1 Leitsatz

Das kurzfristige Abstellen von gefüllten Mülltüten vor der Wohnungstür sowie eines Kinderwagens rechtfertigen weder eine fristlose noch eine fristgerechte Kündigung, wenn im Treppenhaus ausreichend Platz ist.

2 Normenkette

§§ 543, 573 BGB

3 Das Problem

Das Treppenhaus sowie der Hausflur eines Mehrfamilienhauses ist zwar nicht mitvermietet; allerdings ist der Mieter nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich auch zur Mitbenutzung solcher Gemeinschaftsflächen berechtigt. Bestehen keine besonderen Vereinbarungen, umfasst dieses Recht sämtliche mit dem Wohnen typischerweise verbundenen Umstände. Der Mieter ist daher berechtigt, einen Kinderwagen, Rollstuhl oder Rollator im Hausflur an geeigneter Stelle abzustellen, wenn er hierauf angewiesen ist und die Größe des Hausflurs das Abstellen zulässt, d. h. insbesondere weder der Fluchtweg noch der Zugang zu den Briefkästen verstellt oder erschwert wird. Ob das Transportieren in die Wohnung nach jedem Gebrauch zumutbar ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, u. a. Größe des Kinderwagens, vorhandener Lift, Gesundheitszustand des Mieters etc.

4 Die Entscheidung

In dem vom AG Neukölln entschiedenen Fall hatte die Mieterin trotz wiederholter Abmahnungen gefüllte Mülltüten vor der eigenen Wohnungstür abgestellt und auch zugelassen, dass ihre Tochter einen Kinderwagen bei Besuchen der Wohnung im 6. Stock im Treppenhaus abstellte. Das AG Neukölln sah darin kein vertragswidriges Verhalten, da jedenfalls ein kurzfristiges Abstellen von Mülltüten keinen Verstoß gegen die Hausordnung darstellt. Ferner ist es der Mieterin in Anbetracht der örtlichen Gegebenheiten auch nicht zumutbar, den Kinderwagen in die Wohnung mitzunehmen, da im Hausflur ausreichend Platz ist. Auch das Ermittlungsverfahren gegen den Sohn der Mieterin wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, auf das die Vermieter die Kündigung zusätzlich gestützt hatten, können die Kündigung nicht begründen, da bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt. Wegen der infolge der Hausdurchsuchung beschädigten Wohnungseingangstür verwies das Gericht die Vermieter auf Schadensersatzansprüche gegen die Mieter.

5 Entscheidung

AG Berlin-Neukölln, Urteil v. 1.6.2023, 10 C 121/22

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