Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsangebot. Versorgungsunternehmen. Vertragsangebot. Abschluss eines Versorgungsvertrages. Realofferte. Empfänger. Tatsächliche Verfügungsgewalt. Versorgungsanschluss. Übergabepunkt. Vermietung. Verpachtung. Gaststätte. Rechtliche Befugnis. Energieversorger. Streithelfer. Objektiver Empfängerhorizont

 

Leitsatz (amtlich)

a) In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ist grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrags in Form einer sog. Realofferte zu sehen, die von demjenigen konkludent angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt.

b) Empfänger der Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrags ist typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Im Falle einer Vermietung oder Verpachtung (hier: einer Gaststätte) steht diese tatsächliche Verfügungsgewalt entsprechend der aus dem Miet- oder Pachtvertrag folgenden rechtlichen Befugnis dem Mieter oder Pächter zu. Hierbei kommt es - ähnlich wie bei unternehmensbezogenen Geschäften - nicht darauf an, ob dem Energieversorger die Identität des Inhabers der tatsächlichen Verfügungsgewalt bekannt ist.

c) Diese auf den Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss weisenden Grundsätze gelten nur dann nicht, wenn gegenläufige Anhaltspunkte vorhanden sind, die im Einzelfall unübersehbar in eine andere Richtung weisen, oder wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung bereits anderweitig feststeht, weil das Versorgungsunternehmen oder der Abnehmer zuvor mit einem Dritten eine Liefervereinbarung geschlossen haben. (Bestätigung und Fortführung der Senatsrechtsprechung - BGH, Urt. v. 22.1.2014 - VIII ZR 391/12, CuR 2014, 27 Rz. 13 f.; v. 6.7.2011 - VIII ZR 217/10, NJW 2011, 3509 Rz. 16; v. 25.11.2009 - VIII ZR 235/08, WuM 2010, 89 Rz. 13; v. 10.12.2008 - VIII ZR 293/07, NJW 2009, 913 Rz. 6, 8 f., 11; v. 15.2.2006 - VIII ZR 138/05, NJW 2006, 1667 Rz. 15, 20; v. 27.4.2005 - VIII ZR 140/04, WM 2005, 1717 unter II 1a; v. 26.1.2005 - VIII ZR 66/04, WM 2005, 1089 unter II 1b aa und bb, und VIII ZR 1/04, ZNER 2005, 63 unter II 1a und b; v. 16.7.2003 - VIII ZR 30/03, NJW 2003, 2902 unter [II] 1; v. 17.3.2004 - VIII ZR 95/03, WM 2004, 2450 unter II 2; Beschl. v. 20.12.2005 - VIII ZR 7/04, WuM 2006, 207 Rz. 2).

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; StromGVV § 2 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 04.10.2013; Aktenzeichen 7 U 46/13)

LG Kiel (Entscheidung vom 13.02.2013; Aktenzeichen 2 O 185/12)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Schleswig vom 4.10.2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten des Streithelfers zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin nimmt in Schleswig-Holstein die Grundversorgung mit Strom wahr. Sie begehrt von dem Beklagten eine Vergütung i.H.v. 32.514,09 EUR für Stromlieferungen, die sie für das Grundstück S. Straße, Sc., im Zeitraum vom 1.2.2007 bis zum 30.11.2010 erbrachte.

Rz. 2

Der Beklagte erwarb das vorgenannte Grundstück am 29.1.2007 durch Zuschlag im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens und verpachtete es mit Vertrag vom 2.2.2007 an den Streithelfer, der dort bis zum 15.5.2011 eine Pizzeria betrieb. Nach § 3 des Pachtvertrags sollte der Streithelfer die Kosten der Stromversorgung aufgrund eines von ihm zu schließenden Vertrags mit einem Versorgungsunternehmen tragen. Der Streithelfer verbrauchte im streitgegenständlichen Zeitraum Strom in erheblichem Umfang, ohne einen schriftlichen Vertrag mit einem Stromversorger zu schließen oder der Klägerin mitzuteilen, dass er Strom entnehme. Auch der Beklagte teilte der Klägerin nicht mit, dass die Stromentnahme durch den Streithelfer erfolge.

Rz. 3

Die Klägerin ließ in den folgenden Jahren mehrfach die Zählerstände der beiden auf dem Grundstück vorhandenen Stromzähler ablesen. Sie wandte sich wegen der Vergütung zunächst an die F. -Sparkasse K., die ihr telefonisch am 16.12.2009 und schriftlich am 25.1.2010 mitteilte, dass der Beklagte das Grundstück im Januar 2007 erworben habe. Unter dem 14.12.2010 erstellte die Klägerin gegenüber dem Beklagten, den sie - als Grundstückseigentümer - als ihren Vertragspartner ansieht, eine Gesamtabrechnung des Stromverbrauchs vom 1.2.2007 bis zum 30.11.2010.

