Leitsatz (amtlich)

1. Vorhaben, die nach dem Luftverkehrsgesetz planfeststellungsbedürftig sind, bedürfen einer Planrechtfertigung auch dann, wenn sie ausschließlich privatnützigen Zwecken dienen.

2. Das Luftverkehrsgesetz bietet eine rechtliche Grundlage dafür, bei dem unmittelbar nur privatnützigen Zwecken dienenden Werkflugplatz eines Flugzeugwerks die mittelbaren Auswirkungen einer Flugplatzerweiterung für das Gemeinwohl (Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen sowie Stärkung der regionalen Wirtschaftsstruktur durch Ausweitung der Produktion) in der Planfeststellung zu berücksichtigen, sofern auch unter diesem Gesichtspunkt eine Planrechtfertigung gegeben ist (hier bejaht für die Planfeststellung zur Ermöglichung der Produktion des Airbus A380 in Hamburg-Finkenwerder).

3. Solche mittelbaren Gemeinwohlzwecke können es rechtfertigen, von Fluglärm betroffene Anwohner auf die Inanspruchnahme von passivem Lärmschutz für ihre Häuser und auf eine Entschädigung für die Beeinträchtigung von Außenwohnbereiche zu verweisen.

4. Die durch einen Dauerschallpegel zu bestimmende Grenze, bis zu der ein durch Schutzmaßnahmen nicht zu verhindernder Fluglärm im Außenwohnbereich entschädigungslos hingenommen werden muss, liegt bei einem Flugplatz, der nur mittelbar dem gemeinen Wohl dient, niedriger als bei unmittelbar gemeinnützigen Verkehrsflugplätzen (hier angenommen mit einer Verminderung um 3 dB(A) bei einem Leq3-bewerteten Dauerschallpegel).

 

Nachgehend

BVerwG (Urteil vom 26.04.2007; Aktenzeichen 4 C 12.05)

 

Tenor

Das Verfahren wird hinsichtlich des Klägers zu 2) eingestellt; insoweit ist das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. August 2002 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wirkungslos.

Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen wird das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. August 2002 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Kläger zu 2) und 3) die Gerichtskosten je zur Hälfte und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen zu je 7/16. Von den bis zum 5. November 2004 entstandenen Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zu 2) und 3) je die Hälfte; die übrigen Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger zu 3).

Wegen der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der gegen ihn festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte und die Beigeladene wenden sich mit ihrer Berufung gegen die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses „DA-Erweiterung A3XX” vom 8. Mai 2000 durch das Verwaltungsgericht.

Mit ihrem Planfeststellungsbeschluss vom 8. Mai 2000 schuf die beklagte Planfeststellungsbehörde die Voraussetzungen für eine Erweiterung des Werksgeländes der Beigeladenen in Hamburg-Finkenwerder, um die Fertigung des Großraumflugzeugs A3XX – nunmehr A380 – zu ermöglichen. Der Planfeststellungsbeschluss lässt im Wesentlichen die Verfüllung einer etwa 170 ha großen Teilfläche des Mühlenberger Lochs und weitere wasserrechtlich bedeutsame Arbeiten zu, ferner die Verlängerung der Start- und Landebahn des Werkflugplatzes der Beigeladenen sowie eine Erhöhung der Zahl der dort zulässigen Flugbewegungen.

Das Mühlenberger Loch ist nach Absperrung der früheren Süderelbe im Gefolge der Sturmflut von 1962 eine gering durchströmte Bucht der Elbe mit tidebeeinflussten Vorland- und Süßwasserwattflächen. Das Gebiet wurde durch die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet Mühlenberger Loch vom 25. Mai 1982 (GVBl. S. 188) als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Es ist spätestens seit Anfang 1998 gegenüber der Kommission der Europäischen Gemeinschaft als Europäisches Vogelschutzgebiet im Sinne des § 19 a Abs. 2 Nr. 4 Bundesnaturschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. März 1987 (mit späteren Änderungen) – BNatSchG a.F. – und der Vogelschutz-Richtlinie der EG gemeldet. Ferner ist es dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit als potentielles Gebiet nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie – FFH-RL – benannt. Durch eine am 4. Mai 2000 in Kraft getretene Änderungsverordnung vom 23. November 1999 (GVBl. S. 264) wurde die in Streit stehende Teilfläche des Mühlenberger Lochs aus dem Landschaftsschutzgebiet ausgeschieden.

Das Flugzeugwerk der Beigeladenen in Hamburg-Finkenwerder besteht seit den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts. Es wurde im Laufe der Zeit mehrfach erweitert. Die Rechtsvorgänger der Beigeladenen entwickelten und produzierten dort seit Beginn der Airbus-Produktion Flugzeugteile, insbesondere Rumpfsektionen und Innenausstattungen. Ferner findet dort ...

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