Leitsatz (amtlich)
Betrifft der vom Berufungsgericht für die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung in den Entscheidungsgründen angeführte und dort nur auf eine Partei bezogene Grund beide Parteien, soweit sie unterlegen sind, in gleicher Weise, so ist der Ausspruch im Tenor, nach dem die Zulassung der Revision uneingeschränkt erfolgt ist, als maßgeblich anzusehen.
Normenkette
ZPO § 546 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a.F.
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.09.1999) |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin und die Revision der Beklagten wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. September 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Transportversicherer der F. GmbH in München, der M. GmbH in Oberuhldingen (im folgenden: M.-GmbH), der E. in Münster, der C. GmbH in München, der I. e.G. in Köln (im folgenden: I.-eG) und der Firma D. in Mönchengladbach (im folgenden: D.). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem und übergegangenem Recht wegen Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmer sind seit 1995/1996, die E. bereits seit 1989, Dauerkunden der Beklagten. Sie beauftragten die Beklagte in den Jahren 1996 und 1997 – mit Ausnahme des Schadensfalles 29, der einen grenzüberschreitenden Transport betrifft – mit der Beförderung von Paketsendungen zu Empfängern in Deutschland. Allen Verträgen lagen die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten zugrunde, die unter anderem folgende Bestimmungen enthielten:
Präambel
U. bietet mit den Servicearten
- U. STANDARD und U. STANDARD SAMMEL,
- U. EXPRESS und U. EXPRESS PLUS
Standard- und Express-Dienste für die Abholung und Zustellung von Sendungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland an. Die Beförderung erfolgt nach den Allgemeinen Deutschen Spediteur-Bedingungen (ADSp), soweit nachstehend nicht von den ADSp abweichende Regelungen getroffen worden sind.
…
3. Wertangabe
Die Wertangabe des Versenders ist maßgeblich für den Umfang der Beförderungskontrollen und die Schadensabwicklung. Deswegen ist eine korrekte Wertangabe unerläßlich. Sofern auf dem Absendebeleg kein höherer Wert angegeben ist, gilt für jedes Versandstück eine Wert- und Haftungsgrenze von 500,– DM. Der Versender kann eine höhere Wertgrenze, höchstens jedoch 15.000,– DM (international US-Dollar 50.000) angeben und damit eine entsprechend höhere Haftung vereinbaren, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: …
16. Haftung
16.1
Sofern keine höhere Wertangabe durch den Versender vorgenommen wurde, haftet U. bei Verschulden für Verlust, Beschädigung, Verzug oder Nachnahmefehler bis zur Höhe von 500,– DM pro Versandstück. Die Anwendung der §§ 39-41 ADSp ist ausgeschlossen. Ein Versicherungsschutz nach SVS/RVS besteht nicht.
16.4
Bei Verlust ist die Haftung von U. auf den Verkehrswert des beförderten Gutes, bei Beschädigung auf Ersatz der Schäden am beförderten Gut selbst, bei Verzug auf den unmittelbaren Verzugsschaden und bei Nachnahmefehlern auf den Ersatz des Nachnahmebetrags beschränkt. Für Folgeschäden und entgangenen Gewinn wird nicht gehaftet.
16.5
Die vorstehenden Haftungsbeschränkungen gelten nicht bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit von U., ihrer gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen.
16.7
Bei internationalen Transporten richtet sich die Haftung nach den zwingenden Bestimmungen von CMR und WA, soweit diese anwendbar sind.
Die Beklagte schloß mit der M.-GmbH, der I.-eG und der D. Kundenverträge ab, in denen die Versenderinnen unter Nr. 2 ihr ausdrückliches Einverständnis erklärten, „daß eine Kontrolle des Transportweges durch schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation an den einzelnen Umschlagstellen von U. nicht durchgeführt wird”.
Der Ablauf der Paketbeförderung, in deren Rahmen die reinen Transportleistungen nicht von der Beklagten, sondern von der zur gleichen Firmengruppe gehörenden, rechtlich selbständigen U. Transport GmbH erbracht wurden, war im einzelnen folgendermaßen organisiert: Bei der Übernahme vom Versender (Schnittstelle 1) war der Abholer gehalten, die Pakete zu zählen und die Angaben des Versenders auf dem Absendebeleg zu überprüfen. Stimmten die Angaben überein, quittierte der Abholer die Abholzeit und die Anzahl der von ihm übernommenen Pakete und brachte sie zu einer Sammelstelle der Beklagten (Center oder Hauptumschlagbasis), wo die Sendungen nach Bestimmungsorten sortiert und unter Aufsicht in verplombte Container verladen wurden (Schnittstelle 2). Bei der Schnittstellenkontrolle war der Container in einem Frachtbrief der U. Transport GmbH einzutragen, aus dem sich u.a. die Nummer der Plombe des Containers, sein Volumen und der Bestimmungsort ergaben. Anschließend beförderte die U. Transport GmbH die Container zur nächsten Hauptumschlagbasis für den Empfangsbezirk (Schnittstelle 3). Dort wurden die Container von Mitarbeitern der Beklagten entladen. Zuvor fand ein Vergleich der auf dem Frachtbrief angegebenen Plombennummer mit der Plombe des Containers statt. Sodann erfolgte die Sortierung der Sendungen nach ihren Bestimmungsorten und die Verladung in die Auslieferungsfahrzeuge. Das Zustellverzeichnis wurde unter Einsatz eines tragbaren Gerätes (sog. DIAD) mit Hilfe eines elektronischen Datenverarbeitungssystems geführt, wobei der Zusteller die Möglichkeit hatte, die Paketinformationen entweder mittels eines Scanners direkt vom Paketaufkleber zu erfassen oder manuell einzugeben. Schließlich quittierte der Empfänger den Empfang mit einem speziell entwickelten Stift auf dem Unterschriftsfeld des DIAD-Geräts (Schnittstelle 4).
Die Klägerin begehrt Schadensersatz für insgesamt 38 Schadensfälle, in denen die von ihren Versicherungsnehmern zwischen April 1996 und Januar 1997 aufgegebenen Pakete im Gewahrsamsbereich der Beklagten in Verlust geraten sein sollen. In allen Schadensfällen hatten die Versender den Wert der Versandstücke nicht angegeben, weshalb die Beklagte ihre Ersatzleistung unter Berufung auf die Haftungsbeschränkungen in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen auf 500 DM bzw. 1.000 DM je Verlustfall beschränkt hat.
Die Klägerin stützt ihre Aktivlegitimation auf § 67 VVG und Abtretungen ihrer Versicherungsnehmer sowie der C. Sachversicherung AG, bei der die M.-GmbH ebenfalls eine Versicherung unterhält. Sie hat die Auffassung vertreten, daß sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf die Haftungsbeschränkung in ihren Beförderungsbedingungen berufen könne, da ihr grobes Organisationsverschulden zur Last falle. Dies führe zur unbeschränkten Haftung der Beklagten.