Rz. 4

Das LG hat die auf Zahlung der oben genannten Vergütung gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 5

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 7

Der Beklagte sei nicht Vertragspartner der Klägerin geworden, denn nicht er, sondern der Streithelfer habe durch die Entnahme von Strom die Realofferte der Klägerin auf Abschluss eines Stromlieferungsvertrags angenommen. Entgegen der Auffassung der Klägerin komme ein Stromlieferungsvertrag nicht stets dann mit dem Grundstückseigentümer zustande, wenn es an einem ausdrücklichen Vertrag mit einem Dritten fehle. Vielmehr stehe auch der konkludente Abschluss eines Versorgungsvertrags mit einem Mieter der Annahme eines (ebenfalls konkludenten) Vertragsschlusses mit dem Grundstückseigentümer entgegen. So verhalte es sich hier. Nur wenn der Beklagte zuvor - sei es auch nur kurzfristig - Strom entnommen hätte, wäre mit ihm ein Stromlieferungsvertrag zustande gekommen, welcher der Annahme eines zeitlich nachfolgenden Vertragsschlusses mit dem Streithelfer entgegengestanden hätte. Dafür sei aber nichts ersichtlich. Vielmehr habe der Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass der Streithelfer die Gaststätte unmittelbar nach dem Erwerb übernommen habe; substantiiert entgegengetreten sei die Klägerin dem schon in erster Instanz nicht.

II.

Rz. 8

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen.

Rz. 9

Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Vergütung für den im Zeitraum vom 1.2.2007 bis zum 30.11.2010 gelieferten Strom zu. Denn ein Stromlieferungsvertrag ist zwischen der Klägerin und dem Beklagten nicht geschlossen worden. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, richtete sich das konkludente Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Versorgungsvertrags bei der gebotenen Auslegung aus der Sicht eines verständigen Dritten in der Position des Empfängers (§§ 133, 157 BGB) vielmehr an den Streithelfer und wurde von diesem konkludent angenommen, indem er Strom verbrauchte.

Rz. 10

1. In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ist grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrags in Form einer sog. Realofferte zu sehen. Diese wird von demjenigen konkludent angenommen, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt. Dieser Rechtsgrundsatz, der in § 2 Abs. 2 der Verordnungen über die Allgemeinen Bedingungen für die (Grund-)Versorgung mit Energie und Wasser (StromGVV, GasGVV, AVBWasserV, AVBFernwärmeV) lediglich wiederholt wird, trägt der Tatsache Rechnung, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen werden. Er zielt darauf ab, einen ersichtlich nicht gewollten vertragslosen Zustand bei den zugrunde liegenden Versorgungsleistungen zu vermeiden (BGH vom 22.1.2014 - VIII ZR 391/12, CuR 2014, 27 Rz. 13; v. 6.7.2011 - VIII ZR 217/10, NJW 2011, 3509 Rz. 16; v. 25.11.2009 - VIII ZR 235/08, WuM 2010, 89 Rz. 13; v. 10.12.2008 - VIII ZR 293/07, NJW 2009, 913 Rz. 6; v. 15.2.2006 - VIII ZR 138/05, NJW 2006, 1667 Rz. 15; v. 26.1.2005 - VIII ZR 66/04, WM 2005, 1089 unter II 1b aa, und VIII ZR 1/04, ZNER 2005, 63 unter II 1a; jeweils m.w.N.), und berücksichtigt die normierende Kraft der Verkehrssitte, die dem sozialtypischen Verhalten der Annahme der Versorgungsleistungen den Gehalt einer echten Willenserklärung zumisst. Aus Sicht eines objektiven Empfängers stellt sich typischerweise die Vorhaltung der Energie und die Möglichkeit der Energieentnahme an den ordnungsgemäßen Entnahmevorrichtungen nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als Leistungsangebot und damit als Vertragsangebot dar. Die Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen beinhaltet - auch bei entgegenstehenden ausdrücklichen Äußerungen - die schlüssig erklärte Annahme dieses Angebots, weil der Abnehmer weiß, dass die Lieferung nur gegen eine Gegenleistung erbracht zu werden pflegt (BGH, Urt. v. 26.1.2005 - VIII ZR 66/04, a.a.O., und VIII ZR 1/04, a.a.O.; jeweils m.w.N.).

