Im Verhältnis einzelner Grundstücksnachbarn kann ein Wegerecht nicht schon durch ein Gewohnheitsrecht wegen jahrzehntelanger nachbarlicher Übung entstehen. Auf das Überqueren eines fremden Grundstücks kann ein Grundstückseigentümer dagegen dann bestehen, wenn zu seinen Gunsten ein Wegerecht im Grundbuch eingetragen ist. Außerhalb des Grundbuchs kann ein Wegerecht nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegrecht unter den Voraussetzungen des § 917 BGB bestehen.[1]

 
Praxis-Beispiel

Jahrzehntelange Duldung begründet kein Gewohnheitsrecht

Die Kläger sind Eigentümer dreier Grundstücke, die nebeneinander an einer öffentlichen Straße liegen und mit drei aneinandergrenzenden Häusern bebaut sind. Im rückwärtigen Teil dieser Grundstücke befinden sich Garagen, die baurechtlich nicht genehmigt sind. Die Beklagte ist Eigentümerin von Grundstücken, auf denen sich ein Weg befindet, über den die Kläger die Garagen und die rückwärtigen Bereiche ihrer vorne über die Straße erschlossenen Grundstücke erreichen. Eine Nutzung des Weges wurde seit Jahrzehnten durch frühere Eigentümer der Grundstücke und nach dem Eigentumsübergang auf die Beklagte durch diese selbst geduldet. Dann kündigte die Beklagte den "Leihvertrag über das vor über 30 Jahren bestellte, schuldrechtliche Wegerecht" zum 31.12.2016. Sie beabsichtigte, den Weg zu sperren, und begann mit dem Bau einer Toranlage. Die Kläger, die sich auf ein zu ihren Gunsten bestehendes Wegerecht, hilfsweise auf ein Notwegrecht berufen, verlangen von der Beklagten, die Sperrung des Weges zu unterlassen.

Das Landgericht entschied zugunsten der Kläger. Ebenso das OLG Köln, das die Berufung der Beklagten zurückwies. Denn die Kläger seien aufgrund eines zu ihren Gunsten bestehenden Gewohnheitsrechts zur Nutzung des Zuwegs zum rückwärtigen Bereich ihrer Grundstücke berechtigt. Dagegen wehrte sich die Beklagte vor dem BGH und bekam Recht. Der BGH hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück.

Die Kläger können sich nicht auf Gewohnheitsrecht berufen. Gewohnheitsrecht entsteht durch längere tatsächliche Übung, die dauernd und ständig, gleichmäßig und allgemein ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird. Als ungeschriebenes Recht enthält es eine generell-abstrakte Regelung; diese muss über den Einzelfall hinausweisen. Zwar muss Gewohnheitsrecht kein "Jedermann-Recht" sein. In dem Unterfall der sog. Observanz, bei der es sich um ein örtlich begrenztes Gewohnheitsrecht handelt, kann dieses auch im Verhältnis einer begrenzten Zahl von Eigentümern und Pächtern zueinander entstehen, etwa nur für eine Gemeinde oder die Mitglieder einer öffentlich- rechtlichen Körperschaft.[2]

Voraussetzung ist aber auch im Beispielsfall, dass die ungeschriebene Rechtsnorm, die die Beteiligten als verbindlich anerkennen, alle Rechtsverhältnisse einer bestimmten Art beherrscht. Gewohnheitsrecht kann als dem Gesetz gleichwertige Rechtsquelle allgemeiner Art nur zwischen einer Vielzahl von Rechtsindividuen und in Bezug auf eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen entstehen, nicht aber beschränkt auf ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn. Wie zuvor erwähnt: In einem konkreten Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn kann ein Wegerecht nach dem BGB außerhalb des Grundbuchs nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegrecht unter den Voraussetzungen des § 917 BGB entstehen, nicht aber durch eine – sei es auch jahrzehntelange – Übung unter Grundstücksnachbarn.

Ob den Klägern im entschiedenen Fall ein Notwegrecht gemäß § 917 Abs. 1 BGB zusteht, hatte nun das Oberlandesgericht zu prüfen, an das der BGH den Rechtsstreit zurückverwiesen hat. Dies wäre nach Ansicht des BGH der Fall, wenn die ordnungsmäßige Benutzung ihrer Grundstücke eine Zufahrt über die Grundstücke der Beklagten erforderlich machte. Soweit die Grundstücke nur zu Wohnzwecken genutzt werden, wird ein Notwegrecht allerdings schon deshalb ausscheiden, weil die im hinteren Bereich der Grundstücke der Kläger befindlichen Garagen baurechtlich nicht genehmigt und mangels Erschließung auch nicht genehmigungsfähig sind.

Soweit die Grundstücke gewerblich genutzt werden, kommt ein Notwegrecht hingegen grundsätzlich in Betracht, da bei einem Gewerbegrundstück etwa Be- und Entladevorgänge sowie das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem verbindungslosen Grundstücksteil für die ordnungsmäßige Benutzung erforderlich sein könnten und damit für diesen Teil eine Zufahrt erforderlich wäre.

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