Die Klägerin hat (zuletzt) beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 55.484,93 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat für einen Teil der Schadensfälle die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und in bezug auf die Verlustfälle 2, 4, 18 und 29 geltend gemacht, daß die bezeichneten Sendungen nicht in ihre Obhut gelangt seien. Ferner hat die Beklagte die Auffassung vertreten, daß der Vorwurf eines groben Organisationsverschuldens unberechtigt sei. Sämtliche der hier betroffenen Versender seien seit Jahren und – mit Ausnahme der M.-GmbH – auch noch nach den streitgegenständlichen Schadensfällen, in denen es um Verluste dieser Versicherungsnehmer gegangen sei, ihre Dauerkunden gewesen und hätten seit Beginn der Geschäftsbeziehungen ihre Transportorganisation gekannt. Aus diesem Grunde sei es rechtsmißbräuchlich, sie nunmehr wegen groben Organisationsverschuldens in Anspruch zu nehmen. Die Versender treffe jedenfalls ein Mitverschulden an der Schadensentstehung, weil sie es unterlassen hätten, den tatsächlichen Sendungswert zu deklarieren. Durch die unterlassene Wertangabe werde ihr die Möglichkeit genommen, die Sendungen wertangemessen zu behandeln. Soweit die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der M.-GmbH und der E. Ersatzansprüche geltend mache, müsse sie sich ein Mitverschulden ihrer Versicherungsnehmer am Schadenseintritt zurechnen lassen. Die genannten Versenderinnen verhielten sich widersprüchlich, weil die Klägerin den Vorwurf groben Organisationsverschuldens bereits in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Frankfurt am Main erhoben habe. Der Mahnbescheid, mit dem die Klägerin vollen Schadensersatz beansprucht habe, sei am 11. November 1996 beantragt worden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen zur Zahlung von 48.243,94 DM nebst Zinsen verurteilt.
Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, soweit diesem bislang noch nicht entsprochen worden ist. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage. Beide Parteien beantragen, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen. Die Klägerin vertritt die Auffassung, daß das Berufungsgericht die Revision nur für sie zugelassen habe, so daß das Rechtsmittel der Beklagten mangels Erreichens des erforderlichen Wertes der Beschwer unzulässig sei.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) der Versicherungsnehmer und der C. Sachversicherung AG (mit Ausnahme des Schadensfalles 29) einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 429 Abs. 1 HGB (in der bis zum 30. Juni 1998 geltenden Fassung; im folgenden: HGB a.F.) i.V. mit § 2 Buchst. a, § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp (Stand: 1. Januar 1993; im folgenden: ADSp a.F.) sowie Nr. 16.5 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten zuerkannt. In den Verlustfällen 24 bis 28, 34 und 36 bis 38 müsse sich die Klägerin jedoch ein hälftiges Mitverschulden der Versenderin (E.) anrechnen lassen. Im Schadensfall 29 ergebe sich die Ersatzpflicht der Beklagten aus § 413 Abs. 2, § 430 Abs. 1 HGB a.F. i.V. mit Art. 29 CMR. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
Die zwischen den Versicherungsnehmern und der Beklagten geschlossenen Verträge seien als Speditionsverträge zu qualifizieren, weil sich die Beklagte nicht zur Ausführung, sondern zur Besorgung der Beförderung verpflichtet habe. Die für den Güterfernverkehr zwingende Haftung nach der bis zum 30. Juni 1998 geltenden Kraftverkehrsordnung (KVO) komme nicht zur Anwendung, da die Beklagte als Spediteur/Frachtführerin (§ 413 Abs. 1 HGB a.F.) die Beförderung auf der Fernverkehrsstrecke nicht gemäß § 1 Abs. 5 KVO selbst ausführe, sondern sich der Transportleistung der rechtlich selbständigen U.-Transport GmbH bediene.
Die Beklagte könne nicht mit Erfolg einwenden, in den Schadensfällen 2, 4, 18 und 29 habe sie das Gut nicht übernommen, so daß die Verluste nicht während ihrer Gewahrsamszeit eingetreten sein könnten. Der weitere Einwand der Beklagten, in den Verlustfällen 1 bis 5 und 29 habe sie die Schadensersatzforderungen der Versender teilweise erfüllt, bleibe ebenfalls erfolglos.
Die Beklagte könne sich auch nicht – wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat – mit Erfolg auf die Haftungsbeschränkungen gemäß den Bestimmungen der ADSp a.F. bzw. ihrer Beförderungsbedingungen berufen, weil sie nach § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. wegen grob fahrlässigen Organisationsverschuldens unbegrenzt hafte. Dieser Beurteilung stehe nicht entgegen, daß die Versender M.-GmbH, I.-eG und D. ihr schriftliches Einverständnis damit erklärt hätten, daß keine schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation an den einzelnen Umschlagstellen durchgeführt werde. Aus der Klausel werde nicht deutlich, ob die Versender auf die Durchführung der Kontrolle selbst oder lediglich auf die schriftliche Dokumentation der Ein- und Ausgangskontrollen hätten verzichten wollen. Diese Unklarheit gehe gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Beklagten als Klauselverwenderin.
Die Klägerin müsse sich kein Mitverschulden ihrer Versicherungsnehmer wegen unterlassener Wertdeklaration anrechnen lassen. Die Beklagte habe in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen klargestellt, daß die vereinbarte Haftungsbegrenzung auf 500 DM je Versandstück bzw. 1.000 DM je Sendung im Falle grober Fahrlässigkeit gerade nicht gelten solle. Es entstünde deshalb ein Wertungswiderspruch, wenn die ausdrücklich für unwirksam erklärte Haftungsbeschränkung über das Rechtsinstitut des Mitverschuldens wieder aufleben würde.
Die Klägerin handele jedoch rechtsmißbräuchlich (§§ 242, 254 BGB), wenn sie sich bei der Geltendmachung des vollen Ersatzanspruchs in den Transportschadensfällen 24 bis 28, 34 und 36 bis 38 auf § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. und die daraus folgende unbeschränkte Haftung der Beklagten berufe. Sie habe mit Mahnbescheid vom 11. November 1996 aus übergegangenem Recht der E. volle Erstattung des ihrer Versicherungsnehmerin entstandenen Schadens beansprucht. Die Versicherungsnehmerin habe nach Beantragung des Mahnbescheids die Geschäftsbeziehung zur Beklagten gleichwohl unverändert fortgesetzt. Dadurch sei es zu den Verlustfällen von Dezember 1996 bis Januar 1997 gekommen. Für den entstandenen Schaden sei eine hälftige Mitverantwortung (§ 254 Abs. 2 BGB) der Versenderin anzunehmen, die sich die Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin zurechnen lassen müsse.
II. Die dagegen gerichteten Revisionsangriffe der Parteien haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer zulässigen Revision (A 1.) allerdings ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß der Klägerin wegen des Verlustes von Transportgut grundsätzlich vertragliche Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zustehen (A 2.). Die Revision der Beklagten rügt jedoch mit Erfolg, daß das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Versicherungsnehmer der Klägerin wegen der fehlenden Wertdeklaration verneint hat (A 3.).
Die Revision der Klägerin beanstandet mit Recht, daß die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen die Annahme eines Mitverschuldens der Versenderin E. wegen Fortsetzung der Geschäftsbeziehung nach Eintritt von Schadensfällen nicht tragen (B).
A. Zur Revision der Beklagten
1. Die Revision der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerin uneingeschränkt zulässig.
a) Das Berufungsgericht hat nach Festsetzung der Beschwer für beide Parteien auf unter 60.000 DM die Revision im Urteilstenor ohne beschränkenden Zusatz zugelassen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, „soweit der Wert der Beschwer der Klägerin 60.000 DM nicht übersteigt, war die Revision zuzulassen, weil die Rechtssache hinsichtlich der Berücksichtigung eigenen Mitverschuldens bei der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung durch die Versenderin trotz erkennbaren Organisationsmangels grundsätzliche Bedeutung hat”.
