Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem Täuschungswillen eines Anbieters ausgegangen werden kann, der nach einem vorherigen Telefonanruf ein Formular versendet, mit dem der angesprochene Kunde eine Eintragung in einem Branchenverzeichnis beauftragen kann.

 

Normenkette

BGB § 123 Abs. 1 Alt. 1

 

Verfahrensgang

AG Winsen/Luhe (Urteil vom 25.11.2008; Aktenzeichen 22 C 1096/08)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG Winsen/Luhe vom 25.11.2008 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird festgestellt, dass der Klägerin für die Zeit vom 1.8.2008 bis 30.7.2009 eine Vergütung nicht zusteht.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.608 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von einer Darstellung des Sach- und Streitstands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung an das OLG (§ 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG) ist begründet.

Die Klage ist unbegründet, die Widerklage begründet. Der Klägerin stehen gegen den Beklagten auf Grundlage von dessen Auftragserteilung vom 30.7.2007 keine Ansprüche zu. Der Beklagte hat seine hierauf gerichtete Willenserklärung mit Schreiben vom 3.9.2007 wirksam wegen arglistiger Täuschung gem. §§ 123 Abs. 1 Alt. 1, 142 Abs. 1 BGB angefochten.

1. Eine arglistige Täuschung seitens der Klägerin ist allerdings noch nicht allein in der Übersendung des Vertragsentwurfes an den Beklagten als solches zu sehen.

In Fällen, in denen - wie hier - eine Täuschung durch ein Anschreiben in Frage steht, bieten vor allem dessen Inhalt und Aufmachung Anhaltspunkte für den erforderlichen Täuschungswillen des Erklärenden. Auf den erforderlichen subjektiven Tatbestand wird in aller Regel in folgenden Fällen geschlossen werden können (vgl. BGH, Urt. v. 22.2.2005 - X ZR 123/03, zitiert nach juris, Tz. 15 ff.):

a) Wenn das Schreiben objektiv unrichtige Angaben enthält (BGH, a.a.O., Tz. 16). Das ist hier nicht ersichtlich.

b) Bei Aufmachung eines Angebotsschreibens in Art einer Rechnung (BGH, a.a.O., Tz. 16). Das ist hier nicht der Fall.

c) Wenn erkennbar für den Adressaten wichtige Umstände verschwiegen sind, obwohl eine Offenbarungspflicht besteht (BGH, a.a.O., Tz. 16 a.E.). Auch das ist vorliegend nicht ersichtlich.

d) Aus der Art und Weise, wie das Anschreiben gestaltet ist. Allerdings kann insoweit ein Täuschungswille nicht schon deshalb ohne weiteres angenommen werden, weil die Darstellung zur Irreführung geeignet ist. Bei lediglich irreführender Darstellung kommt es vor allem darauf an, wie stark die maßgeblichen Punkte verzerrt oder entstellt wiedergegeben sind und ob vom Absender wegen des Grades der Verzerrung oder Entstellung hätte erwartet werden können, dass Adressaten die wahren Umstände nicht richtig oder nicht vollständig erkennen können (BGH, a.a.O., Tz. 18).

Nach dieser Maßgabe ist die Gestaltung des Vertragsformulars allein für sich gesehen noch nicht ausreichend, um von einem Täuschungswillen der Klägerin auszugehen. Zwar legt die Aufmachung des Vertragsentwurfes eine Verwechslung mit dem bekannten Telefonverzeichnis "Das Ö." nahe. Dies verdeutlicht auch ein Vergleich des Auftragsformulars mit der Rechnung der Klägerin vom 16.8.2007. Während die Rechnung die Firmierung und Anschrift der Klägerin in Großbuchstaben am oberen rechten Rand der Urkunde enthält, gibt es eine derartige Kenntlichmachung in dem Auftragsformular nicht. Vielmehr ist die Firmierung der Klägerin im oberen Bereich des Formulars lediglich an untergeordneter Stelle in Kleinbuchstaben wiedergegeben, die Adresse der Klägerin findet sich in dem Formular gar nicht wieder. Dennoch ist nach Auffassung des Senats der Grad der Verzerrung oder Entstellung im Sinne der genannten Rechtsprechung des BGH als (noch) nicht ausreichend anzusehen, als dass allein hierauf gestützt auf eine Täuschungsabsicht der Klägerin geschlossen werden könnte.

2. Jedoch ist der Senat aufgrund einer Gesamtschau der vorliegenden Umstände des Einzelfalles davon überzeugt, dass die Klägerin hier in Täuschungsabsicht gehandelt hat.

a) Wie zuvor ausgeführt, ist ein Indiz hierfür die drucktechnische Gestaltung des Auftragsformulars, die eine Verwechslung mit dem bekannten Telefonverzeichnis "Das Ö." zumindest nahe legt.

b) Ein weiteres Indiz stellt der zwischen den Parteien unstreitige Umstand dar, dass die Klägerin das an den Beklagten übersandte Formular bereits mit dessen persönlichen Daten handschriftlich vorausgefüllt hat. Eine derartige Vorgehensweise ist geeignet, bei dem Empfänger des Vertragsformulars den Eindruck zu erwecken, es handele sich nicht um eine neuartige Geschäftsbeziehung, sondern es solle eine bereits bestehende Vertragsbeziehung aufrechterhalten bzw. verlängert werden.

c) Ferner hat auch der Beklagte im Rahmen seiner Anhörung nach § 141 ZPO Umstände vorgetragen, die nach Überzeugung des Senats den Schluss darauf zulassen, dass die Klägerin bei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge