Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 31.01.2023; Aktenzeichen 11 L 1/21) |
VG Magdeburg (Urteil vom 01.12.2020; Aktenzeichen 15 A 10/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 31. Januar 2023 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Rz. 1
Der Beklagte wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Rz. 2
1. Der 1966 geborene Beklagte steht als Polizeihauptmeister im Bundesgrenzschutz (Besoldungsgruppe A 9 BBesO) im Dienst der Klägerin. Im April 2016 leitete die Klägerin gegen den Beklagten u. a. wegen des Verstoßes gegen die Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen ein Disziplinarverfahren ein, das mehrfach auf weitere Vorwürfe ausgedehnt wurde. Mit Bescheid vom 30. Juni 2017 stellte die Klägerin die Polizeidienstunfähigkeit des Beklagten fest und teilte ihm mit, dass ein Laufbahnwechsel als vorrangige Maßnahme vor einer Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand beabsichtigt sei. Hiergegen erhob der Beklagte Widerspruch, über den bislang nicht entschieden worden ist.
Rz. 3
Im Februar 2018 wurde der Beklagte mit sofortiger Wirkung unter Kürzung seiner Dienstbezüge vorläufig des Dienstes enthoben. Im März 2019 hat die Klägerin Disziplinarklage erhoben mit dem Ziel, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Das Verwaltungsgericht hat das Disziplinarverfahren auf den gegen den Beklagten erhobenen Vorwurf beschränkt, vom 2. März bis zum 23. August 2016 an 56 Tagen Streifendienste weisungswidrig nicht durchgeführt zu haben, und den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe ein Dienstvergehen begangen, weil er im Zeitraum vom 2. März 2016 bis zum 23. August 2016 an insgesamt 56 Tagen den am 2. März 2016 mündlich und an den sonstigen Tagen schriftlich erteilten Weisungen seiner unmittelbaren Vorgesetzten zur Durchführung von Streifengängen nicht nachgekommen sei. Der Beklagte sei nach den zu diesem Zeitpunkt vorliegenden (amts-)ärztlichen Stellungnahmen hinreichend dienstfähig gewesen, die nach Art und Umfang speziell auf seine gesundheitliche Situation abgestimmten Streifenaufträge zu erfüllen. Dass auch die eingeschränkten Streifenaufträge Schmerzen in den Beinen des Beklagten verursachen würden, habe sich aus den eingeholten ärztlichen Stellungnahmen nicht ergeben. Der Beklagte habe nicht einmal den Versuch unternommen, die Streifenaufträge zu erfüllen. Bei Auftreten von Schmerzen wäre er zu einer Verweigerung der (weiteren) Erfüllung des jeweiligen Streifenauftrages berechtigt gewesen und hätte einen Arzt aufsuchen müssen. Entsprechendes gelte, soweit der Beklagte schon bei Erteilung der Streifenaufträge über Schmerzen geklagt habe. Seine unmittelbaren Dienstvorgesetzten hätten ihn stets aufgefordert, einen Arzt aufzusuchen. Dem sei er nicht nachgekommen. Das unberechtigte Fernbleiben vom Dienst und die Verletzung der Pflicht, dienstliche Anordnungen zu befolgen, stelle ein schwerwiegendes innerdienstliches Dienstvergehen des Beklagten dar, das nach einer Gesamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigender be- und entlastender Umstände seine Entfernung aus dem Dienst erfordere.
Rz. 5
2. Die auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 69 BDG i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 69 BDG i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.
Rz. 6
a) Die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 69 BDG i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
Rz. 7
aa) Die Rüge eines Verstoßes gegen den sog. Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO greift nicht durch. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur der Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also beispielsweise entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert. Die Einhaltung der verfahrensmäßigen Verpflichtungen des Tatsachengerichts ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter ein aus seiner Sicht fehlerhaftes Ergebnis der gerichtlichen Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil. Die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Beweiswürdigung eingegangen sind und ob diese Einzelumstände die Würdigung tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht begründen. Ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz hat jedoch dann den Charakter eines Verfahrensfehlers, wenn das Tatsachengericht allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Februar 2017 - 2 B 2.16 - juris Rn. 15 und vom 8. Juni 2017 - 2 B 5.17 - juris Rn. 17). Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16 sowie Beschlüsse vom 23. September 2013 - 2 B 51.13 - juris Rn. 19 und vom 28. März 2017 - 2 B 9.16 - juris Rn. 17). Dass die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts an einem derart qualifizierten Mangel leidet, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.
