Ist die Baugenehmigung für eine genehmigungspflichtige Freizeitanlage bestandskräftig geworden oder handelt es sich um eine genehmigungsfreie Anlage, stehen als Rechtsbehelfe

  • der Antrag auf nachträgliche Anordnungen bei der zuständigen Immissionsschutzbehörde und dessen verwaltungsgerichtliche Durchsetzung sowie
  • die öffentlich-rechtliche und die zivilrechtliche Unterlassungsklage

zur Verfügung. Mit deren Hilfe können sowohl technisch/organisatorische Maßnahmen zum Lärmschutz als auch Betriebszeitbeschränkungen durchgesetzt werden.

Vor diesen Rechtsbehelfen schützt auch nicht eine bestandskräftige Baugenehmigung. Denn auch wenn eine Baugenehmigung keine Aussage zu Betriebszeiten enthält, erlaubt sie nach Gerichtsmeinung keinen Betrieb der betreffenden Freizeitanlage "rund um die Uhr".[1] Unabhängig davon ändert auch eine bestandskräftige Baugenehmigung nichts an der Beachtung der immissionsschutzrechtlichen Grundpflicht des § 22 Abs. 1 BImSchG, bei Anlagenerrichtung und Anlagenbetrieb

  1. schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind und
  2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken.

Diese Grundpflicht ist nicht nur im Zeitpunkt der Errichtung der Freizeitanlage, sondern während ihrer gesamten Betriebsphase zu erfüllen.[2]

[1] So VGH München, Urteil v. 19.3.1997, 22 B 96.951, NVwZ 1999 S. 87 sowie nachfolgend VGH München, Beschluss v. 3.4.2018, 22 S 17.2080, wo sich der VGH mit einer Unterlassungspflicht von Verstößen gegen die in der Entscheidung aus 1997 getroffene Anzahl der Veranstaltungen beschäftigt hat.
[2] So BVerwG, Urteil v. 23.9.1999, 4 C 6.98, DÖV 2000 S. 463.

6.1 Nachträgliche Anordnungen

Die Beachtung der immissionsschutzrechtlichen Grundpflicht des § 22 Abs. 1 BImSchG, schädliche Umwelteinwirkungen durch den Anlagenbetrieb zu vermeiden oder zu vermindern, soweit dies nach dem Stand der Technik möglich ist, und unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken, kann von der zuständigen Immissionsschutzbehörde jederzeit durch Anordnungen nach § 24 BImSchG durchgesetzt werden. Als Gegenstand derartiger Anordnungen kommen technische Schutzmaßnahmen etwa bei Lautsprecheranlagen, eine für die Anwohner lärmmindernde Aufstellung geräuschintensiver Geräte und Einrichtungen im Freien, eine lärmmindernde Gestaltung der An- und Abfahrtswege sowie der Parkplätze für motorisierte Besucher und schließlich zeitliche Beschränkungen des Betriebs infrage.[1]

Anordnungen nach § 24 BImSchG stehen im Ermessen der zuständigen Immissionsschutzbehörde. Als Nachbar haben Sie aber einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Den Anspruch können Sie mithilfe der Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) verwaltungsgerichtlich durchsetzen.

Klagebefugt sind Sie als Nachbar i. S. d. Immissionsschutzrechts. Im Gegensatz zu dem engeren Begriff des Nachbarn im Baurecht, das darunter nur Inhaber dinglicher Rechte an einem Grundstück versteht, sind Sie nicht nur als Eigentümer eines Grundstücks, sondern auch als Mieter oder Pächter Nachbar i. S. d. Immissionsschutzrechts.[2]

[1] OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 25.5.2016, 4 B 581/16.
[2] Vgl. BVerwG, Urteil v. 7.5.1996, 1 C 10.95, DVBl 1996 S. 1192; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 25.5.2016, 4 B 581/16.

6.2 Öffentlich-rechtliche Unterlassungsklage

Mit der öffentlich-rechtlichen Unterlassungsklage (auch öffentlich-rechtliche Immissionsabwehrklage genannt) können Sie sich als Nachbar zur Wehr setzen, wenn es um die Abwehr erheblicher Lärmbelästigungen durch eine schlicht-hoheitlich betriebene kommunale Anlage etwa in Form eines gemeindlichen Bürgerhauses oder eines von der Gemeinde organisierten Volksfestes geht.

Beim öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch handelt es sich um einen in Literatur und Rechtsprechung allgemein anerkannten öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch gegen Beeinträchtigungen durch schädliche Umwelteinwirkungen i. S. v. § 22 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG durch schlicht-hoheitliches Handeln.[1] Dieser Anspruch setzt nach der Rechtsprechung unabhängig von seiner konkreten Ableitung – etwa aus den Grundrechten oder einer entsprechenden Anwendung des § 1004 BGB – voraus, dass der Nachbar einer schlicht-hoheitlich betriebenen Freizeitanlage oder einer schlicht-hoheitlich organisierten Veranstaltung

  1. in seinen rechtlich geschützten Rechtsgütern beeinträchtigt wird und
  2. zur Duldung dieser Beeinträchtigung nicht verpflichtet ist.

Schlicht-hoheitliches Handeln ist nach Meinung der Gerichte dann anzunehmen, wenn eine Kommune öffentliche Einrichtungen schafft und unterhält, die für das kulturelle und soziale Wohl ihrer Einwohner erforderlich und gedacht sind oder Veranstaltungen als schlicht-hoheitliche Aufgabe im Bereich der Daseinsvorsorge organisiert.[2]

Die öffentlich-rechtliche Unterlassungsklage können Sie mithilfe der allgemeinen Leistungsklage (§ 40 Abs. 1 VwGO) im Verwaltungsrechtsweg durchsetzen. Die allgemeine Leistungsklage ist nach Gerichtsmeinung auch als vorbeugende Unterlassungsklage zuläs...

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