Leitsatz (amtlich)
§ 548 Abs. 1 BGB enthält für die von dieser Bestimmung erfassten Ansprüche des Vermieters eine abschließende Sonderregelung, die der allgemeinen Regelung des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB vorgeht, so dass eine Anspruchsverjährung vor Rückgabe der Mietsache an den Vermieter nicht eintreten kann, auch wenn die in der vorgenannten Vorschrift bestimmte Frist von 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an bereits im laufenden Mietverhältnis verstrichen ist (im Anschluss an BGH, Urteil vom 19. Januar 2005 - VIII ZR 114/04, BGHZ 162, 30, 37).
Normenkette
BGB § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 200 S. 1, § 548 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 11.03.2020; Aktenzeichen 64 S 51/19) |
AG Berlin-Charlottenburg (Entscheidung vom 17.01.2019; Aktenzeichen 239 C 189/17) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 64 - vom 11. März 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Kläger sind Eigentümer und Vermieter einer im Jahr 1981 von den Beklagten zu 1 und 2 gemieteten, im vierten Obergeschoss gelegenen Wohnung in Berlin. Die Beklagten zu 3 und 4 sind - neben der Beklagten zu 2 - Miterben des im Laufe des Rechtsstreits verstorbenen Beklagten zu 1.
Rz. 2
In den ersten Jahren des Mietverhältnisses - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor dem Jahr 1984 - statteten die Beklagten zu 1 und 2 das ursprünglich mit Holzdielen ohne Fußbodenentwässerung versehene Badezimmer mit einem Fliesenfußboden nebst Bodenabfluss aus. Die Arbeiten wurden nicht fachgerecht ausgeführt, weil eine Dichtung unterhalb der Fliesen nicht erstellt wurde.
Rz. 3
Am 8. Juli 2016 drang in dem unmittelbar darunter gelegenen Badezimmer der Wohnung im dritten Obergeschoss schwallartig Wasser durch die Decke. Im Zuge der Schadensaufnahme wurde festgestellt, dass die Decke einsturzgefährdet war, weil mehrere Deckenbalken durch über Jahre eingedrungene Feuchtigkeit beschädigt worden waren.
Rz. 4
Mit der während des fortdauernden Mietverhältnisses im Jahr 2017 erhobenen Klage haben die Kläger geltend gemacht, die - auf den Rollstuhl angewiesene - Beklagte zu 2 habe während der letzten zwanzig Jahre regelmäßig außerhalb der Badewanne geduscht, so dass Wasser durch den unzureichend abgedichteten Fliesenboden in die darunter gelegene Holzkonstruktion eingedrungen sei. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.
Rz. 5
Die zuletzt auf die Zahlung von 37.643,09 € nebst Zinsen sowie auf die Feststellung gerichtete Klage, dass die Beklagten alle weiteren Kosten der Schadensbeseitigung durch eindringendes Wasser aufgrund nicht sach- und fachgerechter Ausführung von Umbaumaßnahmen im Badezimmer der Wohnung zu tragen hätten, ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Rz. 6
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Zahlungs- und Feststellungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision hat Erfolg.
I.
Rz. 8
Das Berufungsgericht (LG Berlin, WuM 2020, 337) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit im Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 9
Der auf § 280 Abs. 1 BGB gestützte Schadensersatzanspruch der Kläger sei gemäß Art. 229 §§ 5, 6 Abs. 3, 4 EGBGB in Verbindung mit § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB verjährt. Die schadensursächliche Pflichtverletzung - der unter Verstoß gegen die Regeln der Technik erfolgte Einbau der Bodenfliesen im Badezimmer - habe sich bereits vor 1984 und damit über 30 Jahre vor der Klageerhebung ereignet.
