4.1 Einführung

Ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom 17.5.2023 will den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz zur Durchführung rein virtueller Wohnungseigentümerversammlungen verleihen. § 23 Abs. 2a Satz 1 WEG-E sieht insoweit vor, dass die Wohnungseigentümer mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschließen können, dass die Versammlungen innerhalb eines Zeitraums von längstens 3 Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters an einem Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann.

Die bereits bestehende Kompetenz zur einfachmehrheitlichen Beschlussfassung zur Ermöglichung der Online-Teilnahme an Präsenzversammlungen (Hybrid-Versammlung), soll unverändert bestehen bleiben. Die Wohnungseigentümer würden künftig also die Wahl haben, Eigentümerversammlungen in Präsenz, hybrid oder rein virtuell durchzuführen.

 

Wortlaut des § 23 Abs. 2a WEG-E

"Die Wohnungseigentümer können mit mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschließen, dass die Versammlung innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters an einem Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann (virtuelle Wohnungseigentümerversammlung). Die virtuelle Wohnungseigentümerversammlung muss hinsichtlich der Teilnahme und Rechteausübung mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein."

Die Möglichkeit der Durchführung rein virtueller Eigentümerversammlungen bietet sowohl für Verwalter als auch für Wohnungseigentümer unbestreitbare Vorteile auch gegenüber einer hybriden Versammlung. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass zur Durchführung der Versammlung keine Versammlungsräume mehr angemietet werden müssen sowie Zeit und Kosten der An- und Abreise entfallen. Bei beschlossener Ermöglichung der Teilnahme in elektronischer Form entfallen auch die Kosten für die im Versammlungsraum erforderliche Technik zur Ermöglichung der Online-Teilnahme.

Nachteilig kann die rein virtuelle Durchführung von Eigentümerversammlungen freilich für technisch nicht versierte und insbesondere betagte Wohnungseigentümer sein. Insoweit aber ist zu berücksichtigen, dass diese Wohnungseigentümer an der Teilnahme zur Willensbildung nicht ausgeschlossen sind, weil sie entweder Vertretungsvollmacht erteilen können oder gegebenenfalls die Möglichkeit haben, an der Versammlung bei einem anderen Wohnungseigentümer im Rahmen einer Art "Nachbarschaftshilfe" teilnehmen zu können.

4.2 Erforderliche Mehrheit

Der Beschluss erfordert eine Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen. Abgestellt wird also, wie sonst auch, auf das Quorum der in der beschlussfassenden Versammlung anwesenden Wohnungseigentümer. Ebenso wie sonst auch, erfolgt die Abstimmung nach dem jeweils geltenden Stimmprinzip, also dem Kopfprinzip des § 25 Abs. 2 WEG oder einem hiervon abweichend vereinbarten Stimmprinzip (etwa nach Objekten oder Miteigentumsanteilen).

Bei allem bleibt stets zu berücksichtigen, dass nach § 25 Abs. 1 WEG jede Versammlung beschlussfähig ist, soweit nur ein Eigentümer anwesend oder vertreten ist. Da auf die Mehrheit der in der Versammlung abgegebenen Stimmen abgestellt wird, könnte im Fall geringer Teilnahmezahl ggf. eine Minderheit die Einführung der virtuellen Wohnungseigentümerversammlung beschließen, so sie nur die 75%-Grenze der in der Versammlung anwesenden Wohnungseigentümer erreicht. Allerdings ist die Beschlussfassung im Ladungsschreiben anzukündigen und angesichts der Bedeutung des Beschlussgegenstands damit zu rechnen, dass wohl eine Vielzahl der Wohnungseigentümer an der Versammlung teilnehmen wird.

 

Keine doppelte Qualifizierung

Anders als § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG sieht § 23 Abs. 2a WEG-E keine doppelte Qualifizierung vor, sondern nur eine einfache, weil die abgegebenen Stimmen nicht zugleich eine bestimmte Anzahl von Miteigentumsanteilen repräsentieren müssen.

4.3 Beschlussalternativen

  • Zunächst können die Wohnungseigentümer für einen bestimmten Zeitraum – maximal 3 Jahre – beschließen, dass Eigentümerversammlungen als reine Online-Versammlungen durchzuführen sind.

    • Präsenzversammlungen oder Hybridversammlungen sind dann nicht möglich.
    • Innerhalb dieses Zeitraums können sie aber beschließen, dass Wohnungseigentümerversammlungen wieder hybrid durchgeführt werden, wenn dies ursprünglich beschlossen worden ist, oder als reine Präsenzversammlungen, wenn ursprünglich nicht beschlossen wurde, dass Eigentümerversammlungen hybrid durchzuführen sind.
  • Die Wohnungseigentümer können auch beschließen, dass Eigentümerversammlungen als reine Online-Versammlungen durchgeführt werden können. Durch Geschäftsordnungsbeschlüsse können sie die konkreten Details regeln.

    • So könnte beispielsweise beschlossen werden, dass die ordentliche jährliche Eigentümerversammlung hybrid durchgeführt wird, während außerordentliche Eigentümerversammlungen virtuell durchgeführt werden.
    • Wird dies nicht beschlossen, liegt es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dann im Ermessen des Verwalt...

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