Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Verfahrenskostenstundung. Darlegung mangelnder Deckung der anfallenden Kosten. Umfassende Auskünfte über Vermögensverhältnisse

 

Leitsatz (amtlich)

a) Erklärt sich der Schuldner im Eröffnungsverfahren zu seinem Stundungsantrag nicht ausreichend über seine wirtschaftlichen Verhältnisse, obwohl das Insolvenzgericht auf die Mängel konkret aufmerksam gemacht und dem Schuldner aufgegeben hat, diese binnen angemessener Frist zu beheben, ist die Stundung deshalb zu versagen, weil der Antrag des Schuldners unzulässig oder unbegründet ist. Auf § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (Anschluss an BGH v. 24.7.2003 - - IX ZB 539/02, BGHZ 156, 92 = BGHReport 2003, 1309 = MDR 2003, 1440; Beschl. v. 16.12.2004 - IX ZB 72/03).

b) Bestehen nach dem Inhalt des Stundungsantrags objektiv keine Zweifel, dass der Antragsteller nicht in der Lage ist, die anfallenden Kosten zu decken, hat das Insolvenzgericht nicht die Ursachen seiner mangelnden finanziellen Leistungsfähigkeit aufzuklären.

 

Normenkette

InsO §§ 4a, 290 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 26.09.2003; Aktenzeichen 14 T 13149/03)

AG München

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 14. Zivilkammer des LG München I vom 26.9.2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens --an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 300 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die durch das Sozialamt ihres Wohnortes vertretene Schuldnerin beantragte am 2.9.2002 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, die Restschuldbefreiung sowie die Stundung der Verfahrenskosten. In der beigefügten Vermögensübersicht gab sie vier Gläubiger an mit Gesamtforderungen von rund 20.000 EUR. Davon entfielen auf den ersten Gläubiger, eine Bank, 16.920,15 EUR und auf den Zweiten, das Finanzamt, 2.147,05 EUR. Die Frage nach vorhandenem Vermögen wurde verneint. Mit Verfügung v. 24.4.2003 gab das AG - Insolvenzgericht --der Schuldnerin auf, binnen drei Wochen zu erklären, "welches Geschehen den Forderungen der Gläubiger 1 und 2 zu Grunde liegt und wofür das Darlehen verwendet worden ist"und "aus welchem Zeitraum die Schulden stammen (Monat und Jahr der ältesten und jüngsten Schuld)". Die Schuldnerin wurde darauf hingewiesen, dass ihr Stundungsantrag zurückgewiesen werden könne, wenn sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht genüge. Die Schuldnerin stellte sich auf den Standpunkt, zu weiteren Auskünften nicht verpflichtet zu sein.

Daraufhin hat das AG den Stundungsantrag abgelehnt, weil die Schuldnerin ihre Mitwirkungspflicht aus § 20 Abs. 1 InsO mindestens grob fahrlässig verletzt habe. Dies rechtfertige die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Unter diesen Umständen sei schon der Stundungsantrag nach § 4a InsO zurückzuweisen. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das LG zurückgewiesen. Dagegen wendet sich diese mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die statthafte (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 7 InsO) Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung zu Unrecht auf § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO gestützt. Wie der Senat mit Beschluss v. 16.12.2004 (BGH, Beschl. v. 16.12.2004 --IX ZB 72/03) im Einzelnen ausgeführt hat, kann die Stundung zwar auch bei Vorliegen eines anderen als der in § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO genannten Versagungsgründe ausgeschlossen sein; dies trifft insb. auf § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu. Auf diese Vorschrift kommt es jedoch nicht an, soweit es allein darum geht, ob der Schuldner zu seinem Antrag gem. § 4a InsO hinreichende Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat. Reichen die Angaben nicht aus, um über den Stundungsantrag zu entscheiden, und hat der Schuldner die ihm vom Insolvenzgericht konkret bezeichneten Mängel (BGH v. 24.7.2003 - - IX ZB 539/02, BGHZ 156, 92 [94] = BGHReport 2003, 1309 = MDR 2003, 1440) nicht beseitigt, so ist der Stundungsantrag entweder schon unzulässig oder unbegründet. Reichen sie aus, kann dem Schuldner ein Verstoß gegen eine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nicht deshalb vorgeworfen werden, weil er die gerichtliche Anordnung einer ergänzenden Stellungnahme nicht befolgt hat (BGH, Beschl. v. 20.3.2003 - IX ZB 388/02, MDR 2003, 831 = BGHReport 2003, 834 = NJW 2003, 2167).