Rz. 10
Die insoweit maßgebliche Vorschrift des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB sei nicht deswegen unanwendbar, weil Schadensersatzansprüche des Vermieters wegen einer Beschädigung der Mietsache gemäß § 548 Abs. 1 BGB einer besonderen Verjährungsfrist unterlägen, für die gemäß § 200 BGB ein besonderer Verjährungsbeginn gelte. Denn § 199 BGB regele - anders als ursprünglich im Gesetzentwurf zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in der amtlichen Überschrift der Vorschrift vorgesehen (BT-Drucks. 14/4553, S. 3 [gemeint: BT-Drucks. 14/6040, S. 3]) - nicht allein den "Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist", sondern - wie der Rechtsausschuss des Bundestags hervorgehoben habe (BT-Drucks. 14/7052, S. 180) - darüber hinaus besondere "Verjährungshöchstfristen". Diese Fristen beanspruchten Geltung unabhängig vom Beginn der regelmäßigen Verjährung.
Rz. 11
Die Bestimmung des § 200 BGB regele nach ihrer Überschrift und ihrem Wortlaut nur den "Beginn" von Verjährungsfristen, die nicht der regelmäßigen Verjährung unterfielen. Dieser Vorschrift sei daher nicht ohne Weiteres zu entnehmen, dass § 199 BGB auch im Hinblick auf die in seinen Absätzen 2 bis 4 bestimmten "Verjährungshöchstfristen" außer Anwendung zu bleiben habe.
Rz. 12
Das folge auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 548 BGB, der nach der Entwurfsbegründung zum Mietrechtsreformgesetz von 2001 dafür Sorge tragen solle, "zeitnah zur Rückgabe der Mietsache eine möglichst schnelle Klarstellung über bestehende Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache zu erreichen" (vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 45). § 548 BGB sei nach den vorgenannten Gesetzesmaterialien "lex specialis zu § 198 BGB [aF]", welcher allein den Beginn der Verjährung geregelt habe.
Rz. 13
Auch der Bundesgerichtshof habe ausgesprochen, dass § 548 BGB im Sinne des § 200 BGB einen "anderen Verjährungsbeginn" bestimme (BGHZ 162, 30 ff.). Soweit der Bundesgerichtshof in der vorbezeichneten Entscheidung ausgeführt habe, § 199 Abs. 2 und 3 BGB bestimmten "jeweils Höchstfristen der regelmäßigen Verjährung" (BGHZ 162, 30, 37), handele es sich lediglich um ein obiter dictum. Die Frage, ob die in § 199 BGB geregelten Verjährungshöchstfristen ausschließlich Ansprüche beträfen, die der regelmäßigen Verjährung unterlägen, habe nicht zur Entscheidung gestanden.
Rz. 14
Die amtliche Überschrift des § 199 BGB sowie die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens sprächen entscheidend dafür, die Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB auch auf die in § 548 Abs. 1 BGB bezeichneten Ansprüche anzuwenden. Dagegen spreche zwar der Umstand, dass es der Vermieter im Vergleich zu einem typischen Gläubiger eines deliktischen Anspruchs bis zum Zeitpunkt der Rückerlangung der Mietsache schwerer habe, Kenntnis von der Verletzung seines Eigentums und dem Eintritt eines Schadens zu erlangen. Das sei jedoch nicht entscheidend, denn die absolute Verjährung greife auch dann, wenn ein Schaden bis zum Ablauf der Verjährungshöchstfrist noch gar nicht entstanden sei. Diesem Verjährungsrisiko seien Geschädigte unabhängig davon in gleicher Weise ausgesetzt, ob sie die beschädigte Sache untersuchen könnten oder nicht.
Rz. 15
Der Bestimmung des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB sei der gesetzgeberische Wille zu entnehmen, dass jedenfalls eine nicht unter § 826 BGB fallende mögliche Pflichtverletzung, die erst mehr als 30 Jahre später zu einem erkennbaren Schaden führe und dann in aller Regel nicht mehr verlässlich festgestellt werden könne, keinen durchsetzbaren Schadensersatzanspruch nach sich ziehen solle. Dies müsse auch für die vertragliche Haftung gelten.
