Leitsatz (amtlich)
Der Versicherer ist bei Erteilung einer Sicherungsbestätigung verpflichtet, den Kreditgeber auf diesem nicht bekannte Umstände hinzuweisen, die für die Werthaltigkeit des Versicherungsanspruchs von wesentlicher Bedeutung sind.
Normenkette
VVG § 75
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 14. Dezember 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht einer Leasinggesellschaft vom beklagten Versicherer restliche Entschädigung aus einer Maschinenversicherung, hilfsweise Schadensersatz wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte nach § 35 b VVG mit Prämienrückständen aufrechnen durfte, die andere Sachen als den Leasinggegenstand betreffen.
Versicherungsnehmerin ist die E. Mietkran AG. Sie schloß im Dezember 1994 mit der Beklagten einen „Rahmenvertrag für die Maschinenversicherung von Autokranen”. Versicherungsgegenstand waren „alle Autokrane der zur E. Mietkran AG gehörenden Firmen, soweit diese in der monatlichen Stichtagsmeldung aufgeführt sind”. 1995 und 1996 waren dies jeweils etwa 150 Autokräne. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Maschinen- und Kaskoversicherung von fahrbaren oder transportablen Geräten zugrunde (ABMG 92, VerBAV 1992, 370 ff.).
Im Herbst 1995 schloß die Versicherungsnehmerin mit der Leasinggeberin einen Leasingvertrag über einen Autokran, dessen Anschaffungskosten sich auf ca. 2,45 Millionen DM netto beliefen. Nach den Leasingbedingungen war die Leasingnehmerin verpflichtet, den Kran zu versichern und die Ansprüche gegen den Versicherer an die Leasinggeberin abzutreten. Die Beklagte übersandte der Leasinggeberin eine Sicherungsbestätigung vom 24. November 1995 über das Bestehen einer Maschinenversicherung ab dem 7. September 1995. Darin heißt es u.a.:
„Der Versicherungsnehmer hat bei uns für die Maschinen und Geräte gemäß umseitigem Verzeichnis die oben genannte Versicherung abgeschlossen … Aufgrund der Erklärung des Versicherungsnehmers bestätigen wir Ihnen:
1. Wir werden die auf die übereigneten Sachen entfallende Entschädigung, wenn sie 1.000 DM übersteigt, ohne Ihre schriftliche Zustimmung nicht an den Versicherungsnehmer, sondern an Sie zahlen.
Die Verrechnung fälliger Beiträge gegen Entschädigungsleistung ist durch die Sicherungsabtretung nicht ausgeschlossen.”
In dem Verzeichnis ist nur der geleaste Kran aufgeführt. Außerdem verpflichtete die Beklagte sich, die Leasinggeberin sofort zu unterrichten, wenn der Versicherungsnehmerin eine Zahlungsfrist nach § 39 VVG gesetzt worden ist und der Vertrag durch Kündigung oder aus sonstigen Gründen endet.
Am 12. Dezember 1996 wurde der Kran durch einen Brand beschädigt. Auf den unstreitigen Reparaturschaden zahlte die Beklagte 1.198.457 DM. In Höhe von 300.000 DM rechnete sie mit Prämienrückständen für 1996 und das erste Quartal 1997 auf. Insgesamt belief sich der Rückstand auf 355.630,23 DM (159.626,43 DM Rest aus der Jahresprämie 1996 von ca. 1,5 Millionen DM und drei volle Monatsprämien 1997 von zusammen 196.003,80 DM). Für den Kran der Leasinggeberin hat die Beklagte in ihren Berechnungen für 1996 eine Nettoprämie von ca. 31.500 DM und für 1997 von ca. 46.500 DM ausgewiesen.