2. Nach dem bisherigen Sachstand ist der Stundungsantrag weder unzulässig noch unbegründet.

a) Ein zulässiger Antrag auf Stundung gem. § 4a InsO setzt voraus, dass der Schuldner dem Insolvenzgericht in substantiierter, nachvollziehbarer Form darlegt, dass sein Vermögen voraussichtlich zur Deckung der anfallenden Kosten nicht ausreicht. Für den Abschnitt des Insolvenzverfahrens müssen die in § 54 InsO genannten Kosten gedeckt sein. Ebenso wenig wie für den Eröffnungsantrag (BGH v. 12.12.2002 -IX ZB 426/02, BGHZ 153, 205 [207] = MDR 2003, 475 = BGHReport 2003, 408) ist eine Schlüssigkeit im technischen Sinne zu verlangen. Die umfassende Auskunftspflicht des Schuldners setzt erst ein, wenn er einen zulässigen Antrag eingereicht hat (§ 20 Abs. 1 S. 1 InsO). Vorher besteht auch keine Amtsermittlungspflicht des Gerichts (BGH v. 12.12.2002 -IX ZB 426/02, BGHZ 153, 205 [207] = MDR 2003, 475 = BGHReport 2003, 408).

b) Genügt der Antrag diesen Mindestanforderungen, ist er mithin zulässig, kann er dennoch nur Erfolg haben, wenn der Schuldner dem Insolvenzgericht sämtliche Angaben macht, die dieses zur Beurteilung benötigt, ob das Schuldnervermögen zur Kostendeckung nicht ausreichen wird (BGH v. 24.7.2003 --IX ZB 539/02, BGHZ 156, 92 [93 f.] = BGHReport 2003, 1309 = MDR 2003, 1440; Beschl. v. 22.4.2004 - IX ZB 64/03, ZVI 2004, 281; v. 4.11.2004 - IX ZB 70/03, BGHReport 2005, 405 = ZInsO 2004, 1307 [1308]). Die Fragestellung, über die das Gericht zu entscheiden hat, entspricht derjenigen des § 26 Abs. 1 S. 1 InsO (BGH, Beschl. v. 4.11.2004 - IX ZB 70/03, BGHReport 2005, 405). Aus § 20 Abs. 1 S. 1 InsO folgt, dass der Schuldner dem Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren umfassende Auskünfte über seine Vermögensverhältnisse erteilen, insb. ein Verzeichnis seiner Gläubiger und Schuldner vorzulegen und eine geordnete Übersicht seiner Vermögensgegenstände einzureichen hat. Die Anforderungen an die Begründung eines Stundungsantrags sind an diesem Maßstab auszurichten (BGH v. 24.7.2003 - IX ZB 539/02, BGHZ 156, 92 [93 f.] = BGHReport 2003, 1309 = MDR 2003, 1440). Deckungsgleich sind sie jedoch nicht (Ahrens, NZI 2003, 558 [559]). Andernfalls könnte das Anliegen des Gesetzgebers vereitelt werden, durch die Gewährung der Verfahrenskostenstundung mittellosen Personen den raschen und unkomplizierten Zugang zu dem Insolvenzverfahren unter zumutbaren Bedingungen zu ermöglichen (BGH, Beschl. v. 25.9.2003 - IX ZB 459/02, BGHReport 2003, 1439 = MDR 2004, 171 = NZI 2003, 665 [666]; v. 16.12.2004 - IX ZB 72/03). Entsprechen die Angaben des Schuldners dem, was er als Auskunft nach § 20 Abs. 1 Satz 1 InsO schuldet, so hat er i.d.R. auch für die Gewährung der Stundung gem. § 4a InsO ausreichend vorgetragen (BGH v. 24.7.2003 - IX ZB 539/02, BGHZ 156, 92 [93 f.] = BGHReport 2003, 1309 = MDR 2003, 1440; Beschl. v. 4.11.2004 - IX ZB 70/03, BGHReport 2005, 405). Umgekehrt können Angaben, die für eine Verfahrenseröffnung noch der Ergänzung bedürfen, bereits für die Gewährung der Verfahrenskostenstundung genügen. Denn in diesem Verfahrensstadium ist lediglich eine summarische Prüfung erforderlich; stellt sich später heraus, dass die Stundung zu Unrecht bewilligt worden ist, hat das Gericht diese gem. § 4c InsO aufzuheben (BT-Drucks. 14/5680, 20 ff.). Dies haben die Insolvenzgerichte zu beachten, wenn sie noch Aufklärungsbedarf sehen. Dem Schuldner darf nicht durch übersteigerte Informationsauflagen die Verfahrenskostenstundung erschwert werden.

