Verfahrensgang

AG Wuppertal (Entscheidung vom 22.06.2011; Aktenzeichen 99 C 73/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 22.06.2011 (99 C 73/11) abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.225,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.02.2011 sowie an die Rechtsanwälte XXX 272,87 € und an das Sachverständigenbüro ### 290,96 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten über zu leistenden Schadensersatz aufgrund einer Beschädigung des Pkws des Klägers, den dessen Ehefrau am Morgen des 09.12.2010 in einer freien Parklücke vor dem Haus der Beklagten in ++ abstellte. Von dem Dach des Hauses der Beklagten fielen an diesem Tag auf den Wagen des Klägers Eiszapfen und Eisbrocken herab, die zuvor über das Dach hinausragten. Die Beklagte hatte diesen Dachüberhang weder entfernt noch den Bereich, auf den diese Eiszapfen und Eisbrocken herabstürzen konnten, abgesperrt.

Im Übrigen wird von der Wiedergabe des Tatbestands gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte wegen der Beschädigung seines Pkws durch die vom Dach der Beklagten herabgefallenen Eisbrocken und Eiszapfen für sämtliche geltend gemachten Schäden ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 der Straßenordnung der Stadt Wuppertal vom 15.12.2000 zu.

Bei § 7 der Straßenordnung der Stadt Wuppertal handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Schutzgesetz im Sinne dieser Vorschrift ist jede Rechtsnorm, die auch dazu dient, den Einzelnen gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen (Palandt-Sprau, 71. Aufl., § 823 Rz. 57). So liegt es hier. § 7 der Straßenordnung soll vor Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum von Straßenbenutzern schützen. Dieser Schutz liegt - entgegen der Ansicht der Beklagten in nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 27.12.2011 - im Aufgabenbereich der Norm und ist kein bloßer Reflex einer an sich ganz anderen Zwecken dienenden Vorschrift.

Die Beklagte hat, indem sie Maßnahmen zum Schutz vor den von ihrer Dachkante herabfallenden Eisbrocken und Eiszapfen unterließ, gegen § 7 der Straßenordnung der Stadt Wuppertal verstoßen. § 7 der Straßenordnung, die ausweislich ihres ursprünglichen § 12 Satz 1 zunächst bis zum 31.12.2010 galt, verlangt vom Ordnungspflichtigen, dass er entweder - so Satz 1 - gefährliche Schneeüberhänge sowie Eiszapfen an Sachen, insbesondere Gebäuden, unverzüglich entfernt, wenn die Möglichkeit einer gefahrlosen Beseitigung besteht, oder aber - so alternativ Satz 2, wenn die Möglichkeit gefahrloser Beseitigung nicht besteht - den Gefahrenbereich absperrt. Die Beklagte ist als ordnungspflichtige Eigentümerin des Gebäudes, an dessen Dachkante sich die später herabgefallenen Schneeüberhänge und Eiszapfen gebildet hatten, keiner dieser Pflichten nachgekommen. Sie hat weder Schneeüberhänge und Eiszapfen beseitigt noch hat sie den Gefahrenbereich unterhalb ihres Hausdachs abgesperrt, obwohl sie von der Gefahr wusste. Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob es der Beklagten seinerzeit zumutbar gewesen ist, Schneeüberhänge und Eiszapfen von ihrem Dach zu beseitigen, kann insofern dahinstehen. Wenn sie die Möglichkeit gefahrloser Beseitigung nicht gehabt haben sollte, so hätte sie den Gefahrenbereich gemäß § 7 Satz 2 der Straßenordnung jedenfalls absperren müssen. Dies hat sie nicht getan. Insoweit kann dahinstehen, ob die Beklagte, wie sie behauptet, bereits vor dem Schadensereignis mit einem an die Hauswand gelehnten Schild auf die Gefahr herabfallender Eiszapfen hingewiesen hat. Bei diesem Schild handelte es sich, wie aufgrund des von der Beklagten vorgelegten Lichtbildes erkennbar ist, nicht um eine Absperrung im Sinne von § 12 Satz 2 der Straßenordnung. Das auf dem Lichtbild erkennbare Schild behinderte das Betreten des Gefahrenbereichs nicht einmal.

Wirksamkeitsbedenken gegen § 7 der Wuppertaler Straßenordnung - dessen Regelungsinhalte sich auch in den Straßenordnungen anderer Städte finden (vgl. z.B. § 7 der Kölner Straßenordnung vom 01.05.2005, § 8 der Solinger Straßenordnung vom 08.03.2003, § 10 Abs. 1 der Düsseldorfer Straßenordnung vom 04.10.2006) - bestehen entgegen der Ansicht der Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz nicht.

Die Straßenordnung ist als ordnungsbehördliche Verordnung formell wirksam. Insbesondere sind die Zuständigkeitsvorschriften des § 27 OBG NRW eingehalten und ist die von § 30 OBG NRW vorgeschriebene Form beachtet.

§ 7 der Straßenordnung ist auch materiell rechtmäßig. Die Vorschrift dient, wie dies § 27 Abs. 1 OBG NRW verlangt, der Abwehr einer abstrakten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Von Schneeüberhängen und Eiszapfen an Gebäuden drohen bei abstrakt-genereller B...

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