Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Anwendbarkeit. Begriff ‚aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse’. Befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor. Maßnahmen zur Vermeidung und Ahndung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge. Begriff der solche Verträge rechtfertigenden ‚sachlichen Gründe’. Gleichwertige gesetzliche Maßnahmen. Verpflichtung, das nationale Recht unionsrechtskonform auszulegen. Wirtschaftskrise

 

Normenkette

Richtlinie 1999/70/EG; EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge Paragraf 5

 

Beteiligte

Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario

Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario

JN

 

Tenor

1. Paragraf 5 Nr. 1 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung in der Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, die zum einen vor Beendigung der Auswahlverfahren zur endgültigen Nachbesetzung freier Stellen von Arbeitnehmern im öffentlichen Sektor die Verlängerung befristeter Verträge ohne Angabe einer genauen Frist für den Abschluss dieser Verfahren erlaubt und zum anderen sowohl die Gleichstellung dieser Arbeitnehmer mit „unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmern” als auch die Gewährung einer Entschädigung für diese Arbeitnehmer untersagt. Es zeigt sich nämlich, dass diese nationale Regelung vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen keine Maßnahme zur Verhinderung und etwaigen Ahndung des missbräuchlichen Einsatzes aufeinanderfolgender befristeter Verträge enthält.

2. Paragraf 5 Nr. 1 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 1999/70 ist dahin auszulegen, dass rein wirtschaftliche Erwägungen im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise von 2008 nicht rechtfertigen können, dass jegliche Maßnahme zur Verhinderung und Ahndung des Einsatzes aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge im nationalen Recht fehlt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Oberstes Gericht von Madrid, Spanien) mit Entscheidung vom 23. September 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Oktober 2019, in dem Verfahren

Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario

gegen

JN

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Kumin (Berichterstatter) sowie des Richters P. G. Xuereb und der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, vertreten durch L. Santiago Lara, letrada,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch L. Aguilera Ruiz und S. Jiménez García als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Ruiz García, M. van Beek und I. Galindo Martín als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43) enthalten ist.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario (Madrider Institut für Forschung und Entwicklung des ländlichen Raums, der Landwirtschaft und des Lebensmittelbereichs der Autonomen Gemeinschaft Madrid, Spanien) (im Folgenden: Imidra) und JN wegen der Auflösung des zwischen dem Imidra und JN geschlossenen befristeten Arbeitsvertrags zur vorübergehenden Besetzung einer freien Planstelle.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70 lautet:

„Bezüglich der in der Rahmenvereinbarung verwendeten, jedoch nicht genau definierten Begriffe überlässt es diese Richtlinie – wie andere im Sozialbereich erlassene Richtlinien, in denen ähnliche Begriffe vorkommen – den Mitgliedstaaten, diese Begriffe entsprechend ihrem nationalen Recht und/oder ihrer nationalen Praxis zu definieren, vorausgesetzt, diese Definitionen entsprechen inhaltlich der Rahmenvereinbarung.”

Rz. 4

In Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 10. Juli 2001 nachzukommen, oder ver...

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