Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweiswert einer Quittung für den Nachweis einer Barzahlung/Insolvenzanfechtung bei Tilgung einer Darlehensforderung vor Fälligkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Bindung des Berufungsgerichts an die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts.

2. Zum Beweiswert einer Quittung (hier: Nachweis einer Barzahlung des Kaufpreises). Die Indizwirkung einer Quittung für den Nachweis der Erfüllung der Verbindlichkeit ist im Interesse des Vertrauensschutzes und der Sicherheit des Rechtsverkehrs nicht gering zu veranschlagen. Zur Entkräftung dieser Indizwirkung bedarf es tragfähiger Anhaltspunkte, die den Verdacht der inhaltlichen Unrichtigkeit der Quittung ernstlich nahe legen.

3. Zum Nachweis der Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO (hier: Tilgung einer Darlehensforderung des Schuldners vor Fälligkeit; keine "unkongruente Deckung").

 

Normenkette

BGB §§ 362, 368; InsO § 133; ZPO § 529

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 27.11.2006; Aktenzeichen 14 O 126/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 27.11.2006 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt (Oder) - 14 O 126/06 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von 8.700 EUR unter dem Gesichtspunkt der Kaufpreisforderung und hilfsweise aufgrund einer Insolvenzanfechtung in Anspruch.

Der Kläger ist durch Beschluss des AG Frankfurt (Oder) vom 23.5.2005 - 3.3. IN 429/04 - zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. GmbH, ... (im Folgenden: H. GmbH) bestellt worden. Geschäftsführer und Alleingesellschafter der H. GmbH war der Sohn des Beklagten, der Streitverkündete S.H. Der Beklagte war bei der H. GmbH als Angestellter tätig.

Aufgrund Kreditvertrages vom 1.2.2002 gewährte S.H. der H. GmbH ein Darlehen über 4.621,93 EUR. Aufgrund weiteren Kreditvertrages vom 30.4.2003 gab der Beklagte der H. GmbH ein Darlehen über 4.000 EUR. Am 10.8.2004 beschloss die Gesellschafterversammlung der H. GmbH "zur Wiederherstellung der Liquidität und der Zahlungsfähigkeit" u.a. den Verkauf mehrerer Fahrzeuge, hierunter auch des Lkw Renault Master mit dem amtlichen Kennzeichen ... (im Folgenden: Lkw). Gemäß Beschlüssen der Gesellschafterversammlung der H. GmbH vom 18.8.2004 stellten der Beklagte und S.H. ihre Darlehen über 4.000 EUR und 4.621,93 EUR zur Rückzahlung bis zum 30.9.2004 fällig; die Rückzahlungen sollten "in Abhängigkeit der zur Verfügung stehenden Liquidität innerhalb der gesetzten Frist" erfolgen. Am 18.8.2005 schlossen die H. GmbH, vertreten durch S.H., und der Beklagte einen Vertrag über den Verkauf des Lkw für einen Preis von 8.700 EUR an den Beklagten. Als Übergabezeitpunkt wurde der 1.9.2004 vereinbart. Im unteren Drittel des Kaufvertragsformulars befindet sich eine vorgedruckte "Quittung", welche von S.H. und dem Beklagten am 1.9.2004 unterzeichnet worden ist. Darin "bestätigt der Verkäufer den Erhalt von 8.700 EUR"; das darunter befindliche Ankreuzfeld mit der Bezeichnung "in bar" ist nicht angekreuzt. Am 20.9.2004 stellte die H. GmbH dem Beklagten für den Kauf des Lkw eine "Rechnung 00229/04" über 8.700 EUR (7.500 EUR zzgl. 16 % Umsatzsteuer), die mit den Worten schließt: "Wir bitten um Zahlung bis zum 4.10.2004. Die gelieferte Ware bleibt bis zur endgültigen Bezahlung unser Eigentum." Am 20.9.2004 wurden bei der H. GmbH u.a. folgende Buchungen vorgenommen: "ZE 229/04 Verkauf BAR-X 658": 78,07 EUR und 8.621,93 EUR; "Tilgung Kredit": 4.621,93 EUR und 4.000 EUR.

Mit Schreiben vom 14.3.2006 forderte der Kläger den Beklagten auf, die Rechnung vom 20.9.2004 zu bezahlen, was der Beklagte mit Schreiben vom 15.3.2006 unter Hinweis auf die Zahlung des Kaufpreises gem. Quittung vom 1.9.2004 ablehnte.

Der Kläger hat geltend gemacht, der Beklagte sei zur Zahlung des Kaufpreises für den Lkw verpflichtet. Der Beklagte habe die Kaupreisforderung nicht erfüllt. Die "Quittung" vom 1.9.2004 sei inhaltlich unrichtig. Dies ergebe sich daraus, dass für den 1.9.2004 bei der H. GmbH kein entsprechender Zahlungseingang gebucht worden sei, sowie aus der Rechnung und den Buchungen vom 20.9.2004. Die Buchungen vom 20.9.2004 deuteten auf eine "Verrechnung" des Kaufpreises mit den Darlehensschulden der H. GmbH. Hierbei handele es sich jedoch um einen bloß internen Vorgang der H. GmbH, dem keine Erfüllungswirkung zukomme. Die Darlehen seien im Übrigen noch nicht zur Rückzahlung fällig gewesen und die Rückzahlung der Darlehen im Verrechnungswege gem. §§ 138, 133 InsO anfechtbar; mit der Rückzahlung der Darlehen sei eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung verbunden; dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass die H. GmbH schon im August 2004 zahlungsunfähig gewesen sei; die H. GmbH habe sich schon seit 2002 in der Krise befunden. Der Beklagte hafte daher jedenfalls aus § 143 InsO.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 8.700 EUR nebst Zinsen i.H....

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