Leitsatz (amtlich)

Der bloße Umstand einer im Fall der Räumung zu erwartenden Insolvenzeröffnung über das Vermögen einer juristischen Person als Mieterin von Gewerberäumen genügt nicht, um dem Vermieter nach § 242 BGB eine Berufung auf einen Schriftformmangel i.S. von § 550 BGB unter dem Gesichtspunkt einer "Existenzgefährdung" zu versagen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 25.08.2021; Aktenzeichen 17 O 12/21)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.08.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 17 O 12/21 - wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird der Tenor zur 2. des Landgerichtsurteils wie folgt gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien bezüglich Teilflächen des Grundstücks .... Berlin begründet durch

(a) den Mietvertrag vom 31.05.1995 nebst Nachtrag Nr. 1 vom 14./30.03.1998, der Übermittlungsvereinbarung vom 02./12.03.1998, der Ergänzung zum Mietvertrag vom 08.12.2002, dem Nachtrag Nr. 4 vom 23.05./24.06.2006, Nachtrag Nr. 5 vom 13./23.05.2008, Nachtrag Nr. 6 vom 19.05./04.06.2010, Nachtrag Nr. 7 vom 29.01./30.06.2014, Nachtrag Nr. 8 vom 11.12.2015/07.01.2016 sowie Nachtrag Nr. 9 vom 14./15.11.2016 oder

(b) etwaiger sonstiger mündlicher oder schriftlicher Nutzungsvereinbarungen mit der Klägerin und Widerbeklagten

durch die Kündigung der Beklagten vom 04.06.2021 zum 31.12.2021 geendet hat.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung aus dem angefochtenen und aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt die Zustimmung der Beklagten zur Aufnahme der "F- GmbH" - die unstreitig kein Tochterunternehmen der Klägerin ist, s. Anl. BB 6 - in den Gewerbemietvertrag als weitere Hauptmieterin. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 04.06.2021 (B 6) das Mietverhältnis nach §§ 550, 580 a Abs. 2 BGB zum 31.12.2021 unter Berufung auf eine unzureichende Bestimmbarkeit der - sukzessive erweiterten - Mietflächen gekündigt. Sie begehrt im Wege der seit 13.07.2021 rechtshängigen Widerklage Feststellung, dass das Mietverhältnis zum 31.12.2021 endet (bzw. nunmehr: geendet hat).

Das Landgericht hat die Klage mit dem am 25.08.2021 verkündeten Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen und der erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, abgewiesen und die Beendigung des Mietverhältnisses unter Abweisung der Widerklage im Übrigen (erst) zum 31.03.2022 festgestellt. Hiergegen richten sich die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten.

Im Hinblick auf den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 30.05.2022 in den Prozess eingeführten weiteren Schriftformmangel einer Änderung der Winterdienstregelung in § 11 Nr. 8 des Mietvertrags vom 31.05.1995 werden die tatsächlichen Feststellungen wie folgt ergänzt:

§ 11 Nr. 8 des Ursprungsvertrags lautet:

"Der Mieterin obliegt die Verkehrssicherungspflicht. Sie hat die Geh- und Fahrwege zu reinigen, Schnee zu beseitigen und bei Glätte der Streupflicht nachzukommen."

Die Klägerin trat ab 01.12.2016 als neue Mieterin in den Vertrag ein (Nachtrag Nr. 9 vom 15./24.11.2016, in Anl. K 1), die Beklagte als neue Vermieterin mit Grundbucheintragung am 02.07.2020 (Anl. B 1). Insbesondere enthielten die Nebenkostenabrechnungen 2015 vom 17.01.2016 (BB 9) an die Vor-Mieterinnen und die Abrechnung 2017 vom 07.12.2018 an die Klägerin (BB 10) eine Position "Winterdienst".

Mit Schreiben vom 11.01.2021 (Anl. U 13, Bl. II/118 d.A.) erhob die Klägerin, handelnd durch ihren Generalbevollmächtigten B, gegenüber der Hausverwaltung Einwendungen gegen verschiedene Positionen der Nebenkostenabrechnung für 2019, u.a. heißt es dort zum Winterdienst: "haben wir immer jährlich anteilig 1.900,00 EUR bezahlt und nicht 5.385,00 EUR. Bitte übersenden Sie eine Kopie der Jahresrechnung für den Winterdienst. Zu korrigieren sind: -3.485,00 EUR". Am Ende des Schreibens heißt es: "Bezüglich der Positionen Winterdienst sowie ... werden hier derzeit Überlegungen angestrengt, diese ggf. künftig selbst direkt zu beauftragen."

Mit Anschreiben vom 10.12.2021 (Bl. II/121 d.A.) übersandte die Hausverwaltung der Klägerin korrigierte Abrechnungen für 2018 und 2019 und erläuterte darin, dass sie nunmehr die "pauschale Kostenbeteiligung an den Winterdienstkosten in Höhe von 1.900,00 EUR netto" angesetzt habe. Am Schluss des Schreibens heißt es:

"Zudem bitten wir Sie um eine schriftliche Bestätigung der Abrechnungsmethodik für die NKA 2020 und alle nachfolgenden Abrechnungszeiträume. Wir möchten dadurch den Status Quo der Nebenkostenabrechnungsmethodik definieren, um zukünftige Konflikte zu verhindern."

In der zugleich am 10.12.2021 erstellen Abrechnung für 2020 wird ebenfalls die Winterdien...

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