Leitsatz (amtlich)

Wird die Erinnerung wiederholt eingelegt, hat sie aber eine einheitliche Vollstreckungsmaßnahme zum Gegenstand (hier: wiederholte Vorpfändung gegen denselben Drittschuldner), kann der Verfahrensbevollmächtigte daraus keinen zusätzlichen Gebührentatbestand ableiten.

 

Normenkette

BRAGO §§ 57-58

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Beschluss vom 05.05.2004; Aktenzeichen 1 T 327/04)

AG Pfaffenhofen a.d. Ilm (Beschluss vom 27.10.2003)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Ingolstadt v. 5.5.2004 aufgehoben.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Pfaffenhofen an der Ilm v. 27.10.2003 wird in der Hauptforderung dahin geändert, dass die vom Gläubiger an die Schuldnerin zu erstattenden Kosten auf 1.036,80 EUR festgesetzt werden.

Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden gegeneinander aufgehoben.

Wert: 573,96 EUR

 

Gründe

I.

Der Gläubiger betreibt aus einem gegen die Schuldnerin erwirkten Titel die Zwangsvollstreckung wegen eines Betrages i.H.v. 15.318,30 EUR nebst Zinsen. Er ließ den Drittschuldnern durch den Gerichtsvollzieher vorläufige Zahlungsverbote zustellen; eine Pfändung der Forderungen der Schuldnerin wurde nachfolgend nicht bewirkt. Gegen die beiden Vorpfändungen gegenüber der Drittschuldnerin zu 1 legte die Schuldnerin mit Datum v. 10.1.und 15.1.2003, gegen die Vorpfändung gegenüber der Drittschuldnerin zu 2 mit Datum v. 21.1.2003 Erinnerung ein. Weitere Vorpfändungen gegen die Drittschuldner erfolgten am 10.2.2003; dagegen wandte sich die Schuldnerin mit ihrer Erinnerung v. 24.2.2003. Das AG erklärte die Zwangsvollstreckung für unzulässig und hob die vorläufigen Zahlungsverbote auf; die hiergegen gerichtete Beschwerde des Gläubigers wurde zurückgewiesen. Die Kosten des Erinnerungs- und des Beschwerdeverfahrens wurden jeweils dem Gläubiger auferlegt. Die Schuldnerin stellte für die Erinnerungen v. 10. Januar, 15.1.und 21.1.2003 Kostenfestsetzungsanträge, in denen jeweils eine 3/10-Gebühr gem. §§ 11, 57 Abs. 1 S. 1 BRAGO geltend gemacht wurde. Daneben stellte sie einen Kostenfestsetzungsantrag für das Beschwerdeverfahren mit dem Ansatz einer 5/10-Gebühr gem. §§ 61 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO.

Das AG hat den Kostenfestsetzungsanträgen in vollem Umfang entsprochen und die vom Gläubiger an die Schuldnerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 1.323,78 EUR festgesetzt. Die Beschwerde des Gläubigers ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet er sich mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Das gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel ist teilweise begründet.

1. Das Beschwerdegericht hat - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des OLG Köln (OLG Köln v. 15.11.2000 - 17 W 278/99, Rpfleger 2001, 149) - ausgeführt:

In der Zwangsvollstreckung sei die Abgrenzung, ob es um eine oder mehrere Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne gehe, gem. § 58 Abs. 1 BRAGO nach der Anzahl der Vollstreckungsmaßnahmen vorzunehmen; diese Bestimmung sei gegenüber § 13 Abs. 2 S. 1 BRAGO vorrangig. Der Rechtsanwalt erhalte die Gebühr auch dann mehrmals, wenn er auf Grund eines einheitlichen Auftrages tätig werde, in dessen Erfüllung jedoch zur Einleitung der Zwangsvollstreckung mehrere Anträge stelle oder - wie hier - mehrere Vorpfändungen veranlasse. Dem stehe nicht entgegen, dass die Erinnerungen gegen die einzelnen Vorpfändungen zu einem Erinnerungsverfahren und später zu einem einheitlichen Beschwerdeverfahren zusammengeführt worden seien. Dem sei bereits dadurch Rechnung getragen, dass im Kostenfestsetzungsbeschluss für das Beschwerdeverfahren nur eine einheitliche 5/10-Gebühr in Ansatz gebracht werde.

Die Rechtsbeschwerde hält dem entgegen, es sei ausschließlich auf den dem Rechtsanwalt erteilten Auftrag abzustellen. Liege mehreren Vorpfändungen gegenüber verschiedenen Drittschuldnern ein einheitlicher Auftrag zu Grunde, handele es sich um eine einheitliche Angelegenheit, die auch nur eine Gebühr nach § 57 Abs. 1 BRAGO auslöse.