Rz. 16
Ein späterer Anknüpfungspunkt als die fachlich fehlerhafte Badmodernisierung vor mehr als 30 Jahren komme für eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht. Dies gelte auch, wenn die Beklagte zu 2 sich über Jahrzehnte regelmäßig außerhalb der Badewanne geduscht haben sollte. Insoweit sei den Beklagten nicht einmal ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen, denn es sei nicht vorhersehbar gewesen, dass Wasser in das Gebälk unterhalb des Fliesenbodens eindringen und im Lauf der Zeit erhebliche Schäden verursachen könne.
Rz. 17
In Anbetracht dessen könne offenbleiben, ob es den Klägern auch im Hinblick auf die "versicherungsrechtliche Lösung" des Bundesgerichtshofs verwehrt sei, ihre Schadensersatzforderung gegen die Beklagten durchzusetzen.
II.
Rz. 18
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 19
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können wegen des Wasserschadens geltend gemachte Schadensersatzansprüche der Kläger aus § 280 Abs. 1 BGB, § 1967 BGB nicht verneint werden. Solche Ansprüche sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht verjährt.
Rz. 20
1. Die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung (§ 214 BGB) greift nicht durch. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts scheidet die Anwendung der Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB neben der vorrangigen Sonderregelung des § 548 Abs. 1 BGB aus.
Rz. 21
a) Da auf den im Jahr 1981 geschlossenen Mietvertrag gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2003 geltenden Fassung anzuwenden ist, richtet sich der von den Klägern erhobene vertragliche Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB und - soweit es sich um die Erben des früheren Beklagten zu 1 handelt - nach § 1967 BGB. Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt nicht verkannt hat - nach der für das Mietrecht geltenden Sondervorschrift des § 548 Abs. 1 BGB, welche im vorliegenden Fall gemäß der für das Verjährungsrecht geltenden Übergangsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB Anwendung findet (vgl. BGH, Urteile vom 19. Januar 2005 - VIII ZR 114/04, BGHZ 162, 30, 35; vom 4. Mai 2005 - VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004 unter II 1;; vom 23. Juni 2010 - XII ZR 52/08, NJW 2010, 2652 Rn. 12; vom 8. Januar 2014 - XII ZR 12/13, NJW 2014, 920 Rn. 15).
Rz. 22
Die von § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgesehene Verjährung von sechs Monaten beginnt - unabhängig von der Anspruchsentstehung (Senatsurteile vom 19. Januar 2005 - VIII ZR 114/04, BGHZ 162, 30, 35 ff.; vom 15. März 2006 - VIII ZR 123/05, NJW 2006, 1588 Rn. 9) - mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält (§ 548 Abs. 1 Satz 2, § 200 Satz 1 BGB). Der kurzen Verjährung unterliegen nicht nur mietvertragliche Ansprüche wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, sondern auch aus demselben Sachverhalt herrührende konkurrierende Ansprüche des Vermieters aus unerlaubter Handlung (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - VIII ZR 349/10, NZM 2011, 639 Rn. 12 mwN). Nach dieser Maßgabe ist - wovon auch das Berufungsgericht ausgeht - eine Anspruchsverjährung gemäß § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB im Streitfall nicht eingetreten, denn das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Kläger die Mietwohnung im Sinne dieser Vorschrift zurückerhalten haben.
Rz. 23
b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, die erhobenen Ansprüche seien jedoch gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB bereits während des laufenden Mietverhältnisses verjährt, weil sich die den Schaden auslösende Pflichtverletzung - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die vor dem Jahr 1984 vorgenommenen, nicht fachgerechten Fliesenarbeiten im Badezimmer der Wohnung - mehr als 30 Jahre vor der Klageerhebung zugetragen habe. Nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB verjähren sonstige (also andere als die § 199 Abs. 2 BGB genannten) Schadensersatzansprüche, unter anderem aus der Verletzung des Eigentums, ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an. Diese Bestimmung kommt im Streitfall indes nicht zum Tragen.