Die Klägerin meint, die Beklagte könne von der Entschädigung nur die anteilige Prämie für den geleasten Kran abziehen, weil er Gegenstand eines Einzelversicherungsvertrages gewesen und nicht in einen einheitlichen Versicherungsvertrag über alle Kräne einbezogen worden sei. Falls die Aufrechnung mit der Gesamtprämie zulässig sein sollte, sei die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet. Sie habe die Leasinggeberin über das ihr unbekannte hohe Risiko des weitgehenden Verlustes einer etwaigen Entschädigung aufklären müssen. Die Leasinggeberin hätte dann für eine Einzelversicherung gesorgt.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 300.000 DM zuzüglich Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt sie ihren Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. 1. Das Oberlandesgericht ist der Auffassung, der Anspruch der Leasinggeberin auf die Versicherungsentschädigung sei in Höhe von 300.000 DM durch Aufrechnung erloschen. Bei dem als „Rahmenvertrag” bezeichneten Versicherungsvertrag habe es sich nicht um einen Rahmenvertrag im eigentlichen Sinne gehandelt, der gemeinsame Regelungen für eine Vielzahl von Versicherungsverträgen enthalte. Vielmehr ergebe sich aus dem Vertragstext, daß eine gemeinsame Versicherung für den jeweiligen Maschinenbestand der Leasingnehmerin gewollt gewesen sei. Für einen einheitlichen Versicherungsvertrag und damit eine Gesamtprämie spreche auch, daß es nur eine Versicherungsnummer und nur einen Versicherungsschein gebe. § 35 b VVG berechtige die Beklagte dazu, von der Entschädigungsleistung auch denjenigen Prämienanteil abzuziehen, der nicht für den Kran der Leasinggeberin geschuldet gewesen sei, und auch die Prämien, die erst nach Eintritt des Versicherungsfalls fällig geworden seien. Im übrigen sei die Leasingnehmerin mit der Verrechnung der Prämienrückstände auch einverstanden gewesen. Hieran müsse sich die Leasinggeberin als Versicherte festhalten lassen.
2. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Aufrechnung in Höhe von 300.000 DM wirksam ist.
a) Dies folgt allerdings nicht aus dem Einverständnis der Leasingnehmerin mit der Verrechnung. Sie war zu einer darin liegenden Verfügung über den Entschädigungsanspruch nicht befugt. Der Anspruch war an die Leasinggeberin abgetreten. In der Sicherungsbestätigung vom 24. November 1995 hat die Beklagte die alleinige Verfügungsbefugnis der Leasinggeberin auch anerkannt.
b) Die Aufrechnungsmöglichkeit für die Beklagte ergibt sich aus § 35 b VVG, wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Senatsrechtsprechung zutreffend ausgeführt hat.
aa) Die Auslegung des Berufungsgerichts, bei dem „Rahmenvertrag” handele es sich um einen einheitlichen Vertrag über die gemeinsame Versicherung des jeweiligen Maschinenbestandes, ist rechtsfehlerfrei und zudem naheliegend. Schon aus der Beschreibung des Vertragsgegenstandes geht hervor, daß der jeweilige in der monatlichen Stichtagsmeldung aufgeführte Bestand versichert ist. Dies ist auch die Erklärung dafür, daß in den Abrechnungslisten der Beklagten für die einzelnen Kräne ein unterschiedlicher Versicherungsbeginn vermerkt ist. Nach Nr. I der Besonderen Vereinbarungen beginnt der Versicherungsschutz für neue Autokräne im Zeitpunkt des Gefahrübergangs und für gebrauchte im Zeitpunkt der Zulassung. Das Ende der Versicherungsdauer war für alle Kräne gleich. Als Versicherungsnehmer bezeichnet der Vertrag nur die E. Mietkran AG. Die zur E. Mietkran AG gehörenden Unternehmen, denen in den Listen die Kräne zugeordnet sind, werden dagegen als Versicherte bezeichnet. In dem Vertrag sind auch alle Einzelheiten geregelt, so daß für daneben bestehende Einzelverträge über seinerzeit ca. 150 Kräne kein Raum war.
bb) Sind mehrere Sachen durch einen Vertrag versichert, beschränkt sich der Abzug der fälligen Prämie nach dem Wortlaut und dem Zweck des § 35 b VVG nicht auf die anteilige Prämie für die Sache, für die die Entschädigung zu leisten ist. An dieser im Senatsurteil vom 2. Februar 1977 (IV ZR 165/75, VersR 1977, 346 unter II 2) eingehend begründeten Auffassung ist festzuhalten. Die von der Revision befürwortete restriktive Auslegung widerspricht insbesondere in den Fällen dem Zweck des § 35 b VVG, in denen eine große Anzahl von Gegenständen versichert ist, die verschiedenen Dritten gehören, oder in denen der Versicherer nicht weiß, daß es sich um Sachen handelt, die Dritten gehören. Der von der Revision insbesondere im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles für erforderlich gehaltene Interessenausgleich kann auf andere Weise erreicht werden (dazu unten II 2).
