Verfahrensgang

AG Meißen (Beschluss vom 16.06.2006; Aktenzeichen 1 M 1025/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 25.09.2008; Aktenzeichen IX ZB 205/06)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des AG Meißen vom 16.6.2006 (1 M 1025/06) aufgehoben.

2. Die Erinnerung des Schuldners gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Meißen vom 2.3.2006 (1 M 1025/06) wird zurückgewiesen.

3. Der Schuldner trägt die Kosten des Erinnerungs- und des Beschwerdeverfahrens.

4. Gebührenrechtlich sind beide Rechtsbehelfsverfahren 50.816,02 EUR wert.

5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Mit Versäumnisurteil des LG Dresden vom 5.9.2005 wurde der Schuldner verurteilt, an die Gläubigerin 46.019,51 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Der Schuldner ist angestellter Rechtsanwalt in der Kanzlei ...; er ist am OLG ... zugelassen.

Mit Beschluss vom 20.9.2005 (bankruptcy order) wurde gegen ihn durch den High Court of Justice in London ein Insolvenzverfahren unter dem Insolvency Act 1986 eröffnet. Zum Verwalter wurde G. C. R ..., London, bestellt. Mit Schreiben vom 17.11.2005 an die Gläubigerin teilte der Verwalter - nur auf englisch - der Gläubigerin mit, dass gegen den Schuldner das Insolvenzverfahren eröffnet sei. Dem beigefügt war eine Auflistung der Aktiva und der Passiva des Schuldners, die mit einem Passivsaldo von 761.997 GBP (englischen Pfund) endet. Die Gläubigerin meldete mit Schreiben vom 7.12.2005 ihre Forderung an.

Auf Antrag der Gläubigerin vom 20.2.2006 erließ das AG Meißen - Vollstreckungsgericht - am 2.3.2006 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bezüglich der angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen die Mitglieder der Rechtsanwaltskanzlei L ..., bei der er beschäftigt ist. Dessen Erinnerung hiergegen half das AG mit Beschluss vom 16.6.2006 ab und hob den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin. Sie ist der Auffassung, eine Anerkennung der Insolvenzeröffnung des Londoner High Court widerspreche vorliegend dem deutschen Ordre public, da die Verfahrensvorschriften der Europäischen Insolvenzverordnung (Verordnung [EG] Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren; künftig: EuInsVO) nicht eingehalten worden seien. Insbesondere sei entgegen Art. 43 EuInsVO die Aufforderung, Forderungen anzumelden, nicht mit dem entsprechenden Formblatt in sämtlichen Amtssprachen versehen gewesen. Auch widerspreche die Entscheidung deswegen dem Ordre public, da der Schuldner sich gezielt und bewusst das englische Insolvenzverfahren, in dem er Restschuldenbefreiung nach 12 Monaten, also damit nach deutlich kürzerer Frist als in Deutschland erhielte, zu Nutze mache. Der Schuldner sei Experte für englisches Insolvenzrecht und trete auch entsprechend auf.

Mit Beschluss vom 22.6.2006 hat das AG - Vollstreckungsgericht - der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren zunächst zur Entscheidung dem LG Dresden vorgelegt. Nachdem dieses sich mit Verfügung vom 6.6.2006 (Bl. 264 d.A.) für unzuständig erklärte, hat das AG - Vollstreckungsgericht - Meißen den Beschluss vom 22.6.2006 dahingehend abgeändert, dass das Verfahren dem OLG zur Entscheidung vorgelegt wird.

II. Das vom OLG zu bescheidende Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

1. Die Beschwerde ist nach §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, zumal der angefochtene Beschluss, mit dem die Rechtspflegerin beim Vollstreckungsgericht der Vollstreckungserinnerung des Schuldners abgeholfen hat, eine Entscheidung im Sinne der behandelten Norm, nicht allein (erneut) eine Vollstreckungsmaßnahme ist. Das wäre im Übrigen nicht anders, wenn das Insolvenzgericht die Erinnerung des Schuldners beschieden hätte (näher dazu BGH, B. v. 5.2.2004 - IX ZB 97/03). Ob die Rechtspflegerin nach Maßgabe des § 89 Abs. 3 InsO zuständig war, ist mithin für die Frage, welcher Rechtsbehelf statthaft ist, ohne Belang.

2. Die Beschwerde ist vom OLG zu bescheiden. Dessen Zuständigkeit folgt jedenfalls aus § 281 ZPO. Denn der Sache nach ist die eingangs erwähnte Entscheidung des LG nichts anderes als eine Verweisung an das OLG. Hieran ist der Senat gebunden (§ 281 Abs. 3 S. 2 ZPO), zumal das LG die Parteien vorab angehört hatte, die beschwerdeführende Gläubigerin die Verweisung an das OLG beantragt hat (GA II 261) und die Bewertung der Zuständigkeitsfrage durch das LG mit Blick auf einschlägige oberlandesgerichtliche Rechtsprechung alles andere als willkürlich ist (vgl. etwa OLG Köln OLGReport Köln 2004, 293 und OLG Frankfurt, DGVZ 04, 92).

Dahinstehen kann so, ob sich die Zuständigkeit des OLG auch über § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG begründen lässt. Der Senat hat dies in einer früheren Entscheidung verneint (B. v. 7.3.2005 - 3 W 228/05). Er hat sich dabei im Wesentlichen von dem Beschluss des BGH vom 19.3.2004 (IX à ZB 23/03) leiten lassen. Der BGH hat dort, nach dem Verständnis des Senats, ausgeführt, dass für Zwangsversteigerungssachen stets die Vorschriften des deutschen Rechts gelten, so dass das der behandelte...

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