Leitsatz (amtlich)

Die Ursächlichkeit einer Verletzung der Aufklärungspflicht für den Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds wird vermutet.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 249

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 31.07.2012; Aktenzeichen 13 U 3995/11)

LG München I (Entscheidung vom 19.09.2011; Aktenzeichen 27 O 20034/09)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG München vom 31.7.2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger verlangt Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne. Er beteiligte sich im Jahr 1997 mit 250.000 DM nebst 5 % Agio über einen Treuhandkommanditisten an dem geschlossenen Immobilienfonds D. GmbH & Co. M. und Be., R. straße KG (im Folgenden: Fonds). Unter Berufung auf verschiedene Prospektmängel begehrt er von der Beklagten zu 1) als Gründungskomplementärin und der Beklagten zu 2) als Gründungskommanditistin des Fonds im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung der Beteiligung.

Rz. 2

Mit seiner Klage hat der Kläger Zahlung von 143.313,32 EUR nebst Zinsen verlangt Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligungsrechte an dem Fonds. Weiter hat er beantragt festzustellen, dass die Beklagten im Annahmeverzug seien und dass sie verpflichtet seien, ihm allen künftigen Schaden aus der Beteiligung zu ersetzen.

Rz. 3

Das LG hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 4

Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Rz. 5

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Rz. 6

Ob der verwendete Prospekt fehlerhaft gewesen sei, könne ebenso offen bleiben wie die Höhe eines möglichen Schadens und die Frage der Verjährung. Denn der Kläger habe jedenfalls nicht nachgewiesen, dass etwaige Prospektfehler und eine möglicherweise unzutreffende Beratung durch den Mitarbeiter der die Anlage vermittelnden B., S., ursächlich für den Beitritt geworden seien. Der Kläger habe bei seiner Anhörung zwar ausgesagt, dass er sich mit der Beteiligung eine Altersversorgung habe schaffen wollen und den Prospekt mit S. durchgegangen sei und ihn ausführlich studiert habe. Ergänzend habe der Kläger vorgetragen, dass mindestens drei Beratungsgespräche mit S. stattgefunden hätten, wovon zwei in Gegenwart seines Steuerberaters geführt worden seien, und dass S. dabei die Anlage als hervorragende Zusatzversorgung im Alter herausgestellt habe. Dem stehe aber die ebenso glaubhafte Aussage des Zeugen S. gegenüber, wonach dem Kläger im Rahmen von regelmäßigen gemeinsamen Mittagessen der Prospekt übergeben worden sei, ohne dass Beratungsgespräche geführt worden seien. Angesichts dessen könne nicht festgestellt werden, welche Kenntnisse sich der Kläger über den Fonds verschafft habe und welche Motive ihn zu dem Erwerb der Beteiligung geleitet hätten. Es könne durchaus sein, dass die gerügten Prospektfehler auf die Anlageentscheidung keinen Einfluss gehabt hätten.

Rz. 7

II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Rz. 8

1. Das Berufungsgericht hat die Frage offen gelassen, ob die Beklagten mittels der Verwendung eines inhaltlich falschen, irreführenden oder unvollständigen Prospekts ihre Aufklärungspflicht aus dem Vertragsanbahnungsverhältnis mit dem Kläger verletzt haben. Für das Revisionsverfahren ist ein Aufklärungsfehler somit zu unterstellen. Dass die Haftung der Gründungsgesellschafter aus Verschulden bei Vertragsschluss im Streitfall auch den Kläger erfasst unabhängig davon, dass er sich nicht als Kommanditist, sondern als Treugeber über einen Treuhandkommanditisten beteiligen wollte, hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt.

Rz. 9

2. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht dagegen in seiner Ansicht, die Klage sei unbegründet, weil sich anhand der durchgeführten Beweisaufnahme einschließlich der Anhörung des Klägers nicht feststellen lasse, welche Motive für den Kläger bei seiner Anlageentscheidung ausschlaggebend gewesen seien, ob also die behaupteten Prospektfehler ursächlich für die Anlageentscheidung gewesen seien. Damit hat das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, die für eine Anlageentscheidung geltenden Beweisgrundsätze verkannt.

Rz. 10

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH besteht bei einer unrichtigen oder unvollständigen Darstellung von für die Anlageentscheidung wesentlichen Umständen eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die mangelhafte Prospektdarstellung für die Anlageentscheidung ursächlich war (BGH, Urt. v. 6.10.1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 346; Urt. v. 15.12.2003 - II ZR 244/01, ZIP 2004, 312, 313; Urt. v. 2.3.2009 - II ZR 266/07, ZIP 2009, 764 Rz. 6; Urt. v. 31.5.2010 - II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rz. 17 f.; Urt. v. 8.5.2012 - XI ZR 262/10, ZIP 2012, 1335 Rz. 28 ff.; Urt. v. 21.2.2013 - III ZR 139/12, ZIP 2013, 935 Rz. 15). Durch unzutreffende oder unvollständige Informationen des Prospekts wird in das Recht des Anlegers eingegriffen, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider darüber zu befinden, ob er in das Projekt investieren will oder nicht. Das Bestehen von Handlungsvarianten ist nicht geeignet, diese auf der Lebenserfahrung beruhende tatsächliche Vermutung der Ursächlichkeit fehlerhafter Prospektdarstellungen für die Anlageentscheidung bei Immobilien zu entkräften, bei denen es in der Regel vordringlich um Sicherheit, Rentabilität und Inflationsschutz geht (BGH, Urt. v. 31.5.2010 - II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rz. 17 f.). Nach der Auffassung des XI. Zivilsenats des BGH handelt es sich dabei nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (BGH, Urt. v. 8.5.2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rz. 28 ff.; Urt. v. 26.2.2013 - XI ZR 318/10, BKR 2013, 212 Rz. 18 f.).

Rz. 11

b) Danach geht das non liquet im vorliegenden Fall zu Lasten der Beklagten. Dabei kann offen bleiben, ob die Grundsätze des Anscheinsbeweises anzuwenden oder eine Beweislastumkehr anzunehmen ist. Die Beklagten haben die auf der Lebenserfahrung beruhende Vermutung nicht widerlegen können, dass die behaupteten Prospektfehler für die Anlageentscheidung des Klägers ursächlich waren. Aufgrund der übereinstimmenden Bekundungen des Klägers und des Zeugen S. steht lediglich fest, dass der Prospekt rechtzeitig vor der Anlageentscheidung dem Kläger übergeben worden ist. Auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein fehlerhafter Prospekt auch ohne Übergabe zu einem Aufklärungsmangel führt (s. BGH, Urt. v. 3.12.2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rz. 17; Urt. v. 13.12.2012 - III ZR 70/12, juris Rz. 11; Urt. v. 23.4.2013, - XI ZR 405/11, BKR 2013, 280 Rz. 27), kommt es mithin nicht an.

Rz. 12

III. Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Die Sache ist zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht die noch fehlenden Feststellungen treffen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 6661111

BB 2014, 833

DB 2014, 6

DB 2014, 775

DStR 2014, 12

NWB 2014, 1056

EBE/BGH 2014

EWiR 2014, 473

JurBüro 2014, 389

NZG 2014, 432

NZM 2014, 840

WM 2014, 661

WuB 2014, 535

ZIP 2014, 722

ZfIR 2014, 308

DZWir 2014, 330

JZ 2014, 369

MDR 2014, 602

VersR 2015, 68

GWR 2014, 175

NWB direkt 2014, 317

StBW 2014, 318

ZBB 2014, 186

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