Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments- und des Rats vom 11.7.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften (ABlEU Nr. L 184/17) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

  1. Findet Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2007/36/EG wegen des europarechtlichen Vorwirkungsverbotes bereits Anwendung, wenn der nationale Gesetzgeber eine mit Ablauf der Umsetzungsfrist außer Kraft tretende Regelung geschaffen hat, die während der Umsetzungsfrist die Verkürzung der Einberufungsfrist für eine Hauptversammlung auf bis zu einem Tag zulässt, wenn die Hauptversammlung einen Beschluss fasst (Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss), der aufgrund gesetzlicher Anordnung nach der Eintragung in das Handelsregister auch dann wirksam bleibt, wenn dieser Beschluss der Hauptversammlung aufgrund erfolgreicher Anfechtungsklage für nichtig erklärt wird?
  2. Falls diese Frage bejahend beantwortet wird: Lässt sich der Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2007/36/EG mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, insbesondere Art. 297 EG-Vertrag rechtfertigen?
 

Tatbestand

In dem vorliegenden Gericht rechtshängigen Verfahren streiten die Parteien mittels aktienrechtlicher Anfechtungsklagen um die Wirksamkeit eines Beschlusses der Hauptversammlung der Beklagten über eine Kapitalerhöhung gegen Bezugrechtsausschluss.

A.

I.

1. Die Beklagte – eine damals börsennotierte Aktiengesellschaft, deren Unternehmensgegenstand in der Leitung einer internationalen Unternehmensgruppe aus dem Bereich der Immobilienfinanzierung, immobilienbezogener Bankgeschäfte, des Immobiliengeschäfts und aller damit in Zusammenhang stehenden Finanzierungs-, Beratungs-, Vermittlungs- und sonstigen Dienstleistungen aller Art und des sonstigen Bankgeschäft liegt – verfügte im April 2009 über ein Grundkapital in Höhe von EUR 693.253.560,–, das in 231.084.520 Stückaktien eingeteilt war. Die von der Beklagten geführte Gruppe verfügte über eine Bilanzsumme in Höhe von EUR 386,4 Mrd. zum 30.6.2009 und von EUR 419,7 Mrd. zum 31.12.2008. Während der Finanzmarktkrise der Jahre 2008/2009 musste die Liquidität der Beklagten mehrfach gesichert werden. Die Deutsche Bundesbank gewährte der HRE Bank als Tochtergesellschaft der Beklagten am 30.9.2008 eine durch den Finanzmarktstabilisierungsfond (im Folgenden: SoFFin) garantierte Sonderliquiditätshilfe in Höhe von EUR 35 Mrd. sowie am 29.10.2008 eine ebenfalls durch den SoFFin garantierte Zwischenfinanzierung in Höhe von EUR 15 Mrd.; am 13.11.2008 stellte die Deutsche Bundesbank und ein Konsortium deutscher Finanzinstitute eine mittelfristige Liquiditätsfazilität in Höhe von EUR 50 Mrd. zur Verfügung, die im Umfang von EUR 35 Mrd. von der Bundesrepublik Deutschland bis zum 31.3.2009 garantiert wurde. In der Folgezeit kam es zu Verlängerungen der Liquiditätshilfe. Zusätzlich erhielt die HRE Bank ab November 2008 neben den Maßnahmen der Deutschen Bundesbank und des Konsortiums deutscher Finanzinstitute weitere Stabilisierungsmaßnahmen in Form von Garantieübernahmen des SoFFin im Umfang von zunächst EUR 52 Mrd., die für die Garantien von EUR 30 Mrd. bis zum 15.4.2009 und von insgesamt EUR 22 Mrd. bis zum 12.6.2009 gelten sollten. Diese Garantieabreden wurden zweimal verlängert – zunächst bis 19.8.2009 und sodann um weitere drei Monate bis zum 18.11.2009.

Am 23.3.2009 beschloss der Vorstand der Beklagten mit Zustimmung des Aufsichtsrats das ursprüngliche Grundkapital der Beklagten im Rahmen einer Barkapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital um EUR 60 Mio. auf EUR 633.253.560 durch die Ausgabe von 20 Millionen neuen, auf den Inhaber lautenden Stückaktien unter Ausschluss des Bezugsrechts zu erhöhen. Der SoFFin zeichnete die 20 Millionen neuen Aktien am 28.3.2009 zu einem Bezugspreis von EUR 3,– je Aktie. Am 31.3.2009 erfolgte die Eintragung dieser Kapitalerhöhung in das Handelsregister.

Im Anschluss daran unterbreitete die Bundesrepublik Deutschland, handelnd durch den SoFFin, am 9.4.2009 den Aktionären der Beklagten ein öffentliches Übernahmeangebot zum Erwerb ihrer Aktien an der Beklagten zum Kaufpreis von EUR 1,39 je Aktie. Die Annahmefrist für dieses freiwillige öffentliche Übernahmeangebot endete am 4.5.2009. In Folge dieses Übernahmeangebots erhöhte sich durch Aktienerwerb die Beteiligung des SoFFin an der Beklagten auf ca. 47,31% des damaligen Grundkapitals und der Stimmrechte.

Seit Januar 2009 lag der Börsenkurs der Beklagten stets unter EUR 3,–.

2. Im elektronischen Bundesanzeiger vom 30.4.2009 veröffentlichte die Beklagte die Einladung zu einer außerordentlichen Hauptversammlung für den 2.6.2009. Zum einzigen Tagesordnungspunkt – einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts – enthielt die Bekanntmachung folgenden Beschlussvorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat.

„Einziger Punkt der Tagesordnung:

Beschlussfassung über eine Erhöhung des Grundkapitals gemäß ...

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