Leitsatz (amtlich)

Der kreditfinanzierte Beitritt zu einem Immobilienfonds und der Kreditvertrag bilden auch dann ein verbundenes Geschäft i.S.d. § 9 VerbrKrG, wenn die Vermittlung der Finanzierung nicht durch den Anlagevermittler selbst, sondern durch einen in seinem Auftrag tätigen Finanzierungsvermittler erfolgt (Ergänzung zu den BGH v. 14.6.2004 - II ZR 393/02; v. 14.6.2004 - II ZR 395/01).

 

Normenkette

VerbrKrG § 9 in der bis 30.9.2000 geltenden Fassung

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Urteil vom 26.05.2000; Aktenzeichen 9 U 340/99)

LG Hamburg

 

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger zu 5) und zu 10) wird das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Hamburg v. 26.5.2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufungen dieser Kläger zurückgewiesen und die in zweiter Instanz durch die Kläger zu 10) erweiterte Klage abgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger zu 10) unterzeichneten am 2.6.1995 eine "Beitrittserklärung" zu der "R." Fonds GmbH & Co KG, einem geschlossenen Immobilienfonds, der die Errichtung einer onkologisch-pädiatrischen Klinik in N. am B. See bei W. in M. zum Ziel hatte; die gleich lautende Erklärung der Klägerin zu 5) datiert v. 21.9.1995. Die Beteiligung der Klägerin zu 5) an der Fondsgesellschaft belief sich auf 100.000 DM, die Einlage der Kläger zu 10 auf 80.000 DM. Die Beteiligung erfolgte in beiden Fällen treugeberisch über die H. Steuerberatungsgesellschaft mbH (im Folgenden: H. GmbH) als Treuhandkommanditistin.

Der Vertrieb der Anlage lag in den Händen der Ho. GmbH (im Folgenden: Vertriebsgesellschaft), deren Gesellschafter - neben u.a. der H. GmbH - Gründungskommanditisten der Fondsgesellschaft waren.

Aus steuerlichen Gründen sollten die Anleger ihre Einlagen ganz oder teilweise durch Darlehen finanzieren. Die Finanzierung erfolgte für alle Kläger des vorliegenden Verfahrens, auch die am Berufungs- bzw. Revisionsverfahren nicht mehr beteiligten, durch die Beklagte. Die Finanzierung war den Klägern durch die nach ihrer - bestrittenen - Darstellung von der Vertriebsgesellschaft eingeschalteten Unternehmens P. S. U. GmbH (im Folgenden: U.) vermittelt worden, der die Beklagte mit Schreiben v. 28.3.1995 u.a. ihre grundsätzliche Bereitschaft mitgeteilt hatte, die Fondsanteile bis zu 60 % des Zeichnungsbetrages zu finanzieren.

Die Kläger zu 10), die ihre Einlage i.H. eines Betrages von 50.000 DM finanzieren lassen wollten, schlossen mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über 54.540 DM. Die Kläger zu 5) wollten die Beteiligung der Klägerin zu 5) i.H.v. 65.000 DM finanzieren lassen und schlossen mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über 73.033,71 DM. Die Beklagte zahlte die Darlehensvaluta nach ihrer - von den Klägern mit Nichtwissen bestrittenen - Behauptung jeweils an die H. GmbH.

Die Fondsgesellschaft fiel im März 1998 in Konkurs. Die gemeinsam vertretenen Kläger ließen ihre Beitrittserklärungen mit Schreiben v. 14.9.1998 gegenüber der H. GmbH, die Kläger zu 10) darüber hinaus mit Schreiben v. 9.10.1998 auch den Kreditvertrag gegenüber der Beklagten wegen arglistiger Täuschung anfechten.

Die Kläger haben die Feststellung begehrt, dass der Beklagten aus den Kreditverträgen keine Ansprüche auf Leistung von Zins- und Tilgungszahlungen zustehen. Die Kläger zu 10) haben ihre Klage in zweiter Instanz erweitert und neben der Feststellung von der Beklagten Schadensersatz in Höhe ihrer infolge des Konkurses des Fonds wertlos gewordenen Eigenkapitalzahlung von 30.000 DM sowie ihrer an die Beklagte geleisteten Zinszahlungen von 14.579,14 DM verlangt. Die Feststellungsklagen blieben in beiden Instanzen ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat auch die Schadensersatzforderung der Kläger zu 10) abgewiesen. Hiergegen richten sich die Revisionen der Kläger zu 5) und 10).