cc) Eine zeitliche Beschränkung der Abzugsmöglichkeit auf Prämien, die vor dem Versicherungsfall fällig geworden sind, enthält § 35 b VVG nicht. Für die Haftpflichtversicherung hat der Senat eine solche Schranke aus der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung hergeleitet, wie sie in § 156 Abs. 1 VVG zum Ausdruck gekommen ist (Urteil vom 8. April 1987 – IVa ZR 12/86 – VersR 1987, 655 unter II 3). Eine vergleichbare Bindung ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision aus der hier erteilten Sicherungsbestätigung nicht. Diese weist vielmehr ausdrücklich auf die Verrechnungsmöglichkeit hin, ohne sie zeitlich zu beschränken. Die Leasinggeberin konnte deshalb nicht darauf vertrauen, die Beklagte werde von der Verrechnungsmöglichkeit nur zeitlich beschränkt Gebrauch machen.
II. 1. Ein Schadensersatzanspruch aus einer Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Erteilung der Sicherungsbestätigung besteht nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht. Die Sicherungsbestätigung sei nicht unrichtig gewesen. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Leasinggeberin bei Erteilung der Sicherungsbestätigung über die Vielzahl der versicherten Objekte zu informieren oder sie später über Prämienrückstände zu unterrichten. Die Tatsache, daß der Versicherungsvertrag die Möglichkeit geboten habe, mit einer Prämie für eine Vielzahl von Objekten aufzurechnen, sei für die Leasinggeberin zwar von Bedeutung gewesen. Es habe aber allein in ihrem Verantwortungsbereich gelegen, in Erfahrung zu bringen, daß für den Leasinggegenstand keine Einzelversicherung besteht. Eine Verpflichtung, die Leasinggeberin über künftige Prämienrückstände zu informieren, habe die Beklagte in der Sicherungsbestätigung nicht übernommen.
2. Dieser Beurteilung ist nicht zu folgen. Das Berufungsgericht sieht die Informationspflicht des Versicherers zu eng und berücksichtigt die besonderen Umstände des Falles nicht hinreichend.
a) Bei einer Fremdversicherung zugunsten eines Leasinggebers (vgl. dazu BGH, Urteil vom 6. Juli 1988 – IVa ZR 241/87 – VersR 1988, 949) oder eines sonstigen Kreditgebers stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag ihm als Versichertem zu (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VVG). Zur Stärkung und Sicherung dieser Rechte verlangt der Kreditgeber in der Regel eine Sicherungsbestätigung oder einen Sicherungsschein des Versicherers. Der von den Beteiligten damit verfolgte wirtschaftliche Zweck besteht darin, den Kreditgeber davor zu bewahren, durch den ersatzlosen Untergang des finanzierten Gegenstandes einen Verlust zu erleiden (vgl. zum Zweck eines Sicherungsscheins BGHZ 40, 297, 300 ff.; BGH, Urteil vom 15. November 1978 – IV ZR 183/77 – VersR 1979, 176 unter 1; Römer in Römer/Langheid VVG §§ 75, 76 Rdn. 18 ff.). Durch die Ausstellung und Hingabe einer Sicherungsbestätigung oder eines Sicherungsscheins werden zwischen dem Versicherer und dem Kreditgeber Rechtsbeziehungen begründet, die über die in den §§ 74 ff. VVG geregelten hinausgehen. Mit einer solchen Bestätigung erteilt der Versicherer eine Auskunft über das Versicherungsverhältnis und übernimmt regelmäßig bestimmte Pflichten, die die Auszahlung der Versicherungsleistung und die drohende Beendigung des Versicherungsvertrages betreffen. Die vom Kreditgeber gewünschte Auskunft hat den Zweck, ihm eine Grundlage für seine Entscheidung zu geben, ob er die Versicherung als ausreichende Sicherheit ansehen will. Sie muß deshalb wie andere Auskünfte, die erkennbar Grundlage für eine Vermögensdisposition sind, richtig und vollständig sein (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1982 – IVa ZR 322/80 – NJW 1983, 276 unter II 1 und Urteil vom 16. Februar 1995 – IX ZR 15/94 – NJW-RR 1995, 619 unter I 1 a, II 1, 2 a). Im Zusammenhang mit der Erteilung einer Sicherungsbestätigung ist der Versicherer auch verpflichtet, ihm, aber nicht dem Kreditgeber bekannte Umstände mitzuteilen, die für die Werthaltigkeit des Versicherungsanspruchs von wesentlicher Bedeutung sind (vgl. zu den Informationspflichten des Versicherers bei überlegenen Kenntnissen und Nachfrage des Versicherungsnehmers Römer, VersR 1998, 1313, 1319 ff.).