Rz. 11

a) Kommen mehrere Adressaten des schlüssig erklärten Vertragsangebots des Versorgungsunternehmens in Betracht, ist durch Auslegung aus Sicht eines verständigen Dritten in der Position des möglichen Erklärungsempfängers zu ermitteln, an wen sich die Realofferte richtet. Weichen der vom Erklärenden beabsichtigte Inhalt der Erklärung und das Verständnis des objektiven Empfängers voneinander ab, hat die - dem Erklärenden zurechenbare - objektive Bedeutung des Verhaltens aus der Sicht des Erklärungsgegners Vorrang vor dem subjektiven Willen des Erklärenden (BGH, Urt. v. 27.4.2005 - VIII ZR 140/04, WM 2005, 1717 unter II 1a; v. 26.1.2005 - VIII ZR 66/04, a.a.O., unter II 1b bb (1), und VIII ZR 1/04, a.a.O., unter II 1b aa; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urt. v. 28.7.2005 - III ZR 3/05, NJW 2005, 3636 unter II 1b; Staudinger/Singer, BGB, Neubearb. 2012, § 133 Rz. 6, 11, 18, 26). Es kommt mithin nicht auf die subjektive Sicht des Erklärenden an, sondern darauf, an wen sich nach dem objektiven Empfängerhorizont das in der Bereitstellung von Gas liegende Vertragsangebot richtet.

Rz. 12

aa) Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens liegenden Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrags ist hiernach typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.2014 - VIII ZR 391/12, a.a.O.; v. 10.12.2008 - VIII ZR 293/07, a.a.O.; v. 15.2.2006 - VIII ZR 138/05, a.a.O., Rz. 20; v. 16.7.2003 - VIII ZR 30/03, NJW 2003, 2902 unter [II] 1; BGH v. 20.12.2005 - VIII ZR 7/04, WuM 2006, 207 Rz. 2).

Rz. 13

bb) Inhaber dieser Verfügungsgewalt ist grundsätzlich der Eigentümer. Wie das Berufungsgericht insoweit zu Recht angenommen hat, kommt es dabei jedoch nicht auf die Eigentümerstellung selbst, sondern auf die hierdurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt an (Senatsbeschluss v. 20.12.2005 - VIII ZR 7/04, a.a.O., m.w.N.).

Rz. 14

Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt kann deshalb auch eine andere Person sein, etwa der Mieter oder Pächter eines Grundstücks, da diesem aufgrund des Miet- oder Pachtvertrags die tatsächliche Verfügungsgewalt über die ihm überlassenen Miet- oder Pachtsache eingeräumt wird (Senatsbeschluss v. 20.12.2005 - VIII ZR 7/04, a.a.O.). Ob dem Energieversorger die Identität des Inhabers der tatsächlichen Verfügungsgewalt bekannt ist, er also etwa weiß, dass das zu versorgende Grundstück sich im Besitz eines Mieters oder Pächters befindet und dieser die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss ausübt, ist unerheblich. Denn bei einer am objektiven Empfängerhorizont unter Beachtung der Verkehrsauffassung und des Gebots von Treu und Glauben ausgerichteten Auslegung der Realofferte eines Energieversorgers geht dessen Wille - ähnlich wie bei unternehmensbezogenen Geschäften (vgl. hierzu etwa BGH, Urt. v. 31.7.2012 - X ZR 154/11, NJW 2012, 3368 Rz. 10 m.w.N.; Schramm in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 164 Rz. 23; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 164 Rz. 2; BeckOK/BGB/Valenthin, Stand: November 2013, § 164 Rz. 25; jeweils m.w.N.) - im Zweifel dahin, den - möglicherweise erst noch zu identifizierenden - Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss zu berechtigen und zu verpflichten. Jede andere Sichtweise würde dem in § 2 Abs. 2 der Verordnungen über die Allgemeinen Bedingungen für die (Grund-)Versorgung mit Energie (StromGVV, GasGVV, AVBFernwärmeV) zum Ausdruck gekommenen, an den beiderseitigen Interessen orientierten Verkehrsverständnis zuwiderlaufen, zur Vermeidung eines vertragslosen Zustands einen Vertrag mit demjenigen zustande zu bringen, der die angelieferte Energie oder das angelieferte Wasser entnimmt.

Rz. 15

Ob für die Anlieferung und Entnahme für Wasser die Realofferte des Versorgers im Hinblick darauf, dass die Gemeinden in ihren Satzungen häufig den Grundstückseigentümer als Anschlussberechtigten und -verpflichteten ausweisen, regelmäßig dahin auszulegen ist, dass sie sich an den Eigentümer richtet (so wohl BGH, Urt. v. 30.4.2003 - VIII ZR 278/02, WuM 2003, 458 unter II 1b), kann offen bleiben (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss v. 20.12.2005 - VIII ZR 7/04, a.a.O.). Denn im Streitfall stehen die Lieferung und der Verbrauch von Strom in Frage.

