuschlag) des Spezialbaufacharbeiters gem. Berufsgruppe III 2, wenn der Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung nichts anderes angegeben hat.” In Ziff. 0.4.1 des Leistungsverzeichnisses (Anl. K 4) ist nach S. 2 („Als maßgebender Lohn wird abweichend von Absatz (2) Unterabsatz 2 der Lohngleitklausel vereinbart:”) lediglich ein Strich eingetragen.

Die Klägerin erbrachte die geschuldete Werkleistung. In ihrer Schlussrechnung rechnete sie unter Zugrundelegung der Lohnsteigerungen im Tarifgebiet „Ost” einen Betrag für Lohngleitung i.H.v. 7.097.937,25 DM brutto ab. Die Beklagte ging im Rahmen der Rechnungsprüfung dagegen von der Tarifentwicklung „West” aus und errechnete einen Lohngleitbetrag i.H.v. nur 3.147.416,15 DM brutto. Unter Berücksichtigung bereits geleisteter Abschläge ergab sich daraus eine Überzahlung i.H.v. 871.127,25 DM. Darüber hinaus führte eine fiktive Berechnung der Beklagten auf der Grundlage der Tarifentwicklung „Ost” zu einer Lohngleitung i.H.v. nur 7.025.056,40 DM, woraufhin die Klägerin ihre Klageforderung ausgehend von dieser Summe reduzierte.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die vertraglich vereinbarte Lohngleitung auf der Basis der Tarifentwicklung „Ost” zu berechnen sei. Zwar sehe der Tarifvertrag „Ost” keine Berufsgruppe „III 2”, sondern nur eine Berufsgruppe „III” vor, doch sei dies unerheblich, weil auch die im Tarifvertrag „West” enthaltene Untergliederung in Berufsgruppen „III 1”, „III 2” und „III 3” nicht zu unterschiedlichen Tariflöhnen führe.

Außerdem sei für die Beklagte anhand der von ihr, der Klägerin, vorgelegten Mittellohnberechnung erkennbar gewesen, dass die Kalkulation auf der Grundlage des Tarifs „Ost” erfolgt sei.

Jedenfalls sei die vertraglich vereinbarte Lohngleitklausel unklar, so dass gem. § 5 AGBG die Beklagte als Verwenderin die für sie ungünstigere Auslegung gegen sich gelten lassen müsse.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.978.008,13 DM nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank seit 19.8.1998 zu zahlen und

2. festzustellen, dass der Beklagten aus dem Bauvorhaben „Umbau der Talbrücke Wilkau-Haßlau (BW 54)” ein Rückzahlungsanspruch gegen sie i.H.v. brutto 871.127,25 DM nicht zusteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Lohngleitung nur auf der Grundlage der Tarifentwicklung „West” berechnet werden könne. Denn nur im Tarifvertrag „West” gebe es eine Berufsgruppe „III 2”. Zudem sei die Lohngleitklausel „Stand 1988” vereinbart worden, woraus – mangels Tarifvertrags „Ost” zu diesem Zeitpunkt – zwingend folge, dass der Tarif „West” in Bezug genommen worden sei. Die andere Ansicht führe im Ergebnis zu einer vergaberechtswidrigen Intransparenz der Gebote und einer unzulässigen Doppelbegünstigung der Klägerin, weil diese dann auf der Grundlage einer Kalkulation mit Osttarifen niedrige Gebote habe abgeben können, später aber einen Ausgleich über eine besonders hohe Lohngleitung erreiche.

Das LG hat der Klage – mit Ausnahme eines Teils der beantragten Zinsen – stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten hinsichtlich der Lohngleitklausel unklar seien und diese Unklarheit ...

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