Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich kann eine außerordentliche Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB nur auf vom Kündigungsgegner verschuldete Umstände gestützt werden. Steht aber fest, dass das Verhältnis der Parteien nachhaltig zerrüttet ist, ohne dass die Ursache der Zerrüttung vollständig aufgeklärt werden kann, ist jede Partei zur fristlosen Kündigung berechtigt.

Ist die außerordentliche Kündigung - wie gegebenenfalls bei der Zerrüttung - durch einen kündigungsrelevanten Dauerzustand gerechtfertigt, beginnt die Kündigungsfrist aus § 314 Abs. 3 BGB grundsätzlich dann, wenn der Kündigende Kenntnis vom Kündigungsgrund, also vom kündigungsrelevanten Dauerzustand, erhält. Dies bedeutet aber nicht, dass im Falle eines kündigungsrelevanten Dauerzustandes nicht auch nach längerem Zeitablauf noch außerordentliche und fristlos gekündigt werden könnte. Vielmehr kann unter veränderten Umständen ein neuer Kündigungstatbestand entstehen, der eine neue Kündigungsfrist zu laufen beginnen lässt, wenn der andauernde Pflichtverstoß nicht ausgeräumt ist.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 04 O 1936/19)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 23.10.2020 (Az. 4 O 1936/19) abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von dem Beklagten Räumung und Herausgabe von Gewerbeflächen im Erdgeschoss des Objektes L... xx, L....

Unter dem 15.02.2016 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über Räumlichkeiten im vorgenannten Objekt (Anlage K 2). Das Mietverhältnis begann am 15.02.2016 und "begründet sich auf die Mietdauer von zehn Jahren". Während der Mietdauer sollten eine ordentliche sowie eine außerordentliche Kündigung ausgeschlossen sein. Die monatliche Kaltmiete wurde mit 350,00 EUR vereinbart.

Unter dem 13.04.2016 schlossen die Parteien einen notariellen Kaufvertrag (Anlage K 3), mit dem der Beklagte an den Kläger einen 1/2 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Grundbuch von L..., Blatt 0000-0 (postalische Anschrift: L... xx, xxxxx L...) veräußerte; als Kaufpreis wurden 115.000,00 EUR vereinbart. Ziffer V Nr. 4.1 des Vertrags sieht vor:

"Es benutzen jeweils allein und ausschließlich

a) Herr E... und seine Rechtsnachfolger die 1-Zimmerwohnung im Erdgeschoss nebst Garten,

b) Herr N... und seine Rechtsnachfolger die 3/4-Zimmerwohnungen im 1. und 2. Obergeschoss

c) Herr E... und seine Rechtsnachfolger die 4-Zimmerwohnung im 3. Obergeschoss."

In einem mit "Eckdaten zum Ladenverkauf zwischen F... E... und Herrn R... N..." überschriebenen Papier vom 15.03.2017 heißt es:

"Folgende Eckdaten wurden am 14.03.2017 zwischen Herrn E... und Herrn N... vorbereitet und für einen Notartermin bei Dr. W... festgelegt.

Herr N... schlägt folgende Konditionen zum Verkauf des sich im Erdgeschoss befindlichen Ladengeschäfts samt Büroräume und WC im Objekt L... xx vor: (...)

4. Nach Besitz des Ladengeschäfts zahlt Herr N... monatlich 300 Euro in Bar an Herrn E... aus. (...)

7. Die Räumlichkeiten werden nach Zeichnung des Mietvertrags Frühjahr 2016 als Grundlage genommen."

Nach Nummer 8 folgen die Unterschriften der Parteien und anschließend noch:

"9. Ladenübertragung erfolgt nach Grundbucheintragung."

Im Jahre 2018 reichte der hiesige Beklagte beim Landgericht Leipzig eine Klage auf Zahlung von Mietzins aus dem streitgegenständlichen Mietverhältnis für den Zeitraum 15.02.2016 bis 31.08.2017 ein und begehrte zudem die Feststellung, dass das zwischen den Parteien am 15.02.2016 geschlossene Gewerberaummietverhältnis wirksam beendet worden sei. Das Landgericht Leipzig wies die Klage mit Urteil vom 20.12.2018 ab und führte zur Begründung aus, der hiesige Beklagte (dortige Kläger) habe die vermieteten Räumlichkeiten nicht an den Kläger übergeben, so dass Letzterer auch keinen Mietzins geschuldet habe und ein Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht bestehe. Der hiesige Beklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Mit Beschluss vom 17.04.2019 wies das OLG Dresden unter dem Az. 5 U 381/19 darauf hin, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da diese offensichtlich unbegründet sei, das Landgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Der dortige Kläger und hiesige Beklagte nahm die Berufung daraufhin zurück.

Der Beklagte, welcher zunächst die gesamten Räumlichkeiten im Erdgeschoss bewohnte, zog Ende 2017/Anfang 2018 aus und bewohnt nunmehr eine Wohnung im dritten Obergeschoss des Objektes. Eine Übergabe der streitgegenständlichen Räumlichkeiten an den Kläger erfolgte nicht, dem Kläger wurde zu keiner Zeit Besitz an den streitgegenständlichen Räumlichkeiten eingeräumt.

Der Kläger hat in 1. Instanz beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, das im Erdgesch...

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