Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 84 O 214/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 23.02.2022; Aktenzeichen VIII ZR 305/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 22.08.2018 - 84 O 214/17 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1. genannte Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Beklagten wird nachgelassen, die Sicherheit durch eine schriftliche, unbefristete, unwiderrufliche und unbedingte Bürgschaft einer inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Bank mit Hauptsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zu erbringen.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten nach Ausübung eines Mietervorkaufsrechts die Rückzahlung eines Teils des an diese unter Vorbehalt gezahlten Kaufpreises.

Die Beklagte war Eigentümerin des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in der ... Straße ... in B. Die Klägerin war seit dem 01.01.2011 Mieterin der Wohnung Nummer 23 des Wohnhauses, eine 46,60 qm große unsanierte Wohnung. Die Beklagte teilte das Mehrfamilienhaus im Jahr 2015 in Wohnungseigentumseinheiten auf. Die Klägerin erklärte gegenüber dem von der Beklagten mit dem Verkauf der Eigentumswohnungen beauftragten Makler im Vorfeld mehrfach ihr Interesse am Erwerb der Wohnung. Mit Kaufvertrag vom 06.12.2016 zu Urkundenrollennummer .../2016 des Notars S. (Anlage K 1) verkaufte die Beklagte die von der Klägerin bewohnte Wohnung (eingetragen im Grundbuch ...) an Frau G. Unter 2.1 des Kaufvertrages haben die Parteien folgendes vereinbart:

"Der Kaufpreis für den vorbezeichneten Grundbesitz beträgt 163.266,67 EUR (...). Die Parteien gehen davon aus, dass Bemessungsgrundlage des Wohnungskaufpreises in Höhe von 163.266,67 EUR die Lieferung des Wohnungseigentums ohne Mietverhältnis mit einem Dritten ist. Der Kaufgegenstand ist derzeit vermietet. Es gilt "ohne Mietverhältnis mit einem Dritten" zu liefern, soweit der Mieter sein Vorkaufsrecht ausübt oder der Verkäufer dem Käufer binnen eines Monats nach Beurkundung nachweist, dass das Mietverhältnis aufgelöst oder gekündigt ist. Wird das Wohnungseigentum gegen vorstehender Beschreibung mit dem laufenden oder einem anderen Mietverhältnis geliefert, mindert sich der Kaufpreis um 10 % auf 146.940,00 EUR für das Wohnungseigentum."

Alle Kaufverträge, mit denen die Beklagte vermietete Wohnungen, die einem Vorkaufsrecht unterlagen, im Objekt ... verkaufte, enthalten eine solche Klausel. Sie fehlt hingegen in den Kaufverträgen, mit denen die Beklagte vermietete Wohnungen in diesem Objekt verkaufte, für die kein Vorkaufsrecht gilt, wie die Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung unstreitig vorgetragen hat.

Mit Schreiben vom 14.02.2017 (Anlage K 3) an die Beklagte übte die Klägerin das Vorkaufsrecht für ihre Wohnung aus. Hierbei wies sie bereits vorsorglich darauf hin, dass sie in der Regelung zum Kaufpreis einen Verstoß gegen § 577 Abs. 5 BGB sehe. Mit Schreiben vom 15.02.2017 (Anlage K 4) bestätigte Notar S. die rechtzeitige Ausübung des Vorkaufsrechts. Die Klägerin zahlte 163.266,67 EUR an die Beklagte unter dem Vorbehalt der teilweisen Rückforderung.

Die Klägerin hat beim Landgericht Berlin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie die Differenz in Höhe von 16.326,67 EUR zwischen dem für eine unvermietete Wohnung gezahlten und dem für eine vermietete Wohnung zu entrichtenden Kaufpreis nebst Zinsen zu zahlen, da die differenzierte Preisabrede eine Umgehung des Mietervorkaufsrecht gemäß § 577 Abs. 5 BGB darstelle.

Mit am 22.08.2018 verkündetem Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht Berlin die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 16.326,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2017 zu zahlen, da die zwischen der Beklagten und dem Käufer vereinbarte differenzierte Preisabrede gegen den Schutzzweck von § 577 Abs. 5 BGB verstoße und deshalb unwirksam sei, soweit diese einen um 16.326,67 EUR höheren Kaufpreis bestimme für den Fall, dass der Mieter sein Vorkaufsrecht ausübt und die Wohnung deshalb als unvermietet verkauft gilt. Das Landgericht Berlin hat weiter ausgeführt, dass auch der unterschiedliche Wertzuwachs im Fall einer unvermieteten und einer vermieteten Wohnung eine solche Abrede nicht rechtfertige. Der Käufer gehe im Fall des Bestehens eines Mietervorkaufsrechts grundsätzlich von einer vermieteten Wohnung aus. Auch die Möglichkeit des Mieters, die Wohnung nach Erwerb zu einem höheren Preis weiterzuveräußern und somit einen Gewinn zu erzielen, spreche nicht dagegen, denn die gewinnbringende Weiterveräußerun...

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