b) Die Beklagte hat ihre Auskunftspflicht verletzt. Die Angaben in der Sicherungsbestätigung waren unvollständig und irreführend und damit im Ergebnis unrichtig. Die Mitteilung, der Versicherungsnehmer habe für den im umseitigen Verzeichnis genannten Kran ab dem 7. September 1995 eine Maschinenversicherung abgeschlossen, erweckt den Eindruck, die Versicherung betreffe allein diesen Kran. Aus dem Hinweis auf die Verrechnung fälliger Beiträge mit der Entschädigungsleistung geht ebenfalls nicht hervor, daß durch den Vertrag noch weitere Maschinen versichert sind und die Verrechnungsmöglichkeit sich auch auf darauf entfallende Prämienanteile beziehen könnte. Deshalb konnte die Leasinggeberin die Sicherungsbestätigung entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht der Revision nicht als Verzicht auf eine Aufrechnung mit solchen Prämienanteilen verstehen. Der Leasinggeberin hätte aber richtigerweise gesagt werden müssen, der Kran sei im Wege einer monatlichen Stichtagsmeldung in einen Vertrag einbezogen worden, durch den schon ca. 150 andere Autokräne mit einer Jahresprämie von ca. 1,5 Millionen DM versichert seien. Wie von vornherein auf der Hand lag und sich später zeigte, war die Tatsache der Gesamtversicherung für die Entscheidung der Leasinggeberin von wesentlicher Bedeutung. Schon durch den Abzug einer fälligen Jahresprämie wären bei einem Totalverlust des Krans nur 40% seines Wertes zu zahlen gewesen. Bei einem Teilschaden war zu befürchten, daß die fälligen Prämien die Reparaturkosten ganz aufzehren. Mit der Gefahr einer derartigen Entwertung des Versicherungsschutzes brauchte die Leasinggeberin nicht zu rechnen. Die Beklagte konnte dies erkennen und mußte in der von der Leasinggeberin verlangten Sicherungsbestätigung darauf hinweisen.
Auf die Frage, ob die Beklagte nach Erteilung der Sicherungsbestätigung über Prämienrückstände informieren mußte, kommt es danach nicht mehr an.
3. Die Beklagte hat die Klägerin im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, wie sie bei pflichtgemäßer Aufklärung stünde (vgl. zur Berechnung des Schadens bei unzutreffender Auskunft BGH, Urteil vom 20. November 1997 – IX ZR 286/96 – NJW 1998, 982 und BGHZ 108, 200, 206). Die Klägerin hat behauptet, die Leasinggeberin hätte durch einen Einzelvertrag für Deckung gesorgt. Da dies streitig ist und auch Feststellungen zur Höhe des Schadens fehlen, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Prof. Römer, Dr. Schlichting, Seiffert, Ambrosius
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 06.12.2000 durch Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 507839 |
BGHR 2001, 131 |
NJW-RR 2001, 314 |
EWiR 2001, 339 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 243 |
WuB 2001, 665 |
WuB 2001, 671 |
ZIP 2001, 75 |
MDR 2001, 507 |
VersR 2001, 235 |
ZfS 2001, 167 |
ZBB 2001, 93 |