Leitsatz (amtlich)

Zur Anschlussberufung in Fällen, in denen der Darlehensnehmer eines Verbraucherdarlehensvertrags in erster Instanz die Feststellung erwirkt hat, der Verbraucherdarlehensvertrag habe sich aufgrund des Widerrufs seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt.

 

Normenkette

BGB § 495 Abs. 1, § 355 Fassung: 2010-06-10, § 357 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2014-06-12; ZPO § 524 Abs. 2 S. 2, § 264 Nr. 2, § 256 Abs. 1, §§ 139, 233 ff.

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 27.09.2016; Aktenzeichen 6 U 46/16)

LG Stuttgart (Urteil vom 19.02.2016; Aktenzeichen 12 O 290/15)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 27.9.2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 19.2.2016 weiter dahin abgeändert, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird, soweit die Kläger beantragt haben festzustellen, dass sich die Darlehensverträge vom 28.5.2008/2.6.2008 Nr. 62 über netto 65.000 EUR und Nr. 55 über netto 90.000 EUR aufgrund des Widerrufs der Kläger in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt haben.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien streiten in dritter Instanz noch um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss zweier Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

Rz. 2

Die Parteien schlossen Anfang Juni 2008 im Wege des Fernabsatzes zwei in einer Vertragsurkunde zusammengefasste Darlehensverträge zur Nr. 62 über 65.000 EUR mit einem bis zum 30.6.2018 festgeschriebenen Nominalzinssatz i.H.v. 5,10 % p.a. und zur Nr. 55 über 90.000 EUR mit einem ebenfalls bis zum 30.6.2018 festgeschriebenen Nominalzinssatz i.H.v. 4,35 % p.a. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten diente eine Grundschuld. Bei Abschluss der Darlehensverträge belehrte die Beklagte die Kläger über ihr Widerrufsrecht wie folgt:

Rz. 3

Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Im Jahr 2014 widerriefen sie ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen, wobei zwischen den Parteien streitig geblieben ist, ob der Widerruf zuerst durch ein Schreiben der Kläger selbst vom 27.6.2014 oder durch ein Schreiben ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 26.9.2014 erklärt worden ist.

Rz. 4

Ihrer Klage festzustellen, dass die zwei in dritter Instanz noch streitgegenständlichen und drei weitere Darlehensverträge "durch Erklärung der Kläger wirksam widerrufen und in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt worden" seien, hat das LG entsprochen. Den weiteren Antrag der Kläger auf Freistellung von vorgerichtlich verauslagten Anwaltskosten hat es abgewiesen. Über eine Hilfswiderklage der Beklagten, mit der die Beklagte die Rückforderung eines Teils der Darlehensvaluta verlangt hat, die die Kläger zunächst anerkannt haben, um dann die Berechnung der Beklagten nachträglich doch in Zweifel zu ziehen, und die die Beklagte später zurückgenommen hat, hat das LG nicht erkannt.

Rz. 5

Gegen das landgerichtliche Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist den Klägern am 31.5.2016 zugestellt worden. Der Vorsitzende des mit der Sache befassten Senats des Berufungsgerichts hat mit Verfügung vom 3.6.2016, den Klägern zugestellt am 9.6.2016, eine Frist zur Erwiderung auf das Berufungsvorbringen "durch ihren Rechtsanwalt" bis zum 5.7.2016 gesetzt. In dieser Verfügung hat er Hinweise zur Wahrung der Frist und den mit der Versäumung der Frist verbundenen Folgen erteilt. Innerhalb dieser Frist haben die Kläger Anschlussberufung nicht eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten - soweit die noch streitgegenständlichen beiden Darlehensverträge betreffend - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es festgestellt hat, die Darlehensverträge hätten sich "aufgrund des Widerrufs der Kläger in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt". Im Übrigen hat es auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen. Im Umfang ihrer Beschwer richtet sich dagegen die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 6

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

Rz. 7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (OLG Stuttgart, Urt. v. 27.9.2016 - 6 U 46/16, juris) - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 8

Die Feststellungsklage sei zulässig. Die Wandlung des Darlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis könne zum Gegenstand einer gerichtlichen Feststellung gemacht werden. Die Kläger hätten auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung dieser Rechtswirkung des Widerrufs. Insbesondere könnten sie nicht auf die Erhebung einer Leistungsklage verwiesen werden. Eine Feststellungsklage des Darlehensnehmers sei von Anfang an zulässig, wenn sich nach einer Aufrechnung der wechselseitigen Ansprüche aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis kein Saldo zu seinen Gunsten ergäbe.