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind begründet und führen hinsichtlich der Kläger zu 5) und 10) zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Kläger zu dem Fondsbeitritt durch arglistige Täuschung bestimmt worden sind, und gemeint, ein Einwendungsdurchgriff nach § 9 VerbrKrG in der bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung (jetzt §§ 358 f. BGB in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung) sei schon deshalb nicht möglich, weil Gesellschaftsbeteiligung und Kreditgewährung nicht als verbundenes Geschäft i.S.d. § 9 Abs. 1 VerbrKrG anzusehen seien. Das ist unzutreffend.

1. Wie der Senat bereits in seiner - nach dem Erlass des angefochtenen Urteils ergangenen - Entscheidung v. 21.7.2003 (BGH, Urt. v. 21.7.2003 - -II ZR 387/02, BGHReport 2003, 1208 = MDR 2003, 1188 = ZIP 2003, 1592 [1593 f.]; v. 14.6.2004 - -II ZR 393/02; v. 14.6.2004 - II ZR 395/01) festgestellt hat, erfüllen der Beitritt zu einer Anlagegesellschaft und das diesen Beitritt finanzierende Kreditgeschäft die Voraussetzungen eines verbundenen Geschäfts gem. § 9 Abs. 1, 4 VerbrKrG, wenn sich die Fondsgesellschaft und die Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen. Das ist auch dann der Fall, wenn die Vermittlung der Finanzierung nicht durch den Anlagevermittler selbst, sondern - wovon hier auf Grund der unstreitigen Umstände i.V.m. dem angesichts dieser Umstände von der Beklagten nicht hinreichend substanziiert bestrittenen Vorbringen der Kläger ausgegangen werden muss - durch einen in seinem Auftrag tätigen Finanzierungsvermittler erfolgt, der von ihm die erforderlichen Kundendaten erhält und sodann die von dem Anleger gewünschte Finanzierung in die Wege leitet. Denn nach § 9 Abs. 4, Abs. 1 S. 2 VerbrKrG ist immer dann zwingend von einer wirtschaftlichen Einheit beider Verträge auszugehen, wenn sich der Kreditgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrages der Mitwirkung des "Verkäufers" bedient, was bei einem - sei es auch nur faktischen - planmäßigen und arbeitsteiligen Zusammenwirken, ohne dass dieses von Dauer sein muss, der Fall ist (Kessal-Wulf in Staudinger, BGB, Neubearb. 2001, VerbrKrG § 9 Rz. 28; Habersack in MünchKomm/BGB 3. Aufl. VerbrKrG § 9 Rz. 27 f.). Der Beklagten war darüber hinaus, wie sich aus ihrem Schreiben v. 28.3.1995 an die Finanzvermittlerin U. ergibt, bekannt, dass diese die Finanzierung der gezeichneten Anteile vermitteln sollte; dementsprechend hat sie der U. auch ihre Darlehensverträge und die weiter erforderlichen Formulare zur Verfügung gestellt.

2. Wird der Anleger bei dem Beitritt über die Bedingungen der Fondsanteile getäuscht, wovon hier für die Revisionsinstanz auszugehen ist, kann er bei Vorliegen eines Verbundgeschäfts seine Gesellschaftsbeteiligung kündigen und die daraus folgenden Ansprüche auch der Bank entgegenhalten. Das Kündigungsrecht kann auch dadurch ausgeübt werden, dass der Anleger der Bank mitteilt, er sei durch Täuschung zu dem Fondsbeitritt veranlasst worden, und ihr die Übernahme seines Gesellschaftsanteils anbietet (BGH, Urt. v. 21.7.2003 - II ZR 387/02, BGHReport 2003, 1208 = MDR 2003, 1188 = ZIP 2003, 1592 [1595]; Urt. v. 27.6.2000 - XI ZR 174/99, MDR 2000, 1201 = ZIP 2000, 1430). Darüber hinaus kann der Anleger der Bank, wie der Senat in seinen Grundsatzurteilen v. 14.6.2004 - II ZR 393/02 und II ZR 395/01 (BGH v. 14.6.2004 - II ZR 393/02; v. 14.6.2004 - II ZR 395/01) entschieden hat, aber auch alle Ansprüche entgegen setzen, die er gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter des Fonds hat. Die dem Verbundgeschäft zu Grunde liegende Dreiecksbeziehung Kunde - Verkäufer - Bank erschöpft sich daher nicht in den Beziehungen zwischen dem Anleger, der Gesellschaft und der Bank. Vielmehr sind auch die Gründungsgesellschafter des Fonds und die Initiatoren, maßgeblichen Betreiber, Manager, Prospektherausgeber und sonst für den Anlageprospekt Verantwortlichen wie ein Verkäufer der Anlage i.S.d. § 9 Abs. 2 S. 4 VerbrKrG zu behandeln.