2. Beide Standpunkte berücksichtigen nicht hinreichend, dass für die vom Gläubiger angegriffene Kostenfestsetzung allein zu prüfen ist, welche anwaltlichen Gebühren zu Gunsten des Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin angefallen sind, der für diese die Erinnerungen geführt hat. Ob die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Gläubigers auf einem einheitlichen - und umfassenden - Vollstreckungsauftrag beruht und er deshalb gebührenrechtlich nur in einer Angelegenheit tätig geworden ist, ist für das vorliegende Verfahren von nachgeordneter Bedeutung; einer Zulassung der Rechtsbeschwerde hätte es unter diesem Gesichtspunkt nicht bedurft.

a) Dem Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin steht die Gebühr nach § 57 Abs. 1 S. 1 BRAGO zu, weil er diese in der Zwangsvollstreckung vertreten hat. Durch die 3/10-Gebühr wird seine gesamte Tätigkeit abgegolten, sofern sie die gleiche Angelegenheit betrifft (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 15. Aufl., § 57 Rz. 24, 28). Ob von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, beurteilt sich nach § 58 Abs. 1 BRAGO. In der Zwangsvollstreckung gilt jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch sie vorbereiteten Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers als eine Angelegenheit. Dazu hat der Senat entschieden, dass grundsätzlich die gesamten zu einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gehörenden, miteinander in einem inneren Zusammenhang stehenden Einzelmaßnahmen von der Vorbereitung der Vollstreckung bis zur Befriedigung des Gläubigers oder bis zum sonstigen Abschluss der Vollstreckung dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit bilden. Dabei stehen die Einzelmaßnahmen in einem inneren Zusammenhang, welche die einmal eingeleitete Maßnahme mit demselben Ziel der Befriedigung fortsetzen (BGH, Beschl. v. 12.12.2003 - IXa ZB 234/03, BGHReport 2004, 560 = MDR 2004, 776 = Rpfleger 2004, 250 unter II 3).

b) Für die gegenüber der Drittschuldnerin zu 1) ausgebrachten beiden Vorpfändungen ist ein solcher innerer Zusammenhang zu bejahen. Die Benachrichtigung der Drittschuldnerin durch den Gerichtsvollzieher gem. § 845 Abs. 1 ZPO ist nur deshalb wiederholt worden, weil der Gläubiger nicht binnen eines Monats die Pfändung der Forderung erreicht hatte, so dass der ersten Vorpfändung nicht die Wirkung eines Arrestes zukommen konnte (§ 845 Abs. 2 ZPO). In der zweiten Pfändungsankündigung war daher lediglich die Fortsetzung der einmal begonnenen Vollstreckungsmaßnahme zu sehen. Sie hatte unverändert zum Ziel, den zwangsweisen Zugriff auf eine bestimmte Forderung der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin vorzubereiten, um daraus wegen des titulierten Anspruchs Befriedigung zu suchen.

Anders verhält es sich mit der Pfändungsankündigung, die gegenüber dem Drittschuldner zu 2) erfolgt ist. Sie beinhaltet eine eigenständige Vollstreckungsmaßnahme, mit der die Pfändung einer weiteren Forderung der Schuldnerin gegenüber einem anderen Drittschuldner vorbereitet worden ist. Der erforderliche innere Zusammenhang fehlt, was sich schon daran zeigt, dass beide Vollstreckungsmaßnahmen unabhängig voneinander zur Befriedigung des Gläubigers hätten führen können.

c) Zu der jeweiligen Vollstreckungsmaßnahme gehört auf Seiten des Schuldners die Erinnerung, mit der er sich gem. § 766 ZPO gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung wendet (vgl. Riedel/Sußbauer/Fraunholz/Keller/Schneider, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 8. Aufl., § 58 Rz. 12). Wird die Erinnerung wiederholt eingelegt, hat sie aber eine Vollstreckungshandlung zum Gegenstand, die als Teil derselben Vollstreckungsmaßnahme i.S.d. § 58 Abs. 1 BRAGO anzusehen ist, kann der Verfahrensbevollmächtigte daraus keinen zusätzlichen Gebührentatbestand ableiten. Er hat die Gebühr erst dann mehrfach verdient, wenn der für den Schuldner eingelegte Rechtsbehelf eine anderweitige Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers betrifft. Das lässt sich zusätzlich aus § 61 BRAGO begründen. Für die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung und gegen den Kostenansatz ist in § 61 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO eine besondere 5/10-Gebühr vorgesehen; auch diese fällt jedoch nach § 61 Abs. 2 BRAGO in derselben Angelegenheit nur einmal an.

Die vom Gläubiger an die Schuldnerin zu erstattenden Kosten sind demnach dahin festzusetzen, dass neben der 5/10-Gebühr für das Beschwerdeverfahren die 3/10-Gebühr des § 57 Abs. 1 S. 1 BRAGO zweifach in Ansatz zu bringen ist, und zwar für die Erinnerungen v. 10.1.und 15.1.2003 einerseits und für die Erinnerung v. 21.1.2003 andererseits.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1248758

BGHR 2005, 132

EBE/BGH 2004, 2

NJW-RR 2005, 78

JurBüro 2005, 36

ZAP 2004, 1342

InVo 2005, 33

MDR 2005, 57

Rpfleger 2005, 53

AGS 2004, 437

RENOpraxis 2005, 37

RVGreport 2005, 32

RVG-Letter 2004, 131

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge