Leitsatz (amtlich)

1. Aufwendungen für die Konfirmation stellen jedenfalls dann Sonderbedarf des Kindes i.S.d. § 1613 Abs. 2 BGB dar, wenn sie nicht innerhalb eines Zeitraumes von etwa vier Monaten aus dem laufenden Unterhalt aufgebracht werden können.

2. Kosten für Klassenfahrten und Sportveranstaltungen sind jedenfalls solange kein Sonderbedarf, als sie den üblichen Rahmen nicht überschreiten.

 

Normenkette

BGB § 1613 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bremerhaven (Aktenzeichen 153 F 319/02)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wird diesem in Abänderung des Beschlusses des AG – FamG – Bremerhaven vom 5.9.2002 Prozesskostenhilfe für folgende Anträge bewilligt:

Der Beklagte wird verurteilt

1. an den Kläger zu 1) 361 Euro (= 76 DM) nebst 5 % Zinsen seit Klagzustellung

2. an den Kläger zu 2) 150 Euro nebst 5 % Zinsen seit Klagzustellung zu zahlen.

Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren (Nr. 1956 der Anlage 1 zu § 11 GKG) wird auf 1/2 ermäßigt

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist nur zum Teil begründet. Die Rechtsverfolgung der Kläger hat nur insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO, als sie die im Zusammenhang mit ihren Konfirmationen bisher entstandenen Aufwendungen gegenüber dem Beklagten als Sonderbedarf gem. § 1613 Abs. 2 BGB geltend machen. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Kläger für Klassenfahrten, Tagesfahrten und für Sportfreizeiten besteht hingegen nicht.

Dass die geltend gemachten Beträge bereits Gegenstand vorangegangener Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren (153 F 94/01 und 153 F 59/02) waren, lässt die Rechtsverfolgung der Kläger nicht als mutwillig erscheinen. Sie weisen zu Recht darauf hin, dass bereits vor der Änderung des § 127 Abs. 2 S. 2 2. HS ZPO ein Rechtsmittel gegen ablehnende Prozesskostenhilfebeschlüsse nicht gegeben war, wenn die Berufungssumme nicht erreicht war (vgl. Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Rz. 18, Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl., Rz. 737).

Ob Aufwendungen für die Konfirmation sowie für Klassenfahrten, Tagesausflüge mit der Schule und Sportveranstaltungen als Sonderbedarf des Kindes anzusehen sind, ist streitig (vgl. Zusammenstellung bei Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rz. 287, zuletzt zur Kommunion OLG Köln FF 2002, 170). Ausgehend von der Definition des Sonderbedarfs als eines unregelmäßigen und außerordentlich hohen Bedarfs, der nicht auf Dauer besteht, und der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 11.11.81 – IVb ZR 608/80, MDR 1982, 391 = FamRZ 1982, 145), wonach dem Merkmal der „Unregelmäßigkeit” anhaftet, dass der Bedarf „überraschend” sein muss, werden solche Ausgaben nicht als Sonderbedarf angesehen. Der laufende Unterhalt decke vielmehr sämtliche voraussehbaren Ausgaben ab und lasse auch bei größeren voraussehbaren Ausgaben genügend Spielraum für eine vernünftige Planung (BGH v. 11.11.81 – IVb ZR 608/80, MDR 1982, 391 = FamRZ 1982, 145). Dem vermag sich der Senat jedenfalls für den Fall der Konfirmation nicht anzuschließen.

Vorhersehbarkeit und Planbarkeit als formale Abgrenzungskriterien zwischen Sonderbedarf und laufendem Unterhalt führen nicht zu befriedigenden Ergebnissen, wie sich insbesondere am Beispiel der Konfirmation zeigt. Deren Aufwendungen treffen den Elterteil, bei dem das Kind lebt, nicht „überraschend”. Wenn nicht bereits mit der Taufe, so zeichnen sie sich jedoch spätestens mit dem Beginn des Konfirmandenunterrichts in nicht unbeträchtlicher Höhe ab. Der laufende (Tabellen-)Unterhalt richtet sich nicht in erster Linie nach der konkreten Bedarfssituation des Kindes, sondern nach der Einkommenssituation der Eltern, wenn auch dem Gesichtspunkt des (Mindest-)Bedarfs mit der Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB nunmehr Rechung getragen wird. Wird er Jahre vorher festgesetzt, können darin beispielsweise die Kosten der Konfirmation nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht sicher feststehen. Wenn der Berechtigte bei der Geltendmachung als Sonderbedarf darauf verwiesen werden könnte, er hätte die Kosten schon bei der Bestimmung des laufenden Betrages geltend machen können, wäre er doppelt benachteiligt (vgl. Born in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1613 Rz. 72). Im Ergebnis muss es hier um eine materiell gerechte Lastenverteilung gehen (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rz. 280, Rz. 69; Eschenburg/Wohlgemuth, Der Unterhaltsprozess, Rz. 3044 – funktionsbezogene Abgrenzung), denn die Einordnung als Sonderbedarf darf auch nicht dazu führen, den Verpflichteten wegen all der Ausgaben zusätzlich in Anspruch zu nehmen, die regelmäßig auftreten. Ob Aufwendungen Sonderbedarf des Kindes darstellen, den der Verpflichtete, seine Leistungsfähigkeit vorausgesetzt, zusätzlich aufbringen muss, bestimmt sich also danach, ob sie bei vorausschauender Planung vom laufenden Unterhalt nicht bezahlt werden können (OLG Dresden FuR 2000, 122; OLG Hamm FamRZ 1993, 996; OLG Düssel...

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