Rz. 8
Das Berufungsgericht hat sich nicht dadurch in einen Wertungswiderspruch gesetzt, dass es entgegen dem seiner Entscheidung zugrunde gelegten Grundsatz, der Nachweis der Dienstfähigkeit obliege der Klägerin als Dienstherrin, gleichwohl von dem Beklagten den Nachweis der Dienstunfähigkeit verlangt habe. Die Beschwerde hat die tragenden Erwägungen der Berufungsentscheidung zum unberechtigten Fernbleiben vom Dienst gemäß § 96 Abs. 1 BBG nicht erfasst. Das Berufungsgericht hat - im Übrigen zutreffend - angenommen, dass die Dienstfähigkeit des Beamten ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des unberechtigten Fernbleibens vom Dienst i. S. d. § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG ist, die vom Dienstherrn nachzuweisen ist. Aus der beamtenrechtlichen Verpflichtung des § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG, Dienstunfähigkeit infolge Krankheit auf Verlangen nachzuweisen, ergebe sich aber eine Mitwirkungspflicht des Beamten, bei deren Verletzung er dem Dienst unerlaubt fernbleibe.
Rz. 9
Ausgehend davon hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Beklagte nach den (amts-)ärztlichen Stellungnahmen im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht polizeidienstunfähig und für die mit den dienstlichen Weisungen geforderten - eingeschränkten - Streifendienste hinreichend dienstfähig gewesen ist; erst mit Bescheid vom 30. Juni 2017 sei die Polizeidienstunfähigkeit des Beklagten für die Zukunft festgestellt worden. Entgegen der Beschwerde hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang plausibel darauf abgestellt, dass dienstorganisatorische Maßnahmen - wie die auf den gesundheitlichen Zustand des Beklagten abgestimmten, nach Art und Umfang eingeschränkten Streifendienste - für einen Übergangszeitraum geeignet sein können, eine (zunächst) attestierte gesundheitliche Einschränkung des betroffenen Beamten - hier des Beklagten - zu kompensieren, bis die volle Dienstfähigkeit wiedererlangt wird.
Rz. 10
Weiter hat das Berufungsgericht aber angenommen, dass der Beklagte den nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG ergangenen dienstlichen Anordnungen nicht nachgekommen ist, seine krankheitsbedingte Einsatzunfähigkeit nachzuweisen, und deshalb dem Dienst unerlaubt ferngeblieben ist. Die dieser Würdigung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen (vgl. UA S. 25), bei der Verweigerung der erteilten Streifendienste sei der Beklagte stets von seinen unmittelbaren Vorgesetzten aufgefordert worden, einen Arzt aufzusuchen, was der Beklagte abgelehnt habe, hat die Beschwerde nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen (§ 137 Abs. 2 VwGO). Entgegen der Beschwerde liegt darin keine aktenwidrige Feststellung des Sachverhalts. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zu Anordnungen der unmittelbaren Vorgesetzten des Beklagten stehen nicht in Widerspruch zu den "ergänzenden Hinweisen" in der E-Mail von Dr. F. vom 1. April 2016 (vgl. Beiakte D, Verwaltungsvorgang, Unterlagen zu dem Vorwurf D 2, Bl. 8). Dr. F. war auch nicht unmittelbarer Vorgesetzter des Beklagten, sondern hatte die Funktion Leiter Sachbereich Personal der Bundespolizeidirektion P. inne.
Rz. 11
Im Übrigen ist die Beschwerdebegründung durchgängig dadurch gekennzeichnet, dass sie ihre eigenen Wertungen an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts setzt. Dies genügt den Anforderungen für die Darlegung eines Verfahrensmangels nicht.
Rz. 12
bb) Nicht verfahrensfehlerhaft war überdies die Ablehnung des Beweisantrags, zum Beweis der Tatsache, dass mit dem Auftreten einer körperlich fordernden polizeilichen Situation jederzeit gerechnet und ein unmittelbares Reagieren sichergestellt werden muss, dass diesen Anforderungen auch durch dienstorganisatorische Maßnahmen nicht begegnet werden kann und dass Einsätze meist von einem dynamischen Verlauf gekennzeichnet sind, den damaligen Präsidenten der Bundespolizeidirektion P. Herrn B. und Herrn Polizeioberrat Dr. S. als Zeugen zu vernehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag zu Recht mangels Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsachen abgelehnt. Der Beweisantrag zielt, wie die Beschwerde durch ihre Bezugnahme auf den Inhalt des Bescheids der Klägerin vom 30. Juni 2017 über die Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit (Anlage BK 5, Bl. 151 GA) selbst zeigt, auf Anforderungen an standardmäßige oder typischerweise durchzuführende Streifentätigkeiten im Polizeidienst. Darauf kam es aber aus Sicht des Berufungsgerichts nicht an, sondern auf die konkreten - eingeschränkten - Streifendienste, die der Beklagte im Hinblick auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen für einen Übergangszeitraum bis zur Wiedererlangung seiner vollen Dienstfähigkeit wahrnehmen sollte (vgl. UA S. 27 f.).
Rz. 13
Außerdem ist die Ablehnung des Beweisantrags nicht verfahrensfehlerhaft, soweit er sich auch darauf bezogen hat, ob Streifenaufträge, welchem dem Beklagten seit März 2016 erteilt wurden, in der Praxis und unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes des Beklagten, welcher kein Rennen und keine Konfliktsituationen bedingt, für den Beklagten nicht zumutbar ("durchführbar") waren. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beweisantrag insofern zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass er sich nicht auf Tatsachen, sondern auf rechtliche Wertungen bezieht, die dem Zeugenbeweis nicht zugänglich sind.