Damit ist keine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung nur auf die Klägerin erfolgt. Die Zulassung der Revision kann zwar grundsätzlich auf diejenige Prozeßpartei beschränkt werden, zu deren Ungunsten die als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage entschieden worden ist (vgl. BGHZ 111, 158, 166 f.; 130, 50, 59, m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist jedoch von maßgeblicher Bedeutung, daß insbesondere auch die Beklagte von der vom Berufungsgericht für rechtsgrundsätzlich erachteten Frage betroffen ist. Denn sie macht geltend, ihre Inanspruchnahme über die in ihren Beförderungsbedingungen vereinbarte Haftungsbeschränkung von 500 DM je Versandstück bzw. von 1.000 DM je Sendung hinaus müsse am Einwand des Mitverschuldens der Versender scheitern, weil diesen als Dauerkunden die Transportorganisation der Beklagten bei Aufnahme der Geschäftsbeziehungen erläutert worden sei und sie diese Organisation gebilligt hätten; es komme hinzu, daß die Versender den Wert der Pakete in Kenntnis der Betriebsorganisation der Beklagten zu niedrig deklariert und der Beklagten trotz des Vorwurfs groben Organisationsverschuldens weitere Beförderungsaufträge – sogar in steigendem Maße – erteilt hätten. Betrifft danach der vom Berufungsgericht für die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung angeführte Grund beide Parteien, soweit sie unterlegen sind, in gleicher Weise, so ist der Ausspruch im Tenor, nach dem die Zulassung der Revision uneingeschränkt erfolgt ist, als maßgebend anzusehen.
b) Die Revision der Beklagten ist auch nicht allein auf den Einwand des Mitverschuldens wegen Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung der Versender zu ihr beschränkt, obwohl der Wortlaut des bereits wiedergegebenen letzten Satzes in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils darauf hindeuten könnte. Es ist zwar in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß die Zulassung der Revision grundsätzlich auch nur für einzelne Angriffs- und Verteidigungsmittel ausgesprochen werden kann, wenn es sich bei dem von der Zulassung erfaßten Teil um einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs handelt (vgl. BGHZ 53, 152, 154; BGH, Urt. v. 6.5.1987 – IVb ZR 52/86, NJW 1987, 3264; MünchKommZPO/Wenzel, 2. Aufl., § 546 Rdn. 28; Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 546 Rdn. 49). Die Wirksamkeit der Zulassung der Revision beschränkt auf den Mitverschuldenseinwand soll davon abhängen, ob das Berufungsgericht befugt gewesen wäre, zunächst ein Grundurteil (§ 304 ZPO) zu erlassen und die Frage des Mitverschuldens dem Nachverfahren über den Betrag vorzubehalten (vgl. BGHZ 76, 397, 399 f.; BGH, Urt. v. 18.4.1997 – V ZR 28/96, NJW 1997, 2234, 2235). Diese Möglichkeit war im Streitfall nicht gegeben. Die Frage des mitwirkenden Verschuldens des Klägers darf nicht dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben, wenn sich der Einwand des Mitverschuldens nicht vom Grund der Haftung trennen läßt, weil sich beides aus einem einheitlich zu würdigenden Schadensereignis ableitet (vgl. BGH, Urt. v. 30.9.1980 – VI ZR 213/79, NJW 1981, 287; MünchKommZPO/Musielak aaO § 304 Rdn. 24). So liegt der Fall hier.
Die Beklagte macht geltend, daß es nur dadurch zu den streitgegenständlichen Verlustfällen habe kommen können, weil die Versender die Geschäftsbeziehung zu ihr trotz Kenntnis der angeblich groben Organisationsmängel in ihrem Betrieb aufrechterhalten und weiterhin Beförderungsaufträge erteilt hätten. Der von der Beklagten erhobene Einwand des Mitverschuldens erstreckt sich mithin in erster Linie auf die Entstehung des Schadensereignisses (§ 254 Abs. 1 BGB) und berührt somit zumindest auch den Grund des Anspruchs. Deshalb hätte das Berufungsgericht im Falle des Erlasses eines Zwischenurteils über den Grund des Anspruchs gemäß § 304 ZPO bereits den von der Beklagten erhobenen Einwand des Mitverschuldens wegen Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit berücksichtigen müssen und ihn nicht ausschließlich einem Nachverfahren über den Betrag des Anspruchs vorbehalten dürfen.
Da die Ausführungen des Berufungsgerichts in den Entscheidungsgründen nach alledem keine Bindung des Revisionsgerichts gemäß § 546 Abs. 1 ZPO bewirkt haben, ist die Revision der Beklagten in vollem Umfang zulässig.
2. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung nach § 429 Abs. 1 HGB a.F. i.V. mit § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. und Nr. 16.5 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten in den Schadensfällen 1 bis 28, 30 bis 32, 34 und 36 bis 38 sowie gemäß § 413 Abs. 2, § 430 Abs. 1 HGB a.F. i.V. mit Art. 29 CMR im Schadensfall 29 bejaht.
Das Berufungsgericht ist dabei zutreffend und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte von den Versicherungsnehmern der Klägerin als Fixkostenspediteurin i.S. des § 413 Abs. 1 HGB a.F. beauftragt wurde mit der Folge, daß sich ihre Haftung grundsätzlich nach §§ 429 ff. HGB a.F. und – aufgrund vertraglicher Einbeziehung – ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen sowie den Bestimmungen der ADSp a.F. beurteilt. Auch die vom Berufungsgericht bejahte Aktivlegitimation steht nicht mehr zur revisionsrechtlichen Nachprüfung.
Die Revision der Beklagten wendet sich ohne Erfolg gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Verlust der Sendungen i.S. von § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. sowie Nr. 16.5 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten durch grob fahrlässiges Verschulden, das ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden i.S. von Art. 29 CMR darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 16.7.1998 – I ZR 44/96, TranspR 1999, 19, 21 = VersR 1999, 254), verursacht.
a) Grobe Fahrlässigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden und unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem einleuchten mußte (BGH, Urt. v. 17.4.1997 – I ZR 131/95, TranspR 1998, 25, 27 = VersR 1998, 82; Urt. v. 28.5.1998 – I ZR 73/96, TranspR 1998, 454, 456 = VersR 1998, 1264; BGH TranspR 1999, 19, 21). Davon ist auch das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen.
Die Revision beruft sich demgegenüber ohne Erfolg darauf, bei der Bestimmung der Sorgfaltspflichten der Beklagten sei bereits der durch das Transportrechtsreformgesetz vom 25. Juni 1998 (BGBl. I 1588) in § 435 HGB neu eingeführte Haftungsmaßstab der leichtfertigen Schadensverursachung zu beachten.
Eine unmittelbare Anwendung des § 435 HGB scheidet im Streitfall schon deshalb aus, weil das zum 1. Juli 1998 in Kraft getretene Transportrechtsreformgesetz auf die hier zugrundeliegenden, spätestens seit Januar 1997 abgeschlossenen Lebenssachverhalte nicht zurückwirken kann. Dies folgt insbesondere aus dem allgemein anerkannten, in Art. 170 und Art. 232 § 1 EGBGB enthaltenen Rechtsgrundsatz, wonach sich Inhalt und Wirkung eines Schuldverhältnisses nach der zum Zeitpunkt seiner Entstehung geltenden Rechtslage richten, sofern – wie im Streitfall – kein Dauerschuldverhältnis betroffen ist (BGHZ 10, 391, 394; 44, 192, 194; BGH, Urt. v. 12.10.1995 – I ZR 118/94, TranspR 1996, 66, 67 = VersR 1996, 259 zum Tarifaufhebungsgesetz; BGH TranspR 1999, 19, 21; BGH, Urt. v. 14.12.2000 – I ZR 213/98, TranspR 2001, 256, 257 = VersR 2001, 785; Urt. v. 22.2.2001 – I ZR 282/98, TranspR 2001, 372, 374, zur Anwendbarkeit der Vorschriften des HGB a.F. auf Gütertransportschäden, die vor dem 1. Juli 1998 eingetreten sind; Staudinger/Merten, Bearb. 1998, Einl. zu Art. 153 f. EGBGB Rdn. 4 ff.; Staudinger/Hönle, Bearb. 1998, Art. 170 EGBGB Rdn. 1; vgl. auch Piper, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Speditions- und Frachtrecht, 7. Aufl., Rdn. 232, 330).