Rz. 9

Die Feststellungsklage sei auch begründet, weil die Beklagte die Kläger unzureichend deutlich über ihr Widerrufsrecht belehrt habe, ohne dass sie die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung für sich in Anspruch nehmen könne. Die Kläger hätten das Widerrufsrecht auch nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt oder verwirkt.

II.

Rz. 10

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Der Feststellungsantrag ist nicht nur mangels Angabe der maßgeblichen Widerrufserklärung unbestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; vgl. BGH, Urt. v. 7.11.2017 - XI ZR 369/16, WM 2018, 45 Rz. 14). Den Klägern fehlt auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

Rz. 11

1. Der Feststellungsantrag der Kläger, "dass sich die Darlehensverträge [...] in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt haben", ist auf eine positive Feststellung gerichtet. Eine von der Revisionserwiderung gewünschte Auslegung des Feststellungsantrags dahin, die Kläger begehrten die negative Feststellung, die Beklagte habe gegen die Kläger seit dem Zugang der Widerrufserklärung keinen Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung, kommt mangels eines in diesem Sinne auslegungsfähigen anspruchsleugnenden Zusatzes nicht in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rz. 15).

Rz. 12

2. Als positive Feststellungsklage ist der Feststellungsantrag der Kläger unzulässig (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rz. 11 ff.; v. 21.2.2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rz. 13 ff.; v. 14.3.2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rz. 19; v. 16.5.2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rz. 16; v. 4.7.2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rz. 16 f.).

Rz. 13

Die Feststellungsklage ist auch nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24.1.2017 (XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rz. 16) ausnahmsweise zulässig. Anders als dort steht hier nicht fest, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigen wird. Das Anerkenntnis der Kläger auf die später zurückgenommene Hilfswiderklage der Beklagten bezog sich allein auf einen Teil der Darlehensvaluta. Die Kläger haben das Rechenergebnis der Beklagten im weiteren Verlauf des Rechtsstreits in Frage gestellt. Überdies sind die Parteien über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs uneinig, der indessen über die Höhe der den Klägern nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12.6.2014 geltenden Fassung i.V.m. §§ 346 ff. BGB zustehenden Ansprüche entscheidet.

III.

Rz. 14

Das Berufungsurteil unterliegt mithin der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Der Senat erkennt selbst auf die Unzulässigkeit der Feststellungsklage (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Rz. 15

1. Zwar ist das Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung (st.Rspr., zuletzt etwa BGH, Urt. v. 4.7.2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rz. 31; v. 10.10.2017 - XI ZR 457/16, WM 2017, 2256 Rz. 29). Die Feststellungsklage ist aber nicht auch unbegründet. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis richtig davon ausgegangen, die Beklagte habe die Kläger unzureichend deutlich über das ihnen zukommende Widerrufsrecht belehrt (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rz. 31; BGH v. 28.11.2017 - XI ZR 167/16, juris; Stackmann, NJW 2017, 2383, 2385; ders., NJW 2018, 209; kritisch Lechner, WuB 2017, 373, 377 f.). Einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand halten überdies die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, der Ausübung des Widerrufsrechts habe § 242 BGB nicht entgegen gestanden.

Rz. 16

2. Die Sache ist auch nicht vorrangig vor einer Abweisung der Klage als unzulässig an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um den Klägern Gelegenheit zu geben, zu einem zulässigen Klageantrag überzugehen. Die Frist zur Einlegung einer dazu erforderlichen Anschlussberufung ist abgelaufen.