Rz. 24
Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Vorschrift des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB hier nicht anwendbar ist, weil § 548 BGB für bestimmte mietrechtliche Ansprüche eine abschließende Sonderregelung enthält, die der allgemeinen Bestimmung des § 199 Abs. 3 BGB vorgeht, so dass eine Verjährung solcher Ansprüche vor der Rückgabe der Mietsache nicht eintreten kann. Dafür sprechen nicht nur der Wortlaut (nachfolgend unter aa) und die Entstehungsgeschichte des § 548 Abs. 1 BGB (nachfolgend unter bb). Dies folgt vielmehr insbesondere auch aus der Gesetzessystematik (nachfolgend unter cc) und dem Sinn und Zweck der Vorschrift (nachfolgend unter dd). Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts findet im Gesetz keine Stütze.
Rz. 25
aa) Bereits der Wortlaut des § 548 Abs. 1 BGB deutet darauf hin, dass es sich um eine abschließende Regelung der Verjährung mietvertraglicher Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache handelt. Hätte der Gesetzgeber das Verhältnis zwischen § 548 Abs. 1 BGB und den in § 199 Abs. 2 bis 4 BGB normierten Höchstfristen, wie das Berufungsgericht meint, dahin verstanden wissen wollen, dass Ersatzansprüche des Vermieters schon während des laufenden Mietverhältnisses nach den § 199 Abs. 2 bis 4 BGB und - sofern danach nicht verjährt - zusätzlich ab Rückgabe der Mietsache nach § 548 Abs. 1 BGB verjähren, hätte es nahegelegen, dass dies, wie die Revision zu Recht geltend macht, im Wortlaut des § 548 Abs. 1 BGB zum Ausdruck gebracht worden wäre, sei es durch eine Wendung wie "spätestens" (Witt, NZM 2012, 545, 546; Peters in Festschrift "10 Jahre Mietrechtsreformgesetz", 2011, S. 353, 355; Gsell, NZM 2010, 71, 77 [zu § 548 Abs. 2 BGB]; siehe auch Lehmann-Richter, NZM 2009, 761, 763) oder durch einen Verweis auf im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelte Verjährungshöchstfristen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 21. Juni 2018 - IX ZR 171/16, WM 2018, 1372 Rn. 3 f. [zur Nichtanwendbarkeit der Verjährungshöchstfristen des § 199 Abs. 3 BGB neben der in § 62 Satz 2 InsO geregelten Verjährungsfrist]). An einem solchen Anhaltspunkt im Wortlaut des § 548 Abs. 1 BGB fehlt es jedoch.
Rz. 26
bb) Auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes spricht gegen eine Verjährung der von § 548 Abs. 1 BGB erfassten Ansprüche, wenn zwar die von § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB vorgesehene Frist von 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an bereits im laufenden Mietverhältnis verstrichen ist, der Vermieter der Mietsache jedoch nicht zurückerhalten hat.
Rz. 27
Der historische Gesetzgeber hat, wie sich aus den Protokollen zur Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt, allerdings zunächst erwogen, in der Vorgängerregelung zu § 548 BGB (§ 558 BGB aF) vorzusehen, dass die Verjährungsfrist 30 Jahre von dem Zeitpunkt an betrage, in welchem der Anspruch entstanden sei, wenn er nicht nach Ablauf der kurzen sechsmonatigen Frist bereits früher verjährt sei (vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band 2, S. 841 f.; Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse II, 1980, S. 510). Dem lag der Gedanke zugrunde, dass die Abkürzung der Verjährungsfrist nicht dazu führen dürfe, dass der Anspruch noch zu einer Zeit geltend gemacht werden könne, zu der er bei Anwendung der Vorschriften über die regelmäßige Verjährung von damals 30 Jahren (vgl. § 195 BGB in der Fassung vom 18. August 1896, RGBl. S. 195; im folgenden aF) schon verjährt wäre (Mugdan, aaO, Band 2, S. 842).