Eine Rückwirkung des neuen Transportrechts läßt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Senats zur richtlinienkonformen Auslegung wettbewerbsrechtlicher Generalklauseln herleiten (vgl. dazu BGHZ 138, 55 – Testpreis-Angebot; BGH, Urt. v. 23.4.1998 – I ZR 2/96, GRUR 1999, 69 = WRP 1998, 1065 – Preisvergleichsliste II). An einer vergleichbaren Situation, einem gewandelten Verkehrsverständnis durch richterliche Rechtsfortbildung Rechnung zu tragen, fehlt es hier. Die Vorschrift des § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. beschreibt den zur unbeschränkten Haftung des Spediteurs führenden Haftungsmaßstab eindeutig mit dem anerkannten Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit. Damit haben die beim Zustandekommen der ADSp beteiligten Verkehrskreise den Weg versperrt, im Geltungsbereich des § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. den Verschuldensmaßstab unter Berufung auf ein geändertes Verkehrsverständnis gegen den Wortlaut der Bestimmung rechtsfortbildend im Lichte des § 435 HGB auszulegen.
Danach kommt es im Streitfall schon wegen des Rückwirkungsverbots nicht auf die von der Revision der Beklagten aufgeworfene Frage an, ob der Begriff des qualifizierten Verschuldens im Blick auf die Neufassung des § 435 HGB inhaltlich anders als bisher zu bestimmen ist.
b) Auch die Feststellungen, mit denen das Berufungsgericht im Streitfall das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit bejaht hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Die tatrichterliche Beurteilung der Frage, ob eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist durch das Revisionsgericht nur in beschränktem Umfang nachprüfbar. Die Prüfung muß sich darauf beschränken, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt hat oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO, gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze vorliegen (BGH TranspR 1998, 25, 27; TranspR 1998, 454, 456; TranspR 1999, 19, 21). Solche Rechtsfehler läßt das Berufungsurteil nicht erkennen und werden von der Revision der Beklagten auch nicht aufgezeigt.
Das Berufungsgericht hat die Feststellung eines grob fahrlässigen Verschuldens darauf gestützt, daß die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag weder bei der Übergabe der Versandstücke an die U.-Transport GmbH (Schnittstelle 2) noch bei deren erneuter Übernahme in ihr Auslieferungsdepot (Schnittstelle 3) eine Ein- bzw. Ausgangskontrolle durchgeführt habe. Es habe lediglich eine Eingangserfassung des Transportgutes und eine weitere Erfassung bei Übergabe an den Zusteller stattgefunden. An der Schnittstelle 2 habe sich die Beklagte mit der Verplombung der zu befördernden Container begnügt. An der Schnittstelle 3 sei zwar die Unversehrtheit der Plomben, nicht jedoch der Inhalt der Container anhand der Ladeliste überprüft worden. Bei dieser Sachlage könne die Beklagte nicht darlegen, wo genau der Verlust der Sendung eingetreten sei. In dem erfahrungsgemäß besonders schadensanfälligen Bereich, dem Umschlag des Transportgutes, fehle es an Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen. So könnten im Bereich der Schnittstelle 2 Güter verlorengegangen sein, ohne daß dies der Schnittstelle zuzuordnen sei, da die auszuliefernden Sendungen erst bei Übergabe an den Paketzusteller in dem vorgesehenen Zustellverzeichnis einzutragen gewesen seien. Bei einer derartigen Organisation des Transportablaufs falle der Verlust der Sendung erst dann auf, wenn der Empfänger ihr Ausbleiben rüge. Zudem sei nicht erkennbar, auf welche Weise eine gezielte Nachforschung nach verlorenem Transportgut möglich gewesen sei.
aa) Die Revision der Beklagten rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die Einlassungsobliegenheit der Beklagten überspannt. Sie läßt hierbei unberücksichtigt, daß das Berufungsgericht den Vorwurf des groben Organisationsverschuldens aus dem unstreitigen Fehlen von ausreichenden Ein- und Ausgangskontrollen und nicht daraus hergeleitet hat, daß die Beklagte ihrer nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 127, 275, 284; 129, 345, 349 f.; BGH, Urt. v. 9.11.1995 – I ZR 122/93, TranspR 1996, 303 = VersR 1996, 782) aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Darlegungslast nicht nachgekommen ist, durch detaillierten Sachvortrag zu den näheren Umständen aus ihrem eigenen Betriebsbereich vorzutragen. Die Formulierung des Berufungsgerichts, es fehle auch an Vortrag dazu, ob und welche Nachforschungen die Beklagte nach den in Verlust geratenen Sendungen angestellt habe (BU 18), mag für sich allein genommen zwar mißverständlich sein. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe wird jedoch hinreichend deutlich, daß der fehlende Sachvortrag zu den Nachforschungen kein tragender Grund für die Bewertung des Berufungsgerichts gewesen ist, sondern lediglich der Bekräftigung der Annahme gedient hat, daß ohne ausreichende Schnittstellenkontrollen eine Suche nach verlorengegangenen Sendungen nicht erfolgversprechend erscheine. Danach bleibt auch der Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht sei unter Verstoß gegen § 286 ZPO zu der Feststellung gelangt, es fehle Sachvortrag dazu, ob und welche Nachforschungen die Beklagte betreibe, der Erfolg versagt.
bb) Die weitere Rüge der Revision der Beklagten, das Berufungsgericht habe übersehen, daß auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Ein- und Ausgangskontrollen nicht zwingend vorgeschrieben seien, so daß stichprobenartige Abgleichungen und Untersuchungen genügen könnten, bleibt ebenfalls erfolglos.
Der Spediteur ist gemäß § 7 Buchst. b Nr. 1 ADSp a.F. verpflichtet, die Packstücke an Schnittstellen auf Vollzähligkeit und Identität sowie auf äußerlich erkennbare Schäden zu überprüfen. Diese seit 1. Januar 1993 geltende Regelung beruht auf der in der Rechtsprechung des Senats wiederholt hervorgehobenen Erwägung, daß es sich beim Umschlag von Transportgütern, wie er im Streitfall in Rede steht, um einen besonders schadensanfälligen Bereich handelt, der deshalb so organisiert werden muß, daß in der Regel Ein- und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgehalten werden können. Denn ohne ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen, die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- bzw. EDV-mäßig erfaßten Ware erfordern, kann ein verläßlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird vorliegend noch dadurch verstärkt, daß rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind. Dies rechtfertigt den Schluß, daß im Regelfall von einem grob fahrlässigen Verschulden auszugehen ist, wenn der Spediteur den schadensanfälligen Umschlag ohne ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen organisiert (BGH, Urt. v. 16.11.1995 – I ZR 245/93, TranspR 1996, 72, 74 = NJW-RR 1996, 545; Urt. v. 26.9.1996 – I ZR 165/94, TranspR 1997, 377, 378 = VersR 1997, 133; Urt. v. 27.2.1997 – I ZR 221/94, TranspR 1997, 440, 442 = VersR 1997, 1513; Urt. v. 8.12.1999 – I ZR 230/97, TranspR 2000, 318, 321 = VersR 2000, 1043).
Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten nicht verkannt, daß die erforderlichen Ein- und Ausgangskontrollen nicht zwingend lückenlos alle umzuschlagenden Sendungen erfassen müssen, um den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit auszuschließen. Im Einzelfall kann vielmehr auch eine stichprobenartige Kontrolle genügen, sofern auf diese Weise eine hinreichende Kontrolldichte gewährleistet wird, um der Gefahr des Abhandenkommens von Sendungen wirksam entgegenzuwirken (BGHZ 129, 345, 350 f.). Das setzt jedoch voraus, daß die Umstände der Stichprobenkontrolle, ihr genauer Ablauf, ihre Häufigkeit und Intensität nachvollzogen werden können. Daran fehlt es hier aber gerade. Das Berufungsgericht hat die Durchführung wirksamer Stichproben nicht festgestellt. Die Revision zeigt nicht auf (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ZPO), daß das Berufungsgericht insoweit verfahrensfehlerhaft entscheidungsrelevanten Sachvortrag übergangen hat.
Eine ausreichende Kontrolle des Warenumschlags wird entgegen der Annahme der Revision auch nicht durch den Einsatz des sog. DIAD-Systems erreicht. Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, daß das DIAD-Gerät die Kontrollücke deshalb nicht schließen kann, weil es erst nach Passieren der Schnittstelle 3 bei der Übergabe der Sendung an den Zusteller zum Einsatz kommt. Es ist daher nicht in der Lage, den exakten Schadensort innerhalb des Beförderungssystems zu lokalisieren. Dieses systembedingte Defizit wird entgegen der Auffassung der Revision nicht dadurch ausgeglichen, daß der Versender spätestens nach 24 oder 48 Stunden Gewißheit darüber erlangen kann, ob die Sendung angekommen ist. Dieses Vorbringen der Revision überzeugt schon deshalb nicht, weil nicht ersichtlich ist, weshalb ein relevanter Teil der Versender Veranlassung haben sollte, unmittelbar nach Ablauf der normalen Zustellzeit Nachforschungen über das Schicksal der Sendung anzustellen. Zudem verbessert selbst ein Zeitraum von nur 24 Stunden die Möglichkeit, mit Aussicht auf Erfolg nach dem Verbleib der Sendung zu forschen, in Anbetracht des unbekannten Schadensorts nach der allgemeinen Lebenserfahrung nur unwesentlich.
cc) Der Revision der Beklagten ist auch nicht darin beizutreten, daß die Rechtsprechungsgrundsätze des Senats zum grob fahrlässigen Organisationsverschulden auf Paketdienstunternehmen, bei denen es auf Massenumschlag, Massenlagerung und Massenbeförderung ankomme und deren Kunden eine kostengünstige Abholung und Zustellung binnen 24 oder 48 Stunden erwarteten, nicht anwendbar seien.
(1) Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten läßt sich ein Absenken der Sorgfaltsanforderungen nicht aus denselben Gründen rechtfertigen, die den im Postgesetz von 1969 verwirklichten Haftungsbeschränkungen bei postalischer Briefbeförderung zugrunde lagen. Denn die dort angestellte Erwägung, daß durch die Haftungsbeschränkungen des Postgesetzes im Interesse einer möglichst schnellen und billigen Massenbeförderung von Briefen umfangreiche und kostspielige Überwachungs- und Sicherungsmaßnahmen vermieden werden, die ohne Haftungsbeschränkung zur Abwendung hoher Schadensersatzforderungen notwendig wären (BGH, Beschl. v. 7.5.1992 – III ZR 74/91, NJW 1993, 2235), ist nicht ohne weiteres auf die Interessenlage des Paketversenders zu übertragen. Ein wesentlicher Unterschied zum Paketversand besteht darin, daß dem Versender eines Briefes, der im Regelfall keinen eigenen wirtschaftlichen Wert hat, aus dem Verlust des Briefes grundsätzlich kein materieller Schaden erwächst. Er wird daher in vielen Fällen kein unmittelbares wirtschaftliches Interesse daran haben, daß die postalisch verschickte Mitteilung den Empfänger gerade in Form des konkreten Briefes erreicht. Dies war der tragende Grund für den bis zur Neufassung des Postgesetzes vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3294) in § 12 Abs. 1 PostG a.F. enthaltenen völligen Haftungsausschluß für Schäden, die aus einer nicht ordnungsgemäßen Behandlung von gewöhnlichen Briefen und Postgut entstanden waren (Altmannsperger, Gesetz über das Postwesen, 8. ErgLief. 1989, § 12 Rdn. 15). Demgegenüber kommt es einem Versender von Paketen gerade auf den Zugang der konkreten Sendung an, da deren Verlust im allgemeinen einen unmittelbaren Vermögensschaden verursacht.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die Haftungsbeschränkungen nach den Bestimmungen des Postgesetzes a.F. auch insoweit vom Haftungssystem des allgemeinen Transportrechts abwichen, als der Haftungsausschluß gemäß § 12 PostG a.F. bis zur Einführung von § 12 Abs. 6 PostG a.F. im Jahre 1989 selbst den durch vorsätzliches Handeln eines Postbediensteten entstandenen Verlust erfaßte. Es ist daher aus Sachgründen nicht ohne weiteres gerechtfertigt, die in der Vergangenheit für den Sonderfall der postalischen Briefbeförderung gültigen Haftungsregelungen allgemein auf alle Arten der Massenbeförderung zu übertragen.
Die Sonderstellung der für die postalische Güterversendung in der Vergangenheit gültigen Haftungsgrundsätze wird insbesondere auch durch einen Vergleich mit dem geltenden Recht deutlich: Nach der Privatisierung der Postdienste bestimmt sich die Haftung des Erbringers postalischer Dienste gegenüber dem Kunden nunmehr nach dem im Handelsgesetzbuch geregelten allgemeinen Transportrecht, da das geltende Postgesetz keine eigenen vertraglichen Haftungsvorschriften mehr enthält und der Verordnungsgeber von seiner in § 18 PostG normierten Ermächtigung, Haftungsbeschränkungen in einer Rechtsverordnung zu regeln, bislang keinen Gebrauch gemacht hat (Beck'scher Komm. zum PostG/Stern, § 18 Rdn. 28). Demnach unterliegt auch die Post AG nach dem neuen Transportrecht bei der Erbringung ihrer Dienstleistungen im Grundsatz den für alle Spediteure und Frachtführer gültigen Regelungen; privilegiert ist nur die Beförderung von Briefen und briefähnlichen Sendungen, bei der sich der Frachtführer/Spediteur aus den dargestellten Gründen in stärkerem Umfang freizeichnen kann (§§ 449, 466 HGB).
(2) Soweit die Revision der Beklagten die Zumutbarkeit einer weitergehenden Schnittstellenkontrolle mit der Überlegung in Frage stellt, es könne von der Beklagten nicht verlangt werden, den Transportverlauf von täglich 800.000 Paketen komplett zu dokumentieren und über Jahre hinweg aufzubewahren, ist dem entgegenzuhalten, daß eine jahrelange Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht nicht besteht; auch § 7 Buchst. b Nr. 2 ADSp a.F. verlangt nur eine Dokumentation in den Fällen, in denen Unregelmäßigkeiten auftreten.
dd) Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten waren die Versender M.-GmbH, I.-eG und D. auch nicht durch die Regelung unter Nr. 2 in den mit der Beklagten geschlossenen Kundenverträgen, wonach sie ihr Einverständnis damit erklärt haben, „daß eine Kontrolle des Transportweges durch schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation an den einzelnen Umschlagstellen nicht durchgeführt wird”, daran gehindert, das grobe Organisationsverschulden aus der unzureichenden Durchführung von Umschlagskontrollen herzuleiten. Das Berufungsgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei angenommen, daß sich der in den Vertragsklauseln enthaltene Verzicht nach der AGB-rechtlichen Unklarheitenregel (§ 5 AGBG) nur auf die schriftliche Dokumentation, nicht hingegen auf die Durchführung der Kontrollen selbst bezieht.
