Entscheidungsstichwort (Thema)
Arglistiger. vertragswidriger Einsatz nicht erprobten Baustoffs ohne Risikohinweis
Leitsatz (amtlich)
Verwendet der Bauunternehmer bewußt abweichend vom Vertrag einen nicht erprobten Baustoff, so handelt er arglistig, wenn er den Auftraggeber treuwidrig hierauf und auf das mit der Verwendung dieses Baustoffs verbundene Risiko nicht hinweist.
Normenkette
BGB § 638 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Grundurteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. Mai 2001 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadensersatz wegen einer mangelhaften Vollwärmeisolierung.
Die Klägerin und ihr Ehemann beauftragten 1983 den Beklagten entsprechend seinem Angebot eine Vollwärmeisolierung nach der „Wulst-Punkt-Methode” mit Nylongitter an ihrem Haus anzubringen. Ab 1998 traten an der Wärmeverbundfassade Mängel auf. Die Mängel sind darauf zurückzuführen, daß der Beklagte für die Armierung in den Unterputz kein Gittergewebe eingelegt hatte. Der Beklagte hatte statt dessen einen zum damaligen Zeitpunkt neuartigen Faserspachtel verwendet, der sich inzwischen als ungeeignet herausgestellt hat. Die Mängel an der Vollwärmeisolierung wären nicht aufgetreten, wenn Gittergewebe als Armierung eingebaut worden wären.
Die Klägerin macht aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemanns unter Berücksichtigung eines Abzuges „neu für alt” einen Betrag von 23.292,80 DM als Schadensersatz geltend. Sie ist der Auffassung, daß der Beklagte arglistig gehandelt habe, da er anstelle des vereinbarten und erprobten Gittergewebes eigenmächtig einen neuartigen Faserspachtel verwendet habe. Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat sich auf Verjährung berufen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Schadensersatzanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die von dem Beklagten angebrachte Vollwärmeisolierung sei mit erheblichen Mängeln behaftet. Die Mängel habe der Beklagte zu vertreten, da in der Verwendung eines neuartigen, nicht erprobten Baustoffes anstelle eines gebräuchlichen und bewährten Baustoffes ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik liege. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn mit der Anwendung neuer Techniken keinerlei Risiken verbunden seien; dies sei hier nicht der Fall.
Der Anspruch der Klägerin sei nicht verjährt. Es gelte die 30-jährige Verjährungsfrist, da der Beklagte die abredewidrige Verwendung des neuen Baustoffes arglistig verschwiegen habe. Arglistiges Verschweigen sei grundsätzlich dann gegeben, wenn ein Unternehmer einen neuen, in der Praxis noch nicht erprobten Baustoff verwende, ohne den Bauherrn hierüber und über das mit der Anwendung des neuen Baustoffes verbundene Risiko aufzuklären.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
Der Klägerin steht dem Grunde nach ein nicht verjährter Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu. Der Beklagte hat mangelhaft gearbeitet (1) und den Mangel arglistig verschwiegen (2).
1. Es liegt ein zum Schadensersatz führender Mangel der Werkleistung des Beklagten vor. Er hat auf die Styroporplatten vertragswidrig statt des gebräuchlichen und bewährten Nylongitternetzes einen Faserspachtel aufgebracht und alsdann den Reibeputz aufgetragen. Damit hat er im maßgeblichen Zeitpunkt der Abnahme die vereinbarte Leistung nicht vertragsgerecht erbracht. Der stattdessen aufgebrachte Faserspachtel hat sich als nicht gleichwertig erwiesen.
