Verfahrensgang
LG Chemnitz (Urteil vom 02.12.2005; Aktenzeichen 5 O 4791/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Chemnitz vom 2.12.2005 - 5 O 4791/04, wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 3.7.2006 hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
Beschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird festgesetzt auf 49.143,66 EUR.
Gründe
Die Berufung der Beklagten war als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 517 ZPO eingelegt worden ist. Die Berufungsbegründungsfrist ist am 2.6.2006 abgelaufen. Insoweit wird auf den Beschluss des Senates vom 17.8.2006 sowie die Hinweise in der Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 20.7.2006 Bezug genommen. Die Berufung ist erst am 3.7.2006 bei dem OLG Dresden eingegangen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war als unbegründet zurückzuweisen, da die Versäumung der Berufungsfrist nicht unverschuldet i.S.d. §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO war.
1. Die Berufungsschrift vom 24.4.2006 wurde nicht aufgrund eines - der Beklagten nicht zuzurechnenden - Verschuldens der Rechtsanwaltsfachangestellten des Beklagtenvertreters, Frau K. F., an das LG Chemnitz statt an das zuständige OLG Dresden gesandt. Denn mit dem Schriftsatz vom 24.4.2006 wurde nicht nur Berufung eingelegt, sondern auch beantragt, das Urteil kurzfristig zu übermitteln. Dieser zweite Antrag wurde zutreffend an das LG Chemnitz gerichtet. Der Beklagtenvertreter hätte bei ordnungsgemäßem Vorgehen zwei verschiedene Schriftsätze anfertigen und diese jeweils an das zuständige Gericht senden müssen. Indem er nur einen zusammengefassten, an das LG Chemnitz adressierten Schriftsatz unterzeichnet hat, hat er die Verantwortung dafür übernommen, dass der Schriftsatz an dieses Gericht und nicht an das OLG Dresden übersandt wurde.
2. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass das LG Chemnitz die Berufungsschrift hätte weiterleiten müssen. Zwar ist nach der Rspr. des BGH - in Anlehnung an die Rspr. des BVerfG - ein Gericht zur Weiterleitung eines bei ihm als unzuständigem Gericht eingereichten fristgebundenen Schriftsatzes an das zuständige Rechtsmittelgericht aufgrund des Gebots des fairen Verfahrens verpflichtet, wenn es bereits mit dem Verfahren befasst war (BVerfG, Beschluss vom 20.6.1995, 1 BvR 166/93, NJW 1995, 3173; BGH, Urt. v. 1.12.1997, II ZR 85/97, MDR 1998, 363 = VersR 1998, 608 f. sowie die weiteren in der Verfügung vom 20.7.2006 zitierten Urteile). Dem schließt sich der Senat an. Die Zeit zur Weiterleitung wäre im vorliegenden Fall ausreichend gewesen. Dies ist aber nicht ausschlaggebend. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den durch die höchstrichterliche Rspr. entschiedenen Fällen in zwei maßgeblichen Punkten.
a) Zum einen war der an das LG Chemnitz gerichtete Schriftsatz vom 24.4.2006 - wie dargelegt - inhaltlich nicht nur für das OLG Dresden bestimmt. Der Antrag auf Übersendung der Urteilsausfertigung war vielmehr zutreffend an das LG gerichtet, weshalb eine Weiterleitung an das OLG Dresden jedenfalls vor Urteilsabsetzung nicht ohne Weiteres veranlasst war, sondern der Schriftsatz (auch) in der Akte des LG verbleiben musste. Der Beklagtenvertreter konnte auch nicht erwarten, dass die Verfahrensakte nach Abschluss der I. Instanz an das OLG Dresden gesandt werden würde. Dies geschieht in der Regel auf Anforderung des OLG, nachdem dort Rechtsmittel eingelegt wurde. Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Verfügung des LG Chemnitz vom 2.5.2006, dass die Akte nach Rückkehr von dem Berufungsgericht wieder vorgelegt werden sollte, berufen. Diese stellt lediglich eine Wiedervorlageverfügung für die Kostenabrechnung, aber keine richterliche Anordnung der Übersendung an das Berufungsgericht dar. Durch diese Verfügung wurde auch kein Vertrauen der Beklagten begründet, da sie ihr nicht bekannt gegeben wurde, sondern erst nach Ablauf der Berufungsfrist durch Akteneinsicht am 4.7.2006 zur Kenntnis gelangte. Es kann dahinstehen, ob im ordentlichen Geschäftsgang eine Nachfrage des LG bei dem Beklagtenvertreter erforderlich gewesen wäre, wie mit dem Schriftsatz weiter verfahren werden soll, da jedenfalls dessen weiteres Verhalten ein Verschulden begründet.
b) Der durch die unterbliebene Weiterleitung des Schriftsatzes an das OLG Dresden möglicherweise unterbrochene Kausalzusammenhang wurde durch eine weitere Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagtenvertreters wieder hergestellt. Wie bereits in der Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 20.7.2006 erwähnt, wäre die Versäumung der Notfrist des § 517 ZPO nur dann unverschuldet i.S.v. §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO gewesen, wenn der Beklagtenvertreter darauf hätte vertrauen dürfen, dass die an das unzuständige LG Chemnitz gerichtete Berufungsschrift noch fristgerecht an das OLG Dresden weitergeleitet würde. Dies war vorliegend ...