Rz. 16

b) Diese auf den Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss weisenden Grundsätze gelten nur dann nicht, wenn gegenläufige Anhaltspunkte vorhanden sind, die im Einzelfall unübersehbar in eine andere Richtung weisen (vgl. BGH vom 10.12.2008 - VIII ZR 293/07, a.a.O., Rz. 11; v. 25.11.2009 - VIII ZR 235/08, a.a.O., Rz. 12 f.), oder wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung bereits anderweitig feststeht, weil das Versorgungsunternehmen oder der Abnehmer zuvor mit einem Dritten eine Liefervereinbarung geschlossen haben, aufgrund derer die - nur einmal fließende - Leistung in ein bestehendes Vertragsverhältnis eingebettet ist (BGH, Urt. v. 22.1.2014 - VIII ZR 391/12, a.a.O., Rz. 14; v. 10.12.2008 - VIII ZR 293/07, a.a.O., Rz. 8 f.; v. 27.4.2005 - VIII ZR 140/04, a.a.O.; v. 26.1.2005 - VIII ZR 66/04, a.a.O., unter II 1b bb und VIII ZR 1/04, a.a.O., unter II 1b; vom 17.3.2004 - VIII ZR 95/03, WM 2004, 2450 unter II 2).

Rz. 17

2. In Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass sich die Realofferte vorliegend an den Streithelfer richtete, der als Pächter der Gaststätte die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübte. Indem der Streithelfer Strom verbrauchte, nahm er aus objektiver Sicht des Versorgungsunternehmens die an ihn als Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt gerichtete Realofferte konkludent an.

Rz. 18

Die Revision macht in diesem Zusammenhang ohne Erfolg geltend, die Realofferte der Klägerin habe sich an den Grundstückseigentümer gerichtet, weil ihr die Verpachtung des Grundstücks an den Streithelfer des Beklagten nicht bekannt gewesen sei. Hierbei verkennt die Revision, dass es - wie oben dargelegt - nicht auf die subjektive Sicht des Erklärenden ankommt, sondern darauf, an wen sich nach dem objektiven Empfängerhorizont das in der Bereitstellung von Strom liegende Vertragsangebot richtet.

Rz. 19

3. Gegenläufige Anhaltspunkte, die im vorliegenden Fall eindeutig auf einen anderen Vertragspartner der Klägerin als den Streithelfer weisen könnten, sind weder festgestellt noch ersichtlich. Es fehlt sowohl an Mitteilungen, die auf einen abweichenden Vertragswillen der Parteien schließen lassen könnten, als auch an einem entsprechenden Verhalten der Parteien.

Rz. 20

a) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch einen vorhergehenden Vertragsschluss mit dem Beklagten als Eigentümer, der einem konkludent geschlossenen Versorgungsvertrag mit dem Streithelfer entgegenstünde, verneint. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war hier in dem kurzen Zeitraum zwischen dem Eigentumserwerb und der Besitzüberlassung an den Pächter eine Energieentnahme, die nur von dem Eigentümer veranlasst worden wäre, schon nicht festzustellen. Entsprechend fehlt es bereits an einer Handlung des Eigentümers, die als Annahme einer an ihn gerichteten Realofferte zu verstehen wäre. Allein der Umstand, dass der Eigentümer in dieser kurzen Zeit Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss hatte, reicht nicht aus, einen konkludenten Vertragsschluss mit dem Eigentümer anzunehmen.

Rz. 21

b) Selbst wenn, wie von der Klägerin vorgetragen, in diesem Zeitraum Strom in geringfügigem Umfang - etwa zum Zweck einer Besichtigung - ausschließlich von dem Eigentümer entnommen worden wäre, führte dies bei einer Auslegung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten (vgl. zu diesem Kriterium: BGH, Urt. v. 8.1.2004 - VII ZR 181/02, NJW 2004, 2156 unter II 2; Staudinger/Singer, a.a.O., Rz. 2, 52 ff.) nicht dazu, dass der Eigentümer hiermit eine an ihn gerichtete Realofferte zum Abschluss eines unbefristeten Grundversorgungsvertrags angenommen hätte, der mangels Kündigung auch den späteren Verbrauch durch den Pächter erfasst und einem Vertragsschluss mit dem Pächter entgegen gestanden hätte. Derartige kurzfristige und geringfügige Energieentnahmen sind bei der Feststellung der Vertragsparteien zu vernachlässigen. Nur ein solches Verständnis wahrt das bei einer beiderseits interessengerechten Auslegung einzubeziehende Anliegen aller Beteiligten, stabile Vertragsbeziehungen zu erreichen und verhindert, dass aufwendige - und angesichts fehlender Zwischenzählerstände voraussichtlich in aller Regel erfolglose - Ermittlungen zwischenzeitlich möglicherweise erfolgter Kleinstbezüge erforderlich sind, um festzustellen, wer Vertragspartner eines Versorgungsvertrags geworden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 7191737

BGHZ 2015, 17

BB 2014, 2049

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