Rz. 14
Ob der Beweisantrag auch aus den weiteren Gründen abzulehnen war, auf die das Oberverwaltungsgericht ergänzend abgestellt hat und gegen die sich die Beschwerde auch wendet, kann dahinstehen.
Rz. 15
b) Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 69 BDG i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Rz. 16
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4, vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom 24. April 2017 - 1 B 70.17 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 68 Rn. 3).
Rz. 17
aa) Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen,
"Kann einem Beamten, welchem aufgrund seiner Dienstunfähigkeit kein unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst zur Last gelegt werden kann, aufgrund desselben Sachverhalts gleichwohl eine Verletzung der Folgepflicht zur Last gelegt werden?",
"Kann einem Beamten die Verletzung der Folgepflicht zur Last gelegt werden, wenn dieser eine dienstliche Anweisung nicht befolgt und ausführt hinsichtlich welcher er nicht dienstfähig war?",
"Ist die Dienstfähigkeit auch ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Folgepflicht, wenn der Beamte wegen seines körperlichen Befindens nicht imstande ist, dienstliche Anweisungen zu befolgen und auszuführen?",
"Verletzt eine dienstliche Anordnung die Würde des Menschen im Sinne des § 63 Abs. 2 BBG, wenn der Beamte wegen seines körperlichen Befindens nicht imstande ist, diese zu befolgen und auszuführen?",
führen nicht zur Zulassung der Revision. Die Beschwerde hat die Grundsatzrügen unter die Bedingung gestellt, dass das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft angenommen hat, dass der Beklagte dem Dienst wegen Dienstunfähigkeit nicht unerlaubt ferngeblieben ist (vgl. Beschwerdebegründung S. 9, 11). Durchgreifende Verfahrensrügen hat die Beschwerde insoweit aber - wie ausgeführt - nicht geltend gemacht.
Rz. 18
bb) Schließlich haben die von der Beschwerde bezeichneten Fragen,
"Entbindet die rechtliche Würdigung des Dienstherrn, wonach Milderungsgründe nicht ersichtlich seien, den Dienstherrn von jeglicher Darstellung (offensichtlicher) entlastender Umstände innerhalb der Disziplinarklageschrift?",
"Liegt nur dann ein Mangel der Disziplinarklageschrift vor, wenn aus der Disziplinarklageschrift nicht eindeutig hervorgeht, welche konkreten Handlungen dem Beamten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden, sowie nicht erkennbar wird, gegen welche Dienstpflichten das angeschuldigte Verhalten des Beamten verstoßen soll und ob dem Beamten Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last gelegt wird?",
keine grundsätzliche Bedeutung. Dies folgt bereits daraus, dass die Antwort auf die benannten Fragen von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt und damit einer Grundsatzrüge nicht zugänglich ist.
Rz. 19
Nach § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG muss die Klageschrift den persönlichen und beruflichen Werdegang des Beamten, den bisherigen Gang des Disziplinarverfahrens, die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, müssen aus sich heraus verständlich geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass sich der Beamte gegen die gegen ihn erhobenen disziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann. Zugleich werden durch eine den Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG genügende Klageschrift Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festgelegt (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2023 - 2 B 12.22 - juris Rn. 8). Ob eine Disziplinarklageschrift diesen Anforderungen genügt, bestimmt sich nach den Umständen im konkreten Einzelfall und entzieht sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung.
Rz. 20
Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Soweit eine Disziplinarklageschrift den Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG nicht genügt, haftet ihr allerdings in der Regel ein wesentlicher Mangel im Sinne von § 55 BDG an. Dieser Mangel kann einen Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nach sich ziehen, wenn das Berufungsgericht die sich aus § 65 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG ergebende Verpflichtung verletzt hat, auf die Beseitigung des wesentlichen Mangels durch den Dienstherrn hinzuwirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. August 2020 - 2 B 41.19 - juris Rn. 8 m. w. N.). Vorliegend hat das Berufungsgericht die Angabe in der Disziplinarklageschrift ausreichen lassen, dass Milderungsgründe nicht ersichtlich seien. Es hat keinen durchgreifenden Mangel der Klageschrift darin gesehen, dass die vom Beklagten als entlastend angesehenen Umstände (u. a. Erkenntnisse zu seiner Dienstunfähigkeit, die im Vorfeld zum Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleiteten Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand und die praktische Umsetzbarkeit seines Einsatzes als Kontroll- und Streifenbeamter) in der Darstellung fehlten (vgl. UA S. 17). Dass das Berufungsgericht damit gegen § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG verstoßen hat, hat die Beschwerde nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht.
Rz. 21
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.
Fundstellen
Dokument-Index HI16191228 |