Rz. 28
Diesen Vorschlag hat der historische Gesetzgeber jedoch ausdrücklich verworfen und hierzu ausgeführt, die vorgeschlagene Bestimmung erlange nur in so seltenen Fällen praktische Bedeutung, dass sich die Streichung rechtfertige, auch wenn dies zu der - praktisch ganz unbedenklichen - Folge führe, dass ein Anspruch noch 30 Jahre nach seiner Entstehung geltend gemacht werden könne (vgl. Mugdan, aaO, Band 2, S. 843; dazu auch Krämer, NJW 1962, 2301). Der Gesetzgeber war sich somit dieser Fallgestaltung bewusst und hat sich dennoch ausdrücklich gegen eine parallele Anwendbarkeit einer Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren entschieden. Er hat auch spätere Änderungen des § 558 BGB aF beziehungsweise des Verjährungsrechts nicht zum Anlass genommen, die mietrechtliche Sondervorschrift für eine weitere, bereits vor Rückerhalt der Mietsache beginnende Verjährungsfrist zu öffnen. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung würde unterlaufen, wenn die von § 548 Abs. 1 BGB erfassten Ansprüche bereits vor dem Zeitpunkt, zu dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält, verjähren könnten.
Rz. 29
cc) Die Anwendung der Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB auf die von § 548 Abs. 1 BGB erfassten Ansprüche des Vermieters ist auch mit der Gesetzessystematik nicht zu vereinbaren.
Rz. 30
(1) Dies ergibt sich, wie die Revision zu Recht hervorhebt, bereits aus dem Umstand, dass die Verjährungshöchstfristen der § 199 Abs. 2 bis 4 BGB im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs normiert sind, während § 548 BGB speziellere Regelungen für bestimmte mietrechtliche Fallgestaltungen trifft. Der Gesetzgeber hat die allgemeinen Regeln des § 199 BGB "vor die Klammer" gezogen, wodurch zum Ausdruck kommt, dass diese Bestimmungen nur Anwendung finden, soweit hiervon gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist (vgl. Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 16. Aufl., § 199 Rn. 32a; siehe auch BGH, Urteil vom 21. Juni 2018 - IX ZR 171/16, WM 2018, 1372 Rn. 3 f.).
Rz. 31
(2) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht gemeint, eine von der Gesetzessystematik abweichende Deutung könne der Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundestags zum Entwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (BT-Drucks. 14/7052, S. 180) entnommen werden. Die im Gesetzgebungsverfahren ursprünglich vorgesehene amtliche Überschrift des § 199 BGB "Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist" (BT-Drucks. 14/6040, S. 3) ist zwar auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags um den Zusatz "Verjährungshöchstfristen" ergänzt worden (BT-Drucks. 14/7052, S. 180). Dazu hat der Rechtsausschuss des Bundestags (aaO) ausgeführt: "Die bisherige Überschrift soll um den Zusatz 'und Höchstfristen' ergänzt werden. Denn § 199 BGB-E regelt nicht allein den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist, sondern auch besondere Verjährungsfristen, die als Höchstfristen erwähnt werden sollen."
Rz. 32
Dies vermag den Anwendungsvorrang des § 548 Abs. 1 BGB jedoch nicht einzuschränken. Zwar handelt es sich bei den Verjährungshöchstfristen des § 199 Abs. 2 bis 4 BGB um besonders gestaltete, eigenständige Verjährungsfristen (Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 16. Aufl., § 199 Rn. 31 f.). Die von dem Berufungsgericht herangezogene Vorschrift des § 199 Abs. 3 BGB bestimmt jedoch, wie der Senat bereits ausgesprochen hat, lediglich Höchstfristen der regelmäßigen Verjährung (Senatsurteil vom 19. Januar 2005 - VIII ZR 114/04, BGHZ 162, 30, 37) und gilt damit nicht für Regelungen, die besondere Vorschriften für die Verjährung enthalten.