Ein Recht - und bei einem (trotz etwaiger Lücken und Widersprüche) zulässigen Antrag auch eine Pflicht --zur Nachfrage hat das Insolvenzgericht, wenn der Antrag Lücken oder Widersprüche aufweist. Ggf. hat das Insolvenzgericht die Mängel konkret zu bezeichnen und dem Schuldner aufzugeben, binnen angemessener Frist Darlegung und Nachweise zu ergänzen (BGH, Beschl. v. 4.11.2004 - IX ZB 70/03, BGHReport 2005, 405). Es ist jedoch nicht angezeigt, die Ursachen der Insolvenz im Einzelnen aufzuklären, bevor über den Stundungsantrag entschieden wird. Wenn auf Grund eines in sich stimmigen Stundungsantrags objektiv keine Zweifel bestehen, dass der Antragsteller voraussichtlich nicht in der Lage ist, die anfallenden Kosten zu decken, hat das Insolvenzgericht nicht zu prüfen, wie es dazu kommen konnte, dass der Schuldner derart verarmt ist. Mangels gegenteiliger konkreter Anhaltspunkte hat es außerdem davon auszugehen, dass der Schuldner redlich ist und seine Angaben wahrheitsgemäß und vollständig gemacht hat (BGH v. 11.9.2003 -IX ZB 37/03, BGHZ 156, 139 [147] = BGHReport 2003, 1441 = MDR 2004, 172, zur Restschuldbefreiung).

c) Im allgemeinen hat das Insolvenzgericht einen im Wege der Rechtsbeschwerde nur begrenzt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, wenn es vor der Frage steht, ob vor der Entscheidung über das Stundungsgesuch weitere Umstände aufzuklären sind. Im vorliegenden Fall ist in den Vorinstanzen der Rahmen dessen, was von dem Schuldner an Auskünften verlangt werden kann, jedoch grundsätzlich verkannt worden.

Allein der Umstand, dass die Antragstellerin einerseits verneint hat, Vermögen zu haben, und andererseits Verbindlichkeiten bei einer Bank und dem Finanzamt angegeben hat, wobei offen blieb, wann diese Verbindlichkeiten begründet worden sind, ließ den Stundungsantrag weder als widersprüchlich noch als unvollständig oder in sonstiger Hinsicht ergänzungsbedürftig erscheinen. Ebenso wenig war es gerechtfertigt, die Schuldnerin aufzufordern zu erklären, "wofür das Darlehen verwendet worden ist". Selbst wenn die Schuld bei der Bank auf die Gewährung eines Darlehens an die Antragstellerin zurückgehen sollte, drängt sich deshalb noch nicht der Eindruck auf, die Angabe der Antragstellerin, kein verwertbares Vermögen zu haben, könnte unzutreffend sein. Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin am 26.9.2002 auf Betreiben der gegen sie vollstreckenden Bank die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat.

III.

Die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen erneut über den Stundungsantrag entschieden wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1332594

NWB 2005, 1542

BGHR 2005, 881

FamRZ 2005, 883

NJW-RR 2005, 775

EWiR 2005, 435

WM 2005, 527

WuB 2005, 540

DZWir 2005, 294

MDR 2005, 893

NZI 2005, 273

Rpfleger 2005, 327

VuR 2005, 269

ZInsO 2005, 265

ZVI 2005, 120

ZVI 2006, 11

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