(1) Das Berufungsgericht ist von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, daß es sich bei der Verzichtsklausel gemäß Nr. 2 in den streitgegenständlichen Kundenverträgen um eine einseitig aufgestellte Allgemeine Geschäftsbedingung i.S. von § 1 Abs. 1 AGBG handelt. Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Klausel findet über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung (vgl. das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Oktober 1999 – 18 U 38/99), so daß ihre Auslegung durch das Berufungsgericht uneingeschränkter revisionsgerichtlicher Nachprüfung unterliegt (vgl. BGHZ 22, 109, 112; 47, 217, 220; 98, 256, 258).
(2) Bei der Bestimmung des maßgeblichen Klauselinhalts ist zunächst vom Wortlaut der Klausel auszugehen. Danach erklärt sich der Kunde der Beklagten damit einverstanden, daß diese „eine Kontrolle des Transportweges durch schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation” nicht durchführt. Der Verzicht bezieht sich nach dem Sprachverständnis mithin lediglich auf die schriftliche Dokumentation. Wenn es der Beklagten um den Verzicht auf die Durchführung von Kontrollen selbst gegangen wäre, hätte es nahegelegen, daß sie dies durch eine unmißverständliche Formulierung zum Ausdruck gebracht hätte.
(3) Die Revision der Beklagten meint, der Verzicht auf eine schriftliche Dokumentation des Ein- und Ausgangs an den einzelnen Umschlagstellen gebe nur einen Sinn, wenn damit zugleich auf die Schnittstellenkontrollen selbst verzichtet werde. Dem ist nicht beizutreten.
Das Verständnis der Revision widerspricht schon der Betriebsorganisation der Beklagten, wonach diese an den Schnittstellen 1 und 4 Ein- und Ausgangskontrollen durchführt. Das Defizit der Umschlagskontrollen besteht nicht in einem vollständigen Fehlen derartiger Kontrollen, sondern darin, daß die Beklagte gemäß ihrer Organisationsbeschreibung bei der Übergabe der Sendungen an die U. Transport GmbH (Schnittstelle 2) und bei der erneuten Übernahme des Transportgutes durch sie beim Eingang in das Auslieferungsdepot (Schnittstelle 3) keine Ein- und Ausgangskontrollen durchführt. Bei dieser Sachlage ist kein naheliegender Grund ersichtlich, weshalb die Beklagte das Einverständnis ihrer Kunden zum Fehlen einer Maßnahme einholen sollte, die sie offensichtlich erbringt.
Mit dem Verzicht auf die schriftliche Dokumentation von Ein- und Ausgangskontrollen entfällt auch nicht jedwede Möglichkeit zur Rekonstruktion des Transportverlaufs. Dieser kann ebenso effektiv durch den Einsatz elektronischer Medien zurückverfolgt werden. Aus der Sicht des objektiven Verständnisses der mit der Klausel angesprochenen Versender liegt es mithin nicht fern, daß die Beklagte in der Vertragsbestimmung ihre Absicht zum Ausdruck bringen wollte, künftig statt der schriftlichen Dokumentation elektronische Medien zur Kontrolle des Transportverlaufs zum Einsatz zu bringen, um sich, worauf die Revision in anderem Zusammenhang hinweist, die aus ihrer, der Beklagten, Sicht unzumutbare Aufzeichnung und komplette Aufbewahrung der Dokumentation von täglich etwa 800.000 Paketen zu ersparen.
Es erscheint auch nicht zwingend, daß eine tatsächlich durchgeführte Kontrolle ohne gleichzeitige Dokumentation auf die Sicherheit des Transports keine positiven Auswirkungen hat. Der Zweck schriftlicher Dokumentationen besteht vor allem darin, die Aufklärung eines durch fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten entstandenen Verlustes zu erhöhen. Mithin erreicht die lückenlose Dokumentation des Transportverlaufs eine verbesserte Sicherheit für die zu befördernden Güter, und zwar dadurch, daß sie die mit den Gütern befaßten Personen in die Selbstverantwortung nimmt. Dieser Erwägung liegt die Rechtsprechung des Senats zugrunde, wonach eine den Anforderungen des Geschäftsverkehrs entsprechende Umschlagskontrolle nicht zwingend einen lückenlosen Abgleich aller umzuschlagenden Güter erfordert, sondern daß sich das Kontrollsystem auch auf stichprobenartige Kontrollen beschränken kann, sofern das Speditionsunternehmen durch die Umsetzung geeigneter Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen eine hinreichende Kontrolldichte des Warenumschlags an den einzelnen Schnittstellen erzielen kann (BGHZ 129, 345, 350 f.; BGH TranspR 1996, 303; TranspR 1997, 377; BGH, Urt. v. 25.9.1997 – I ZR 156/95, TranspR 1998, 262, 264 = VersR 1998, 657).
Daß die lückenlose Dokumentation des gesamten Transportverlaufs nicht notwendige Voraussetzung für eine wirksame Schnittstellenkontrolle zu sein braucht, zeigt schließlich auch die Regelung in § 7 Buchst. b Ziff. 2 ADSp a.F., die die Pflicht zur Dokumentation an den Schnittstellen ausdrücklich auf Unregelmäßigkeiten beschränkt, die sich bei der Kontrolle der Frachtstücke ergeben.
(4) Unter den dargelegten Umständen hat das Berufungsgericht den in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannten Grundsatz, daß in AGB niedergelegte Klauseln, die den Verwender von an sich bestehenden Vertragspflichten freizeichnen, eng auszulegen sind, und daß Unklarheiten in AGB gemäß § 5 AGBG grundsätzlich zu Lasten desjenigen gehen, der die AGB verwendet (BGHZ 24, 39, 44; 54, 299, 305; 62, 83, 88 f.; MünchKommBGB/Basedow, 4. Aufl., § 5 AGBG Rdn. 10; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 5 AGBG Rdn. 9; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 5 Rdn. 37), rechtsfehlerfrei angewendet.
3. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft ein Mitverschulden der Versicherungsnehmer der Klägerin unberücksichtigt gelassen.
a) Die Revision der Beklagten wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse sich die unterlassene Wertdeklaration bei den in Verlust geratenen Sendungen nicht als Mitverschulden der Versicherungsnehmer anrechnen lassen.
aa) Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung darauf gestützt, daß die Beklagte in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen klargestellt habe, daß bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit alle Haftungsbeschränkungen, mithin auch diejenige, wonach bei unterbliebener Wertdeklaration nur bis zur Höhe von 500,– DM pro Versandstück bzw. 1.000,– DM je Sendung gehaftet werde, entfielen. Es hat gemeint, diese Regelung sei eindeutig. Die Beklagte habe eine klare Trennung zwischen der dem Kunden überlassenen Wahl der Vertragsgestaltung, nämlich sorgfältigerer Behandlung des überlassenen Gutes bei höherer Wertdeklaration gegen Zahlung eines zusätzlichen Beförderungsentgeltes, und ihrer Haftung, jedenfalls bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, vorgenommen. Es entstünde daher ein Wertungswiderspruch, wenn man eine bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ausdrücklich für unwirksam erklärte Haftungsbegrenzung über die Rechtsinstitute des Mitverschuldens oder des treuwidrigen Verhaltens wieder aufleben ließe. Diese vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
bb) Die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten finden als Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 1 Abs. 1 AGBG) über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung. Daher unterliegt deren Auslegung uneingeschränkter revisionsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. BGHZ 22, 109, 112; 47, 217, 220; 98, 256, 258). Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. BGHZ 131, 136, 138; 137, 69, 72; BGH, Urt. v. 8.6.1994 – VIII ZR 103/93, NJW 1994, 2228; Urt. v. 3.4.2000 – II ZR 194/98, NJW 2000, 2099). Dem hat das Berufungsgericht nicht hinreichend Rechnung getragen.