Rz. 33
Weder die im Gesetzgebungsverfahren erweiterte amtliche Überschrift noch die Bezeichnung als "besondere Verjährungsfristen" in der Stellungnahme des Rechtsausschusses vermögen die Annahme zu tragen, dass auch von der mietrechtlichen Sonderbestimmung des § 548 Abs. 1 BGB erfasste Ansprüche des Vermieters bereits vor Rückgabe der Mietsache nach Maßgabe der im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs in § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB vorgesehenen Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an verjähren könnten. Dies hätte zur Folge, dass für die von § 548 Abs. 1 BGB erfassten Ansprüche des Vermieters zwei Verjährungsfristen parallel gälten. Mehrere nebeneinander geltende Verjährungsfristen sieht § 199 BGB in seinen Absätzen 1 bis 4 jedoch allein für bestimmte der Regelverjährung unterliegende Ansprüche vor. Daraus folgt, dass die Verjährungshöchstfristen der § 199 Abs. 2 bis 4 BGB nur § 199 Abs. 1 BGB ergänzen und lediglich für die unter die Regelverjährung fallenden Ansprüche gelten sollen (Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 16. Aufl., § 199 Rn. 31 ff.; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., § 199 Rn. 42; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearb. 2019, § 199 Rn. 93a; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 548 BGB Rn. 45).
Rz. 34
dd) Die Sichtweise des Berufungsgerichts, welches sich auf die Gesichtspunkte des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit beruft, ist auch von Sinn und Zweck des § 548 Abs. 1 BGB nicht gedeckt.
Rz. 35
Zwar beruht die Verjährung auf den Gedanken des Schuldnerschutzes, des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit. Sie soll den Schuldner davor schützen, wegen länger zurückliegender Vorgänge in Anspruch genommen zu werden, die er nicht mehr aufklären kann, weil ihm Beweismittel für etwa begründete Einwendungen abhandengekommen oder Zeugen nicht mehr auffindbar sind (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2018 - XII ZR 5/18, BGHZ 220, 323 Rn. 24; vgl. auch BGH, Urteile vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 104/09, BGHZ 184, 253 Rn. 18; vom 22. Februar 2018 - VII ZR 253/16, NJW 2018, 2056 Rn. 25; jeweils mwN). Dies rechtfertigt jedoch im Anwendungsbereich der Sondervorschrift des § 548 Abs. 1 BGB nicht ein Nebeneinander mit der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB.
Rz. 36
Das Berufungsgericht nimmt nicht in den Blick, dass der Gesetzgeber sich - auch um das Mietverhältnis nicht unnötig zu belasten (Senatsurteil vom 28. Mai 2008 - VIII ZR 133/07, NJW 2008, 2256 Rn. 16 mwN) - dafür entschieden hat, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit nach Maßgabe des § 548 Abs. 1 BGB dadurch herzustellen, dass er die Verjährung - unabhängig von der Entstehung des Anspruchs - einerseits erst an die Rückgabe der Mietsache geknüpft hat, die Verjährungsfrist andererseits aber - unabhängig von der Entstehung des Anspruchs - auf sechs Monate beschränkt hat statt eine Regelverjährung gemäß § 195 BGB vorzusehen. Gerade im Interesse der Rechtssicherheit, der Rechtsklarheit und des Rechtsfriedens wollte der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Regelung des § 548 Abs. 1 BGB zeitnah zur Rückgabe der Mietsache eine "möglichst schnelle" Klärung über bestehende Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache erreichen (BT-Drucks. 14/4553, S. 45; Senatsurteile vom 8. November 2017 - VIII ZR 13/17, BGHZ 217, 1 Rn. 29; vom 23. Oktober 2013 - VIII ZR 402/12, NJW 2014, 684 Rn. 13; vom 15. März 2006 - VIII ZR 123/05, NJW 2006, 1588 Rn. 10; jeweils mwN).
