Leitsatz (amtlich)
Die Belehrungspflicht nach § 338 S. 2 ZPO a.F. beinhaltet im Verfahren mit Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO) auch den Hinweis, dass es zur Wirksamkeit des Einspruchs der Vertretung durch einen zugelassenen Rechtsanwalt bedarf. Dieser Hinweis wird nicht durch einen in einem früheren Verfahrensstadium erteilten Hinweis auf den bestehenden Anwaltszwang entbehrlich.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 06.08.2013; Aktenzeichen 5 O 348/12) |
Tenor
1. Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Das Urteil des LG Berlin vom 6.8.2013 - AZ 5 O 348/12 - wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung an das LG Berlin auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zurückverwiesen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Beklagte begehrt mit seiner Berufung die Aufhebung des Urteils, mit dem sein Einspruch gegen ein Versäumnisurteil des LG gem. § 341 ZPO verworfen wurde.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Vergütung für eine zahnärztliche Behandlung. Die Klage mit Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens ist ihm am 22.12.2012 zugestellt worden. Am 28.6.2013 ist gegen den Beklagten Versäumnisurteil ergangen, das ihm am 3.7.2013 zugestellt wurde.
Da der Beklagte selbst am 9.7.2013 gegenüber dem LG erklärt hatte, Widerspruch gegen das Urteil einlegen zu wollen, wies das LG ihn mit Schreiben vom 12.7.2013 darauf hin, dass dies durch einen Rechtsanwalt zu geschehen habe. Mit Schriftsatz vom 30.7.2013 legte die Prozessbevollmächtigte des Beklagten Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da dem Beklagten erst durch ein gerichtliches Schreiben vom 12.7.2013, das diesem am 18.7.2013 zugegangen sei, erfahren habe, dass er den Einspruch wirksam nur durch einen Rechtsanwalt einlegen könne.
Mit Urteil vom 6.8.2013 hat das LG den Einspruch als unzulässig gem. § 341 ZPO verworfen. Zur Begründung führt es aus, der Einspruch sei verspätet eingelegt worden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet, da den Beklagten die Verantwortung für die ordnungsgemäße Einlegung eines Rechtsmittels treffe und ein Anspruch auf Rechtsmittelbelehrung für Urteile in Zivilrechtssachen nicht bestehe. Jedenfalls habe der Beklagte auch durch die Hinweise im schriftlichen Vorverfahren bereits Kenntnis von der Notwendigkeit einer Vertretung durch einen Anwalt gehabt.
Hiergegen richtet sich die fristgerechte Berufung des Beklagten. Er vertritt die Ansicht, er habe die zweiwöchige Einspruchsfrist schuldlos versäumt, da ihm mit der Zustellung des Versäumnisurteils kein Hinweis auf die Möglichkeit des Rechtsmittels als auch dessen Frist und Form mitgeteilt worden sei. Er, der Beklagte, habe sich auch durch sein Schreiben an das LG nach den für die Einlegung des Rechtsmittels zu beachtenden Bestimmungen erkundigt.
Der Beklagte beantragt das Urteil des LG Berlin vom 6.8.2013 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das LG Berlin zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Parteienvertreter nebst Anlagen verwiesen.
II. Der Rechtsstreit war unter Aufhebung des angegriffenen Urteils zur erneuten Entscheidung an das LG zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), da das LG den Einspruch des Beklagten aus nicht zutreffenden Gründen verworfen hat. Dem Beklagten ist wegen unverschuldeter Versäumung der Einspruchsfrist vielmehr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Die Entscheidung darüber, ob der Einspruch zutreffend wegen Nichteinhaltung der zweiwöchigen Einspruchsfrist (§ 339 Abs. 1 ZPO) und der Unbegründetheit des Wiedereinsetzungsantrages verworfen wurde (§ 341 Abs. 1 ZPO), hängt davon ab, ob er ohne Verschulden gehindert war, innerhalb der Einspruchsfrist wirksam, vertreten durch einen Rechtsanwalt, Einspruch einzulegen.
Nach der Rechtsprechung ist das Fehlen der nach §§ 338 Satz 2 a.F., 340 Abs. 3 Satz 4 ZPO vorgeschriebenen Rechtsbehelfsbelehrung für die Wirksamkeit der Zustellung und damit den Lauf der Einspruchsfrist ohne Bedeutung (BGH, Urt. v. 15.12.2010 - XII ZR 27/09, NJW 2011, 522). Denn die Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht Bestandteil des Versäumnisurteils oder seiner Zustellung, weil auf den Einspruch nur "zugleich mit der Zustellung" hinzuweisen ist (BGH, a.a.O.). Durch den am 30.7.2013 beim LG wirksam eingegangenen Einspruchsschriftsatz konnte die Einspruchsfrist somit nicht mehr gewahrt werden, denn diese lief am 17.7.2013 ab.
Der Wiedereinsetzungsantrag vom 30.7.2013 war jedoch begründet, weil der Beklagte ohne sein Verschulden verhindert war, die Notfrist zur Einlegung des Einspruchs einzuhalten (§ 233 ZPO).
Nach § 338 S. 2 ZPO a.F. ist die Partei, gegen die ein Versäumnisurteil erlassen wurde, mit dessen Zustellung auf die Möglichkeit des Einspruchs hinzuweisen, bei welchem Gericht die Einlegung zu erfolgen hat, als auch auf die einzuhaltende Frist und die Form. Zu de...