Im rechtlichen Ansatz ist davon auszugehen, daß ein Versender in einen nach § 254 Abs. 1 BGB beachtlichen Selbstwiderspruch geraten kann, wenn er trotz Kenntnis, daß der Spediteur die Sendung bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, von einer Wertdeklaration absieht und bei Verlust gleichwohl vollen Schadensersatz verlangt. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob die von dem Geschädigten vernachlässigte Sorgfaltsanforderung darauf abzielt, einen Schaden wie den eingetretenen zu vermeiden, ob also der eingetretene Schaden von ihrem Schutzzweck erfaßt wird (vgl. BGH, Urt. v. 21.5.1987 – III ZR 25/86, NJW 1988, 129, 130). Mit seinem Verzicht auf die vom Spediteur angebotenen weitergehenden Schutzvorkehrungen setzt der Versender das Transportgut freiwillig einem erhöhten Verlustrisiko aus mit der Folge, daß ihm der eingetretene Schaden bei wertender Betrachtung gemäß § 254 BGB anteilig zuzurechnen ist. Eine Mitverantwortlichkeit des Geschädigten erscheint auch mit Blick auf § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB geboten, wonach sich ein anspruchsminderndes Mitverschulden auch daraus ergeben kann, daß der Geschädigte es unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen mußte (vgl. OLG Hamburg TranspR 1993, 304). Dies hat das Berufungsgericht bei seinem Verständnis der Nr. 16.5 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten nicht genügend beachtet.
Seine Auffassung liefe im Ergebnis darauf hinaus, den Verursachungsbeitrag des Geschädigten gegenüber einer grob fahrlässigen Schadensverursachung des Schuldners vollständig auszuschließen. Einen derart weitgehenden Ausschluß der Mitverantwortlichkeit des Schadensersatzgläubigers muß sich selbst ein vorsätzlich handelnder Schädiger nicht in jedem Falle entgegenhalten lassen (vgl. BGHZ 57, 137, 145; BGH NJW 1988, 129, 130). Das vom Berufungsgericht gewonnene Auslegungsergebnis ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn ein Versender die Regelung in Nr. 16.5 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen in Abweichung von den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte so verstehen dürfte, daß der Klauselverwender bei eigenem groben Verschulden ohne Rücksicht auf ein eventuelles (Mit-)Verschulden seiner Vertragspartner in jedem Falle eine unbegrenzte Haftung verspreche. Ein derartiges Verständnis überspannt indes den Wortlaut der Klausel und vernachlässigt die Interessen des Klauselverwenders. Die in Rede stehende Klausel (Nr. 16.5) regelt lediglich, unter welchen in der Sphäre des Klauselverwenders liegenden Umständen die in Nr. 16.1 vereinbarte Haftungsbeschränkung ihre Wirkung verliert. Sie besagt hingegen nichts über eine Mithaftung des Versenders aufgrund von schadensursächlichen Umständen aus seinem Bereich. Das Berufungsgericht hat bei seiner Bewertung unberücksichtigt gelassen, daß die Haftung des Spediteurs gerade auch durch Umstände beeinflußt werden kann, die der Sphäre des Versenders zuzurechnen sind.
Soweit ein Mitverschulden des Versenders wegen unterlassener Wertangabe unter Hinweis auf § 56 Buchst. c Satz 2 ADSp a.F. abgelehnt wird (OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 423, 424), kann die Klägerin daraus im Streitfall schon deshalb nichts zu ihren Gunsten herleiten, weil die Beklagte in Nr. 3 und Nr. 16.1 ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen ausdrücklich auf Notwendigkeit und Bedeutung einer korrekten Wertangabe hingewiesen hat. Überdies fehlt es an der Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Beklagte die in Verlust geratenen Sendungen als wertvoll hätte erkennen müssen (§ 56 Buchst. c Satz 2 ADSp a.F.).
cc) Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob die unterlassenen Wertangaben auf den in Verlust geratenen Sendungen den Schaden tatsächlich deshalb (mit-)verursacht haben, weil die Beklagte bei richtiger Wertangabe ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte und es dann nicht zu den Verlusten gekommen wäre. Die Beklagte hat unter Hinweis auf Nr. 3 ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen vorgetragen, sie sei durch die Täuschung über den wahren Wert der Sendungen daran gehindert worden, diese wertangemessen zu behandeln. Diesem Vorbringen wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzugehen haben.
Die Haftungsabwägung nach § 254 BGB obliegt ebenfalls grundsätzlich dem Tatrichter (vgl. BGHZ 51, 275, 279; BGH, Urt. v. 30.9.1982 – III ZR 110/81, NJW 1983, 622; BGHR BGB § 254 Abs. 1 – Beauftragter Schädiger 3), so daß die Sache auch aus diesem Grund zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.
b) Darüber hinaus läßt sich entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten ein Mitverschulden oder auch der Einwand des Rechtsmißbrauchs nicht damit begründen, daß die Versender die Geschäftsbeziehung zur Beklagten fortgesetzt hätten, obwohl ihnen aufgrund langjähriger Zusammenarbeit die Organisation der Beklagten bestens bekannt gewesen sei.
aa) Der Revision ist zwar im rechtlichen Ansatz darin beizutreten, daß eine Anspruchsminderung gemäß § 254 Abs. 1 BGB, bei dem es sich um eine konkrete gesetzliche Ausprägung des in § 242 BGB enthaltenen allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben handelt (vgl. BGH, Urt. v. 14.5.1998 – I ZR 95/96, TranspR 1998, 475, 477 = VersR 1998, 1443, m.w.N.), dann in Betracht kommen kann, wenn der Versender einen Spediteur mit der Transportdurchführung beauftragt, von dem er weiß oder zumindest hätte wissen müssen, daß es in dessen Unternehmen aufgrund von Organisationsmängeln immer wieder zu Verlusten kommt. Denn die Auftragserteilung beinhaltet unter solchen Umständen die Inkaufnahme eines Risikos, dessen Verwirklichung allein dem Schädiger anzulasten unbillig erscheint und mit dem § 254 BGB zugrundeliegenden Gedanken von Treu und Glauben unvereinbar ist (BGH, Urt. v. 29.4.1999 – I ZR 70/97, TranspR 1999, 410, 411 = VersR 2000, 474). Dies setzt in tatsächlicher Hinsicht jedoch voraus, daß der Auftraggeber zumindest konkrete Anhaltspunkte für grobe Organisationsmängel oder die Unzuverlässigkeit des Auftragnehmers hatte, was grundsätzlich vom Schädiger darzulegen ist (vgl. Koller, EWiR 1999, 989, 990).