Rz. 37
Dazu muss der Vermieter in die Lage versetzt werden, sich durch Ausübung der unmittelbaren Sachherrschaft über die Mietsache ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Mängeln, Veränderungen und Verschlechterungen zu machen (Senatsurteile vom 23. Oktober 2013 - VIII ZR 402/12, aaO; vom 12. Oktober 2011 - VIII ZR 8/11, NJW 2012, 144 Rn. 14). Der zentrale Gesetzeszweck, den Vermieter zu einer möglichst raschen Klärung seiner Ersatzansprüche anzuhalten, ist daher ausdrücklich an den Rückerhalt der Mietsache geknüpft (vgl. Senatsurteil vom 8. November 2017 - VIII ZR 13/17, aaO). Diese gesetzgeberische Wertung würde unterlaufen, wenn eine Verjährung von Ansprüchen im Anwendungsbereich des § 548 Abs. 1 BGB bereits in solchen Fällen einträte, in denen die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB bereits verstrichen ist, bevor der Vermieter die Mietsache zurückerhalten hat.
Rz. 38
c) Nach dieser Maßgabe ist Verjährung des auf die mangelhafte Badmodernisierung gestützten Schadensersatzanspruchs der Kläger nicht eingetreten. Ob ein Schadensersatzanspruch - wie von der Revision geltend gemacht - auch darauf gestützt werden kann, dass die auf einen Rollstuhl angewiesene Beklagte zu 2 nach der Behauptung der Kläger über Jahrzehnte hinweg regelmäßig außerhalb der Badewanne unmittelbar über oder neben dem Bodenabfluss geduscht habe, kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entschieden werden.
Rz. 39
2. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nicht beurteilen, ob sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Zwar ist der Vermieter im Rahmen der sogenannten versicherungsrechtlichen Lösung verpflichtet, den Gebäudeversicherer und nicht den Mieter auf Schadensausgleich in Anspruch zu nehmen, wenn ein Versicherungsfall vorliegt, ein Regress des Versicherers gegen den Mieter ausgeschlossen ist und der Vermieter nicht ausnahmsweise ein besonderes Interesse an einem Schadensausgleich durch den Mieter hat (Senatsurteile vom 3. November 2004 - VIII ZR 28/04, NJW-RR 2005, 381 unter II 2, 3; vom 19. November 2014 - VIII ZR 191/13, BGHZ 203, 256 Rn. 24). Zu den tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen die Kläger gemäß den vorgenannten Grundsätzen gehalten sind, ihre Streithelferin im Rahmen einer dort unterhaltenen Versicherung gegen Leitungswasserschäden auf Leistung in Anspruch zu nehmen, ohne dass diese bei den Beklagten Rückgriff nehmen könnte, hat das Berufungsgericht Feststellungen indes nicht getroffen.
III.
Rz. 40
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht keine Feststellungen zur inhaltlichen Berechtigung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs beziehungsweise zu einer etwaigen Verpflichtung der Kläger zur vorrangigen Inanspruchnahme ihrer Streithelferin getroffen hat. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Dr. Fetzer |
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Dr. Bünger |
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Kosziol |
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Dr. Schmidt |
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Dr. Matussek |
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Fundstellen
Haufe-Index 15366770 |
NJW 2022, 3419 |
NJW 2022, 8 |
NZM 2022, 908 |
ZAP 2022, 1095 |
JZ 2022, 627 |
JuS 2023, 73 |
MDR 2022, 1336 |
WuM 2022, 668 |
KomVerw/LSA 2023, 412 |
MietRB 2022, 346 |
NJW-Spezial 2023, 1 |
RdW 2023, 42 |
BBB 2022, 57 |
FuBW 2023, 104 |
FuNds 2023, 136 |
GuG-aktuell 2023, 8 |
KomVerw/B 2023, 407 |
KomVerw/MV 2023, 421 |
KomVerw/S 2023, 413 |
KomVerw/T 2023, 414 |
immobilienwirtschaft 2022, 55 |