2. Der Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz ist nicht verjährt, da der Beklagte den Mangel arglistig verschwiegen hat (§ 638 Abs. 1 Satz 1, § 195 BGB).
a) Allerdings trifft die Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu, jeder Unternehmer, der einen noch nicht erprobten Baustoff verwende und damit gegen anerkannte Regeln der Technik verstoße, ohne dies dem Besteller zu offenbaren, verschweige einen Mangel stets arglistig. Dies ist auch keine Streitfrage, wie das Berufungsgericht annimmt. Der von ihm zitierten Rechtsprechung und Literatur liegen stets Einzelfälle zugrunde, ohne daß daraus verallgemeinerungsfähige Schlußfolgerungen gezogen werden.
b) Nach den vom Berufungsgericht festgestellten Umständen hat der Beklagte den Mangel arglistig verschwiegen.
aa) „Arglistig verschweigt”, wer sich bewußt ist, daß ein bestimmter Umstand für die Entschließung seines Vertragspartners erheblich ist, nach Treu und Glauben diesen Umstand mitzuteilen verpflichtet ist und ihn trotzdem nicht offenbart (BGH, Urteile vom 20. Dezember 1973 – VII ZR 184/72, BGHZ 62, 63, 66 und vom 12. März 1992 – VII ZR 5/91, BGHZ 117, 318 f). Arglistiges Verschweigen erfordert nicht, daß der Unternehmer bewußt die Folge der vertragswidrigen Ausführung in Kauf genommen hat. Es verlangt keine Schädigungsabsicht und keinen eigenen Vorteil. Verwendet der Unternehmer in bewußter Abweichung von der Vereinbarung einen neuen, nicht erprobten Baustoff, so genügt er seiner Mitteilungspflicht gegenüber dem Besteller nur dadurch, daß er ihn darauf und auf das mit der Verwendung dieses Baustoffes verbundene Risiko hinweist.
bb) Es liegt auf der Hand, daß die vertragswidrige Verwendung eines neuen, noch nicht erprobten Baustoffes, der für das Gelingen des Werkes und für seine Lebensdauer von ausschlaggebender Bedeutung ist, für die Entschließung des Vertragspartners erheblich ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1985 – VII ZR 5/85, BauR 1986, 215 f = ZfBR 1986, 69).
Der Beklagte hat seiner Aufklärungspflicht treuwidrig nicht genügt. Er war bewußt von der vereinbarten Ausführung der Vollwärmeisolierung abgewichen und hatte sie ohne das von ihm selbst angebotene Nylongitternetz angebracht. Unbeachtlich ist, daß er den Faserspachtel als gegenüber einem Nylongitternetz gleichwertigen Baustoff angesehen hatte. Allein die Herstellerangaben reichen nicht, um das Bewußtsein des Risikos des neuen Baustoffs auszuschließen. Damit war die von dem neuen, noch nicht erprobten Faserspachtel ausgehende Gefahr der geringeren Haltbarkeit nicht ausgeräumt. Während die in einen Unterputz eingelegten Kunststoffmatten die auftretenden Zugspannungen aufnehmen können und damit eine dauerhafte Haltbarkeit gewährleisten, ist dies bei einem Faserspachtel nicht der Fall. Der Einbau des vertraglich vereinbarten Nylongittergewebes war für die Brauchbarkeit des Werkes auf Dauer von entscheidender Bedeutung. Der Beklagte durfte das Risiko einer geringeren Haltbarkeit nicht heimlich seinen Vertragspartnern aufbürden.
Der Beklagte hat zudem nach seinem eigenen Vorbringen eine Unterrichtung der Klägerin und ihres Ehemannes selbst für erforderlich gehalten. Die Beweisaufnahme hat jedoch seine Behauptung nicht bestätigt, er habe den Faserspachtel im Zuge der Bauarbeiten nach einem Gespräch mit dem Vertreter dieses Produkts im Einverständnis der Klägerin und ihres Ehemanns aufgetragen.
Unterschriften
Ullmann, Haß, Hausmann, Wiebel, Kniffka
Fundstellen
Haufe-Index 770855 |
DB 2002, 2716 |
NJW 2002, 2776 |
BGHR 2002, 866 |
BauR 2002, 1295 |
BauR 2002, 1401 |
IBR 2002, 468 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 2254 |
ZAP 2002, 975 |
MDR 2002, 1117 |
ZfBR 2002, 680 |
NZBau 2002, 503 |
RdW 2002, 563 |
I&F 2003, 360 |
JbBauR 2003, 303 |