bb) Entgegen der Auffassung der Revision kann allein aus der Kenntnis der Transportorganisation und deren Billigung nicht geschlossen werden, daß dem Auftraggeber vor Auftragserteilung bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, daß die Betriebsorganisation des Auftragnehmers derart grobe Mängel aufweist, daß mit häufig wiederkehrenden Verlusten von Transportgut gerechnet werden muß. Denn im allgemeinen obliegt dem Unternehmer, der die entgeltliche Erbringung von Leistungen anbietet, im Verhältnis zu seinem Auftraggeber die alleinige Verantwortung für eine ordnungsgemäße Vertragsdurchführung (vgl. BGH BGHR BGB § 254 Abs. 1 – Beauftragter Schädiger 3; BGH TranspR 1998, 475, 477). Somit war es ausschließlich Sache der Beklagten, den Transportablauf – in den der Auftraggeber in der Regel keinen bis ins Einzelne gehenden Einblick hat – so zu organisieren, daß dabei die ihr anvertrauten Güter weder Schaden nahmen noch in Verlust gerieten. Die Versicherungsnehmer der Klägerin brauchten ohne besonderen Anlaß die Eignung, Befähigung und Ausstattung ihres Vertragspartners vor Auftragserteilung nicht zu überprüfen. Im übrigen kann von dem Auftraggeber des Spediteurs, der im allgemeinen kein Transportfachmann ist, grundsätzlich nicht verlangt werden, daß er vor Auftragserteilung konkrete Organisationsmängel aufzeigt und auf entsprechende Änderungen im Betriebssystem seines Vertragspartners hinwirkt (vgl. BGH TranspR 1998, 475, 478).
Soweit die Revision der Beklagten sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht in den Schadensfällen 24 bis 28, 34, 36 bis 38 nur ein hälftiges Mitverschulden der Versenderin E. angenommen hat, bleibt ihr ebenfalls der Erfolg versagt (siehe dazu die nachfolgenden Ausführungen unter II. B. zur Revision der Klägerin).
B. Zur Revision der Klägerin
Die Revision der Klägerin wendet sich mit Erfolg gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse sich ein hälftiges Mitverschulden ihrer Versicherungsnehmerin E. in den im Berufungsurteil genannten Verlustfällen anrechnen lassen.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin handele rechtsmißbräuchlich (§§ 242, 254 BGB), wenn sie in den Schadensfällen 24 bis 28, 34 und 36 bis 38 unter Berufung auf § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. vollen Schadensersatz beanspruche. Sie habe mit Mahnbescheid vom 11. November 1996 aus übergegangenem Recht der E. volle Erstattung des dort geltend gemachten Schadens verlangt. Die Anspruchsbegründung, in der sich die Klägerin hinsichtlich der unbeschränkten Haftung der Beklagten auf deren grobes Organisationsverschulden berufen habe, sei zwar erst am 27. Oktober 1998 erfolgt. Da jedoch nur auf diese Weise eine uneingeschränkte Haftung der Beklagten habe begründet werden können, sei bereits auf den Zeitpunkt des Mahnbescheides abzustellen. Es gebe keine Zweifel daran, daß die Versenderin von der Klageerhebung ihres Transportversicherers Kenntnis erlangt habe. Gleichwohl habe sie die Geschäftsbeziehung zur Beklagten fortgesetzt, ohne daß in Verhandlungen mit der Beklagten zur Verbesserung der Organisationsstruktur eingetreten worden sei oder gar entsprechende Zusagen der Beklagten erfolgt seien; zumindest sei dazu nichts vorgetragen. Dadurch sei es zu den oben genannten Transportschadensfällen in der Zeit von Dezember 1996 bis Januar 1997 gekommen. Für die entstandenen Schäden sei eine eigene Mitverantwortung der Versenderin aus § 254 Abs. 2 BGB als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben anzunehmen. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
2. Im rechtlichen Ansatz ist das Berufungsgericht ersichtlich davon ausgegangen, daß eine Anspruchsminderung gemäß § 254 BGB in Betracht kommen kann, wenn der Versender einen Spediteur mit der Transportdurchführung beauftragt, obwohl er weiß oder hätte wissen müssen, daß es in dessen Unternehmen aufgrund von Organisationsmängeln immer wieder zu Verlusten gekommen ist. Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. die Ausführungen unter II. A. 3.).
Die bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen jedoch nicht die Annahme eines Mitverschuldens der E. in den hier noch in Rede stehenden Verlustfällen. Die Feststellung, daß die Versenderin von der Klageerhebung ihres Transportversicherers Kenntnis gehabt habe, ist im Streitfall für die Beurteilung des Berufungsgerichts schon deshalb keine tragfähige Grundlage, weil die Begründung der mit Mahnbescheid geltend gemachten Schadensersatzforderung erst nach Eintritt der oben genannten Verlustfälle erfolgt ist, nämlich mit Schriftsatz vom 27. Oktober 1998. Es ist nichts dafür ersichtlich und vom Berufungsgericht auch nicht festgestellt, daß die E. vor diesem Zeitpunkt Kenntnis davon hatte, daß die Klägerin der Beklagten grobe Organisationsmängel bei der Besorgung der Beförderung von Transportgut anlastet. Sollte die E. der Klägerin für die Beantragung des Mahnbescheides Schadensunterlagen zur Verfügung gestellt haben, könnte daraus nicht ohne weiteres abgeleitet werden, daß der Versicherungsnehmerin hätte bekannt sein müssen, daß es im Betrieb der Beklagten aufgrund von groben Organisationsmängeln immer wieder zu Verlusten von Transportgut gekommen ist.
Die Revision der Klägerin macht überdies mit Recht geltend, daß entgegen der Annahme des Berufungsgerichts aus der Überlassung von Schadensunterlagen nicht ohne weitere Anhaltspunkte auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers von einer Klageerhebung seines Transportversicherers geschlossen werden kann, da er sich nach Erhalt der Entschädigung erfahrungsgemäß keine Vorstellungen darüber machen wird, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sein Versicherer Regreßansprüche gegen den Spediteur geltend macht. Denn ein Grund für den Abschluß einer Transportversicherung besteht – worauf die Revision ebenfalls zutreffend hinweist – auch darin, daß der Versender im allgemeinen vermeiden möchte, sich bei Eintritt eines Schadens mit dessen Abwicklung befassen zu müssen. Im übrigen kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die vom Berufungsgericht für ausreichend erachtete Kenntnis zugleich das Bewußtsein vermittelt, in der Vergangenheit aufgetretene Verluste hätten ihre Ursache in einem groben Organisationsverschulden des Spediteurs gehabt (vgl. BGH TranspR 1999, 410, 412). Einer derartigen Annahme steht schon entgegen, daß selbst bei ordnungsgemäß organisiertem Warenumschlag Sendungsverluste nicht vollständig vermieden werden können. Das Berufungsgericht hat im Streitfall auch nicht festgestellt, daß die vor Dezember 1996 eingetretenen Schadensfälle ähnlich wie die hier noch in Rede stehenden Verlustfälle gelagert waren.
Sofern das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren keine weitergehenden Feststellungen trifft, braucht sich die Klägerin in den Schadensfällen 24 bis 28, 34 und 36 bis 38 wegen Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung ihrer Versicherungsnehmerin E. zur Beklagten ab Dezember 1996 daher ebenfalls kein Mitverschulden anlasten zu lassen.
III. Danach war das Berufungsurteil auf die Rechtsmittel der Parteien aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Büscher, Schaffert
Fundstellen
Haufe-Index 743345 |
BGHR 2002, 654 |
BGHR |
NJW-RR 2002, 1148 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 2070 |
MDR 2002, 964 |