Rz. 17

a) Die Kläger können zulässig nur auf Rückgewähr der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rz. 39) oder darauf klagen, dass die Beklagte gegen die Kläger aufgrund des Widerrufs keine Ansprüche (mehr) aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB hat (BGH, Urt. v. 16.5.2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rz. 16). Im Übergang von der positiven Feststellungsklage zur Leistungsklage läge eine Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO, in dem Übergang von der positiven Feststellungsklage zur negativen Feststellungsklage läge eine Klageänderung nach § 263 ZPO (OLG Stuttgart NJW 2017, 3170 Rz. 27 f. und Urt. v. 23.1.2018 - 6 U 238/16, juris Rz. 47 ff., 57 ff.). Sowohl die Klageerweiterung als auch die Klageänderung setzen voraus, dass die in erster Instanz mit ihrem positiven Feststellungsbegehren erfolgreichen anderweitig beschwerten Kläger entweder selbst Berufung eingelegt haben und ihren Rechtsmittelangriff noch erweitern oder noch zulässig Anschlussberufung einlegen können (vgl. BGH vom 21.2.2017, a.a.O.; v. 14.3.2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rz. 32 und vom 16.5.2017, a.a.O., Rz. 17; BGH, Urt. v. 7.5.2015 - VII ZR 145/12, WM 2015, 1871 Rz. 34; OLG Schleswig, Urt. v. 6.7.2017 - 5 U 24/17, juris Rz. 46 ff.).

Rz. 18

b) Die Kläger, die gegen das landgerichtliche Urteil - soweit die Abweisung ihres Antrags auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten betreffend - Berufung nicht eingelegt haben, könnten dies nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht nicht mehr tun. Auch eine Anschlussberufung können sie nicht mehr einlegen, weil die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO abgelaufen ist.

Rz. 19

Das Anlaufen der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO setzt voraus, dass das Berufungsgericht eine Frist zur Erwiderung auf die Berufung gesetzt und die in §§ 521 Abs. 2 Satz 2, 277 Abs. 2 ZPO vorgeschriebene Belehrung erteilt hat (BGH, Urt. v. 22.1.2015 - I ZR 127/13, WM 2015, 1719 Rz. 19; v. 7.5.2015 - VII ZR 145/12, WM 2015, 1871 Rz. 41; v. 16.5.2017 - X ZR 120/15, GRUR 2017, 785 Rz. 38; Beschl. v. 23.9.2008 - VIII ZR 85/08, NJW 2009, 515 Rz. 4). Die fristsetzende Verfügung des Vorsitzenden muss durch Übergabe einer beglaubigten Abschrift zugestellt werden (§ 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO; BGH, Beschl. v. 23.9.2008, a.a.O., Rz. 5). Bedingung für eine wirksame Fristsetzung ist, dass ein Hinweis auf den Vertretungszwang vor dem Berufungsgericht (BGH, Urt. v. 22.1.2015, a.a.O., Rz. 18 und vom 16.5.2017, a.a.O., Rz. 49; Beschluss vom 23.9.2008, a.a.O., Rz. 6) und auf die Folgen einer Fristversäumung erteilt wird (BGH, Urt. v. 16.5.2017, a.a.O., Rz. 50; Beschluss vom 23.9.2008, a.a.O.). Über die Folgen einer Versäumung der Frist für die Einlegung der Anschlussberufung muss dagegen nicht belehrt werden (BGH, Urt. v. 16.5.2017, a.a.O., Rz. 40 ff.). Die Frist muss auch nicht schon zugleich mit der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift gesetzt werden (vgl. Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 5. Aufl., § 521 Rz. 7; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 524 Rz. 11).

Rz. 20

Hier ist den Klägern durch Verfügung vom 3.6.2016, den Klägern zugestellt am 9.6.2016, unter Beachtung dieser Grundsätze wirksam eine Frist zur Erwiderung auf die Berufung der Beklagten bis zum 5.7.2016 gesetzt worden. Innerhalb dieser Frist haben die Kläger Anschlussberufung nicht eingelegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 11937709

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