Im vorliegenden Fall ist zwar das Recht der Kläger, auf Grund der von ihnen behaupteten arglistigen Täuschung bei Zeichnung ihrer Anteile im Wege der außerordentlichen Kündigung aus der Fondsgesellschaft auszuscheiden, mit deren Auflösung in Folge des Konkurses weggefallen (BGH, Urt. v. 11.12.1978 - II ZR 41/78, NJW 1979, 765 = WM 1979, 160). Sie können der Bank jedoch die ihnen nach ihrem für die Revision maßgebenden Sachvortrag gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter zustehenden Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung und Verschulden bei Vertragsschluss entgegenhalten, da diese von der Auflösung der Gesellschaft nicht berührt sind.

3. Die Schadensersatzansprüche gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter aus Prospekthaftung und Verschulden bei Vertragsschluss sind darauf gerichtet, den Anleger so zu stellen, als wäre er dem Fonds nicht beigetreten und hätte mit der Bank keinen Darlehensvertrag geschlossen. Im Rahmen des § 9 Abs. 3 S. 1 VerbrKrG folgt daraus, dass der Anleger die Darlehensvaluta, die nicht an ihn, sondern an den Treuhänder oder den Fonds geflossen ist, nicht zurückzahlen muss. Zugleich hat er im Wege des sog. Rückforderungsdurchgriffs entsprechend § 9 Abs. 2 S. 4 VerbrKrG (vgl. BGH, Urt. v. 21.7.2003 - II ZR 387/02, BGHReport 2003, 1208 = MDR 2003, 1188 = ZIP 2003, 1592 [1595]) einen Anspruch gegen die Bank auf Rückgewähr der von ihm auf Grund des Darlehensvertrages erbrachten Leistungen.

Danach haben die Kläger zu 5) und 10) - ausgehend von ihrem für das Revisionsverfahren als wahr zu unterstellenden Vorbringen - gegen die Beklagte einen umfassenden Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als wären sie dem Fonds nicht beigetreten und hätten die Darlehensverträge nicht geschlossen. Sie brauchen die Darlehensvaluta nicht zurückzuzahlen, sondern der Beklagten lediglich ihre Fondsbeteiligungen zu übertragen sowie ihr in entsprechender Anwendung des § 255 BGB die ihnen gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter zustehenden Schadensersatzansprüche abzutreten. Umgekehrt können sie diejenigen Zahlungen - Eigenkapital, Zins- und Tilgungsleistungen - ersetzt verlangen, die sie aus ihrem eigenen Vermögen aufgebracht haben. Etwaige Leistungen des Fonds müssen sie sich ebenso anrechnen lassen wie Steuervorteile, denen keine Nachzahlungsansprüche des Finanzamts gegenüberstehen (vgl. BGHZ 74, 103 [113 ff.]; v. 6.10.1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 [347] = MDR 1981, 648; Loritz/Wagner, ZflR 2003, 753).

II. Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht aufzuklären haben, ob die Kläger tatsächlich durch falsche Angaben in dem Prospekt getäuscht und dadurch zu dem Fondsbeitritt bestimmt worden sind. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auf sein auf sein Urteil v. 14.1.2002 (BGH, Urt. v. 14.1.2002 - --II ZR 40/00, BGHReport 2002, 552 = MDR 2002, 699 = WM 2002, 813 [814 f.]).

 

Fundstellen

BB 2004, 1875

DStR 2004, 1887

NJW 2004, 3332

NWB 2004, 2852

BGHR 2004, 1507

EBE/BGH 2004, 274

EBE/BGH 2004, 3

DNotI-Report 2004, 201

EWiR 2004, 1155

NZM 2005, 235

WM 2004, 1675

ZIP 2004, 1543

ZfIR 2004, 666

MDR 2005, 23

VuR 2004, 342

Info M 2005, 102

ZBB 2004, 413

ZGS 2004, 323

BBV 2004, 39

JWO-VerbrR 2004, 281

www.judicialis.de 2004

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